Den drey Göttern der ersten Klasse haben sie eine große Menge von Namen beygelegt. Die gewöhnlichsten Benennungen aber sind: Brama, Vistnou und Ruddiren oder Ischu- ren. Die drey Gottheiten sind unter der all- gemeinen Benennung Dirumurtigol zusam- mengefaßt. -- Es ist sehr schwer, aus den Berichten der Reisebeschreiber einen deutlichen Begriff von dem, was die Hindistaner von die- sen drey Göttern glauben, zu communiciren. Nach einigen Schriftstellern sind sie drey von dem höchsten Gott erschaffene Wesen, welchen die im Shaster gemeldeten Kräfte beygelegt werden: nemlich dem Brama, die Kraft zu schaffen; dem Vistnou, die Kraft zu erhalten; und dem Ruddiren oder Ischuren, die Kraft zu verderben. Hieraus will man muthmaßen, daß die Hindistaner einen Begriff von der Dreyeinigkeit hätten. Allein dieß ist unrichtig. Lord bemerkt, daß sogar eine Vierheit darinn gefunden werde, denn der höchste Gott mache die vierte Person aus. Ueberdem sind diese Bücher gewiß lange vor der christlichen Zeit- rechnung da gewesen. Wir wollen aber dieß fahren laßen, und erinnern, daß die Reisebe- schreiber bemerken, sie würden nicht für Götter, sondern vielmehr für Diener und Soldaten des großen Gottes angesehen. Sie wären weiter nichts als Bedienten Gottes, die seine Befehle ausrichteten, und wären sowohl als andere Ge- schöpfe mancherley Veränderungen unterworfen.
Dem-
Den drey Goͤttern der erſten Klaſſe haben ſie eine große Menge von Namen beygelegt. Die gewoͤhnlichſten Benennungen aber ſind: Brama, Viſtnou und Ruddiren oder Iſchu- ren. Die drey Gottheiten ſind unter der all- gemeinen Benennung Dirumurtigol zuſam- mengefaßt. — Es iſt ſehr ſchwer, aus den Berichten der Reiſebeſchreiber einen deutlichen Begriff von dem, was die Hindiſtaner von die- ſen drey Goͤttern glauben, zu communiciren. Nach einigen Schriftſtellern ſind ſie drey von dem hoͤchſten Gott erſchaffene Weſen, welchen die im Shaſter gemeldeten Kraͤfte beygelegt werden: nemlich dem Brama, die Kraft zu ſchaffen; dem Viſtnou, die Kraft zu erhalten; und dem Ruddiren oder Iſchuren, die Kraft zu verderben. Hieraus will man muthmaßen, daß die Hindiſtaner einen Begriff von der Dreyeinigkeit haͤtten. Allein dieß iſt unrichtig. Lord bemerkt, daß ſogar eine Vierheit darinn gefunden werde, denn der hoͤchſte Gott mache die vierte Perſon aus. Ueberdem ſind dieſe Buͤcher gewiß lange vor der chriſtlichen Zeit- rechnung da geweſen. Wir wollen aber dieß fahren laßen, und erinnern, daß die Reiſebe- ſchreiber bemerken, ſie wuͤrden nicht fuͤr Goͤtter, ſondern vielmehr fuͤr Diener und Soldaten des großen Gottes angeſehen. Sie waͤren weiter nichts als Bedienten Gottes, die ſeine Befehle ausrichteten, und waͤren ſowohl als andere Ge- ſchoͤpfe mancherley Veraͤnderungen unterworfen.
Dem-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0484"n="458"/><p>Den drey Goͤttern der erſten Klaſſe haben<lb/>ſie eine große Menge von Namen beygelegt.<lb/>
Die gewoͤhnlichſten Benennungen aber ſind:<lb/><hirendition="#fr">Brama, Viſtnou</hi> und <hirendition="#fr">Ruddiren</hi> oder <hirendition="#fr">Iſchu-<lb/>
ren.</hi> Die drey Gottheiten ſind unter der all-<lb/>
gemeinen Benennung <hirendition="#fr">Dirumurtigol</hi> zuſam-<lb/>
mengefaßt. — Es iſt ſehr ſchwer, aus den<lb/>
Berichten der Reiſebeſchreiber einen deutlichen<lb/>
Begriff von dem, was die Hindiſtaner von die-<lb/>ſen drey Goͤttern glauben, zu communiciren.<lb/>
Nach einigen Schriftſtellern ſind ſie drey von<lb/>
dem hoͤchſten Gott erſchaffene Weſen, welchen<lb/>
die im <hirendition="#fr">Shaſter</hi> gemeldeten Kraͤfte beygelegt<lb/>
werden: nemlich dem Brama, die Kraft zu<lb/>ſchaffen; dem Viſtnou, die Kraft zu erhalten;<lb/>
und dem Ruddiren oder Iſchuren, die Kraft<lb/>
zu verderben. Hieraus will man muthmaßen,<lb/>
daß die Hindiſtaner einen Begriff von der<lb/>
Dreyeinigkeit haͤtten. Allein dieß iſt unrichtig.<lb/><hirendition="#fr">Lord</hi> bemerkt, daß ſogar eine Vierheit darinn<lb/>
gefunden werde, denn der hoͤchſte Gott mache<lb/>
die vierte Perſon aus. Ueberdem ſind dieſe<lb/>
Buͤcher gewiß lange vor der chriſtlichen Zeit-<lb/>
rechnung da geweſen. Wir wollen aber dieß<lb/>
fahren laßen, und erinnern, daß die Reiſebe-<lb/>ſchreiber bemerken, ſie wuͤrden nicht fuͤr Goͤtter,<lb/>ſondern vielmehr fuͤr Diener und Soldaten des<lb/>
großen Gottes angeſehen. Sie waͤren weiter<lb/>
nichts als Bedienten Gottes, die ſeine Befehle<lb/>
ausrichteten, und waͤren ſowohl als andere Ge-<lb/>ſchoͤpfe mancherley Veraͤnderungen unterworfen.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Dem-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[458/0484]
Den drey Goͤttern der erſten Klaſſe haben
ſie eine große Menge von Namen beygelegt.
Die gewoͤhnlichſten Benennungen aber ſind:
Brama, Viſtnou und Ruddiren oder Iſchu-
ren. Die drey Gottheiten ſind unter der all-
gemeinen Benennung Dirumurtigol zuſam-
mengefaßt. — Es iſt ſehr ſchwer, aus den
Berichten der Reiſebeſchreiber einen deutlichen
Begriff von dem, was die Hindiſtaner von die-
ſen drey Goͤttern glauben, zu communiciren.
Nach einigen Schriftſtellern ſind ſie drey von
dem hoͤchſten Gott erſchaffene Weſen, welchen
die im Shaſter gemeldeten Kraͤfte beygelegt
werden: nemlich dem Brama, die Kraft zu
ſchaffen; dem Viſtnou, die Kraft zu erhalten;
und dem Ruddiren oder Iſchuren, die Kraft
zu verderben. Hieraus will man muthmaßen,
daß die Hindiſtaner einen Begriff von der
Dreyeinigkeit haͤtten. Allein dieß iſt unrichtig.
Lord bemerkt, daß ſogar eine Vierheit darinn
gefunden werde, denn der hoͤchſte Gott mache
die vierte Perſon aus. Ueberdem ſind dieſe
Buͤcher gewiß lange vor der chriſtlichen Zeit-
rechnung da geweſen. Wir wollen aber dieß
fahren laßen, und erinnern, daß die Reiſebe-
ſchreiber bemerken, ſie wuͤrden nicht fuͤr Goͤtter,
ſondern vielmehr fuͤr Diener und Soldaten des
großen Gottes angeſehen. Sie waͤren weiter
nichts als Bedienten Gottes, die ſeine Befehle
ausrichteten, und waͤren ſowohl als andere Ge-
ſchoͤpfe mancherley Veraͤnderungen unterworfen.
Dem-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/484>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.