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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

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schaffen. Man kann leicht denken, wie groß
die Verbitterung der Anhänger des Brama,
und die des Vistnou, deßwegen seyn müssen.
Aber die Vistnouvisten treiben ihre Beleidigun-
gen noch höher. Denn statt dessen, daß es im
Vedam und Shaster heißt, daß die ersten
heiligen Bücher ihm wären von Gott gegeben
worden, so sagen sie dagegen, daß Vistnou
den Vedam in einer gewissen Schaale gefun-
funden habe.

Vistnou hat, wie es scheint, viele Weiber
gehabt, die er sich eine Zeitlang zur Befriedi-
gung seiner Lüste beygelegt, und nachhero wie-
der von sich gelassen hat. Unter den vielen
Weibern waren zwey, die er bey sich behalten,
in der Absicht Kinder mit ihnen zu zeugen.
Außer diesem beyden Weibern hat er noch tau-
send in seinem Serail. Demungeachtet finden
wir mehr nicht als einen Sohn, Namens Ka-
schen.
Wir müssen hier noch das Interessan-
teste von der Historie seiner Zehn Verwandlun-
gen -- welche diesen Gott in Indien am mei-
sten berühmt machen -- anführen.

Unter diesen Verwandlungen sollen die vor-
nehmsten Geheimnisse der heidnischen Religion
verborgen liegen. Die Indier sind mit diesen
Verwandlungen des Vistnou sehr geheim, und
lassen sie niemanden wissen. Baldäus, ein
sehr zuverläßiger Scribent hatte sichs einmal
in den Kopf gesetzt, alles zu versuchen, um
hinter das Geheimniß zu kommen. Es gelang

ihm

ſchaffen. Man kann leicht denken, wie groß
die Verbitterung der Anhaͤnger des Brama,
und die des Viſtnou, deßwegen ſeyn muͤſſen.
Aber die Viſtnouviſten treiben ihre Beleidigun-
gen noch hoͤher. Denn ſtatt deſſen, daß es im
Vedam und Shaſter heißt, daß die erſten
heiligen Buͤcher ihm waͤren von Gott gegeben
worden, ſo ſagen ſie dagegen, daß Viſtnou
den Vedam in einer gewiſſen Schaale gefun-
funden habe.

Viſtnou hat, wie es ſcheint, viele Weiber
gehabt, die er ſich eine Zeitlang zur Befriedi-
gung ſeiner Luͤſte beygelegt, und nachhero wie-
der von ſich gelaſſen hat. Unter den vielen
Weibern waren zwey, die er bey ſich behalten,
in der Abſicht Kinder mit ihnen zu zeugen.
Außer dieſem beyden Weibern hat er noch tau-
ſend in ſeinem Serail. Demungeachtet finden
wir mehr nicht als einen Sohn, Namens Ka-
ſchen.
Wir muͤſſen hier noch das Intereſſan-
teſte von der Hiſtorie ſeiner Zehn Verwandlun-
gen — welche dieſen Gott in Indien am mei-
ſten beruͤhmt machen — anfuͤhren.

Unter dieſen Verwandlungen ſollen die vor-
nehmſten Geheimniſſe der heidniſchen Religion
verborgen liegen. Die Indier ſind mit dieſen
Verwandlungen des Viſtnou ſehr geheim, und
laſſen ſie niemanden wiſſen. Baldaͤus, ein
ſehr zuverlaͤßiger Scribent hatte ſichs einmal
in den Kopf geſetzt, alles zu verſuchen, um
hinter das Geheimniß zu kommen. Es gelang

ihm
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[463/0489] ſchaffen. Man kann leicht denken, wie groß die Verbitterung der Anhaͤnger des Brama, und die des Viſtnou, deßwegen ſeyn muͤſſen. Aber die Viſtnouviſten treiben ihre Beleidigun- gen noch hoͤher. Denn ſtatt deſſen, daß es im Vedam und Shaſter heißt, daß die erſten heiligen Buͤcher ihm waͤren von Gott gegeben worden, ſo ſagen ſie dagegen, daß Viſtnou den Vedam in einer gewiſſen Schaale gefun- funden habe. Viſtnou hat, wie es ſcheint, viele Weiber gehabt, die er ſich eine Zeitlang zur Befriedi- gung ſeiner Luͤſte beygelegt, und nachhero wie- der von ſich gelaſſen hat. Unter den vielen Weibern waren zwey, die er bey ſich behalten, in der Abſicht Kinder mit ihnen zu zeugen. Außer dieſem beyden Weibern hat er noch tau- ſend in ſeinem Serail. Demungeachtet finden wir mehr nicht als einen Sohn, Namens Ka- ſchen. Wir muͤſſen hier noch das Intereſſan- teſte von der Hiſtorie ſeiner Zehn Verwandlun- gen — welche dieſen Gott in Indien am mei- ſten beruͤhmt machen — anfuͤhren. Unter dieſen Verwandlungen ſollen die vor- nehmſten Geheimniſſe der heidniſchen Religion verborgen liegen. Die Indier ſind mit dieſen Verwandlungen des Viſtnou ſehr geheim, und laſſen ſie niemanden wiſſen. Baldaͤus, ein ſehr zuverlaͤßiger Scribent hatte ſichs einmal in den Kopf geſetzt, alles zu verſuchen, um hinter das Geheimniß zu kommen. Es gelang ihm

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/489>, abgerufen am 22.11.2024.