Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Hauptstadt zu wenden. -- Der Kutual ver-
richtet zugleich das Amt eines Policeyrichters
und Oberprofoß. Das vornehmste eines Poli-
ceyrichters unter dem Aurengzeb, der ein stren-
ger Beobachter des Korans war, bestand dar-
inn, diejenigen zur Bestrafung zu ziehen, wel-
che dem Trunk zu sehr ergeben und in Besuchung
liederlicher Häuser ihr Vergnügen fanden. --
Er muß dem Kayser von dem besondern Unord-
nungen der Familien, Nachricht geben, ihm
die Zänkereyen und die nächtlichen Zusammen-
künfte melden. Er hat in allen Quartiren der
Stadt seine Kundschafter, da es ihm dann nie
an Neuigkeiten fehlen kann. Diese von den
Kutuals gedungene Aufpasser, müßen die Häu-
ser kehren, und die verdorbenen Gefäße wieder
in Ordnung bringen. Jeden Morgen kommen
sie zu den Bürgern, ziehen von den Geheimnis-
sen der Familien Nachricht ein, befragen die
Leibeigenen, und erstatten dem Kutual davon
Nachricht. Dieser Beamte muß als Großpro-
foß mit seinem Solde für alle Diebstähle, die
in seinem Bezirke geschehen, haften. Dieß er-
hält seine Wachsamkeit immer in Thätigkeit.

Die Gerichtsbarkeit des Kadi erstreckt sich
nur auf Religionssachen, Ehescheidungen und
andere Dinge, die die Ehe betreffen. Indes-
sen kann keiner von den beyden Richtern ein To-
desurtheil sprechen, ohne dem Kayser oder dem
Unterkönige Bericht ertheilt zu haben: und
nach des Ekbar Verordnungen, müßen diese

Ober-

Hauptſtadt zu wenden. — Der Kutual ver-
richtet zugleich das Amt eines Policeyrichters
und Oberprofoß. Das vornehmſte eines Poli-
ceyrichters unter dem Aurengzeb, der ein ſtren-
ger Beobachter des Korans war, beſtand dar-
inn, diejenigen zur Beſtrafung zu ziehen, wel-
che dem Trunk zu ſehr ergeben und in Beſuchung
liederlicher Haͤuſer ihr Vergnuͤgen fanden. —
Er muß dem Kayſer von dem beſondern Unord-
nungen der Familien, Nachricht geben, ihm
die Zaͤnkereyen und die naͤchtlichen Zuſammen-
kuͤnfte melden. Er hat in allen Quartiren der
Stadt ſeine Kundſchafter, da es ihm dann nie
an Neuigkeiten fehlen kann. Dieſe von den
Kutuals gedungene Aufpaſſer, muͤßen die Haͤu-
ſer kehren, und die verdorbenen Gefaͤße wieder
in Ordnung bringen. Jeden Morgen kommen
ſie zu den Buͤrgern, ziehen von den Geheimniſ-
ſen der Familien Nachricht ein, befragen die
Leibeigenen, und erſtatten dem Kutual davon
Nachricht. Dieſer Beamte muß als Großpro-
foß mit ſeinem Solde fuͤr alle Diebſtaͤhle, die
in ſeinem Bezirke geſchehen, haften. Dieß er-
haͤlt ſeine Wachſamkeit immer in Thaͤtigkeit.

Die Gerichtsbarkeit des Kadi erſtreckt ſich
nur auf Religionsſachen, Eheſcheidungen und
andere Dinge, die die Ehe betreffen. Indeſ-
ſen kann keiner von den beyden Richtern ein To-
desurtheil ſprechen, ohne dem Kayſer oder dem
Unterkoͤnige Bericht ertheilt zu haben: und
nach des Ekbar Verordnungen, muͤßen dieſe

Ober-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0462" n="436"/>
Haupt&#x017F;tadt zu wenden. &#x2014; Der Kutual ver-<lb/>
richtet zugleich das Amt eines Policeyrichters<lb/>
und Oberprofoß. Das vornehm&#x017F;te eines Poli-<lb/>
ceyrichters unter dem Aurengzeb, der ein &#x017F;tren-<lb/>
ger Beobachter des Korans war, be&#x017F;tand dar-<lb/>
inn, diejenigen zur Be&#x017F;trafung zu ziehen, wel-<lb/>
che dem Trunk zu &#x017F;ehr ergeben und in Be&#x017F;uchung<lb/>
liederlicher Ha&#x0364;u&#x017F;er ihr Vergnu&#x0364;gen fanden. &#x2014;<lb/>
Er muß dem Kay&#x017F;er von dem be&#x017F;ondern Unord-<lb/>
nungen der Familien, Nachricht geben, ihm<lb/>
die Za&#x0364;nkereyen und die na&#x0364;chtlichen Zu&#x017F;ammen-<lb/>
ku&#x0364;nfte melden. Er hat in allen Quartiren der<lb/>
Stadt &#x017F;eine Kund&#x017F;chafter, da es ihm dann nie<lb/>
an Neuigkeiten fehlen kann. Die&#x017F;e von den<lb/>
Kutuals gedungene Aufpa&#x017F;&#x017F;er, mu&#x0364;ßen die Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er kehren, und die verdorbenen Gefa&#x0364;ße wieder<lb/>
in Ordnung bringen. Jeden Morgen kommen<lb/>
&#x017F;ie zu den Bu&#x0364;rgern, ziehen von den Geheimni&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en der Familien Nachricht ein, befragen die<lb/>
Leibeigenen, und er&#x017F;tatten dem Kutual davon<lb/>
Nachricht. Die&#x017F;er Beamte muß als Großpro-<lb/>
foß mit &#x017F;einem Solde fu&#x0364;r alle Dieb&#x017F;ta&#x0364;hle, die<lb/>
in &#x017F;einem Bezirke ge&#x017F;chehen, haften. Dieß er-<lb/>
ha&#x0364;lt &#x017F;eine Wach&#x017F;amkeit immer in Tha&#x0364;tigkeit.</p><lb/>
          <p>Die Gerichtsbarkeit des <hi rendition="#fr">Kadi</hi> er&#x017F;treckt &#x017F;ich<lb/>
nur auf Religions&#x017F;achen, Ehe&#x017F;cheidungen und<lb/>
andere Dinge, die die Ehe betreffen. Inde&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en kann keiner von den beyden Richtern ein To-<lb/>
desurtheil &#x017F;prechen, ohne dem Kay&#x017F;er oder dem<lb/>
Unterko&#x0364;nige Bericht ertheilt zu haben: und<lb/>
nach des <hi rendition="#fr">Ekbar</hi> Verordnungen, mu&#x0364;ßen die&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ober-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0462] Hauptſtadt zu wenden. — Der Kutual ver- richtet zugleich das Amt eines Policeyrichters und Oberprofoß. Das vornehmſte eines Poli- ceyrichters unter dem Aurengzeb, der ein ſtren- ger Beobachter des Korans war, beſtand dar- inn, diejenigen zur Beſtrafung zu ziehen, wel- che dem Trunk zu ſehr ergeben und in Beſuchung liederlicher Haͤuſer ihr Vergnuͤgen fanden. — Er muß dem Kayſer von dem beſondern Unord- nungen der Familien, Nachricht geben, ihm die Zaͤnkereyen und die naͤchtlichen Zuſammen- kuͤnfte melden. Er hat in allen Quartiren der Stadt ſeine Kundſchafter, da es ihm dann nie an Neuigkeiten fehlen kann. Dieſe von den Kutuals gedungene Aufpaſſer, muͤßen die Haͤu- ſer kehren, und die verdorbenen Gefaͤße wieder in Ordnung bringen. Jeden Morgen kommen ſie zu den Buͤrgern, ziehen von den Geheimniſ- ſen der Familien Nachricht ein, befragen die Leibeigenen, und erſtatten dem Kutual davon Nachricht. Dieſer Beamte muß als Großpro- foß mit ſeinem Solde fuͤr alle Diebſtaͤhle, die in ſeinem Bezirke geſchehen, haften. Dieß er- haͤlt ſeine Wachſamkeit immer in Thaͤtigkeit. Die Gerichtsbarkeit des Kadi erſtreckt ſich nur auf Religionsſachen, Eheſcheidungen und andere Dinge, die die Ehe betreffen. Indeſ- ſen kann keiner von den beyden Richtern ein To- desurtheil ſprechen, ohne dem Kayſer oder dem Unterkoͤnige Bericht ertheilt zu haben: und nach des Ekbar Verordnungen, muͤßen dieſe Ober-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/462
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/462>, abgerufen am 25.11.2024.