Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Ordentlich zählet man 6 Omrahs vom großen
Solde, den Itimad-ud Deulet, die beyden
Staatssekretäre, den Unterkönig von Kabul,
den von Bengalen, und den von Ugen. Der
Sold der gemeinen Reuter und der übrigen
Mannschaft, kommt auf den Omrah an, der
sie wirbt und erhält. Der Ordnung nach, soll-
ten sie jeden Tag bezahlt werden: aber dieß wird
schlecht beobachtet; man begnügt sich ihnen mo-
natlich einen gewissen Lohn auszumachen, und
oft nöthigt man sie, statt des Geldes, altes
Geräthe des Pallastes, und die Kleider anzuneh-
men, welche ihre Weiber ablegen. Durch sol-
che Ungerechtigkeiten häufen die obersten Bedien-
ten große Schätze zusammen, die nach ihrem
Tode dem Kayser wieder zufallen.

Die Justiz wird in den Staaten des Groß-
mogols mit vieler Einförmigkeit verwaltet, Die
Unterkönige, Befehlshaber in den ihnen ange-
wiesenen Distrikten, die Obrigkeiten in den Städ-
ten und Flecken, thun vollkommen das an ih-
ren Orten, was der Kayser zu Agra und Dehli
selber verrichtet. Sie entscheiden nemlich, alles
was das Leben und die Güter der Unterthanen
betrift, durch Urtheile, die sie allein fällen.

Demungeachtet hat jede Stadt ihren Ku-
tual
und Kadi für gewisse Fälle. Den Ein-
wohnern aber steht es frey, ob sie sich zu diesem
Untergerichte wenden wollen: und überhaupt
haben alle Unterthanen des Reichs das Recht,
sich unmittelbar an den Kayser selbst in seiner

Haupt-
E e 2

Ordentlich zaͤhlet man 6 Omrahs vom großen
Solde, den Itimad-ud Deulet, die beyden
Staatsſekretaͤre, den Unterkoͤnig von Kabul,
den von Bengalen, und den von Ugen. Der
Sold der gemeinen Reuter und der uͤbrigen
Mannſchaft, kommt auf den Omrah an, der
ſie wirbt und erhaͤlt. Der Ordnung nach, ſoll-
ten ſie jeden Tag bezahlt werden: aber dieß wird
ſchlecht beobachtet; man begnuͤgt ſich ihnen mo-
natlich einen gewiſſen Lohn auszumachen, und
oft noͤthigt man ſie, ſtatt des Geldes, altes
Geraͤthe des Pallaſtes, und die Kleider anzuneh-
men, welche ihre Weiber ablegen. Durch ſol-
che Ungerechtigkeiten haͤufen die oberſten Bedien-
ten große Schaͤtze zuſammen, die nach ihrem
Tode dem Kayſer wieder zufallen.

Die Juſtiz wird in den Staaten des Groß-
mogols mit vieler Einfoͤrmigkeit verwaltet, Die
Unterkoͤnige, Befehlshaber in den ihnen ange-
wieſenen Diſtrikten, die Obrigkeiten in den Staͤd-
ten und Flecken, thun vollkommen das an ih-
ren Orten, was der Kayſer zu Agra und Dehli
ſelber verrichtet. Sie entſcheiden nemlich, alles
was das Leben und die Guͤter der Unterthanen
betrift, durch Urtheile, die ſie allein faͤllen.

Demungeachtet hat jede Stadt ihren Ku-
tual
und Kadi fuͤr gewiſſe Faͤlle. Den Ein-
wohnern aber ſteht es frey, ob ſie ſich zu dieſem
Untergerichte wenden wollen: und uͤberhaupt
haben alle Unterthanen des Reichs das Recht,
ſich unmittelbar an den Kayſer ſelbſt in ſeiner

Haupt-
E e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0461" n="435"/>
Ordentlich za&#x0364;hlet man 6 Omrahs vom großen<lb/>
Solde, den Itimad-ud Deulet, die beyden<lb/>
Staats&#x017F;ekreta&#x0364;re, den Unterko&#x0364;nig von Kabul,<lb/>
den von Bengalen, und den von Ugen. Der<lb/>
Sold der gemeinen Reuter und der u&#x0364;brigen<lb/>
Mann&#x017F;chaft, kommt auf den Omrah an, der<lb/>
&#x017F;ie wirbt und erha&#x0364;lt. Der Ordnung nach, &#x017F;oll-<lb/>
ten &#x017F;ie jeden Tag bezahlt werden: aber dieß wird<lb/>
&#x017F;chlecht beobachtet; man begnu&#x0364;gt &#x017F;ich ihnen mo-<lb/>
natlich einen gewi&#x017F;&#x017F;en Lohn auszumachen, und<lb/>
oft no&#x0364;thigt man &#x017F;ie, &#x017F;tatt des Geldes, altes<lb/>
Gera&#x0364;the des Palla&#x017F;tes, und die Kleider anzuneh-<lb/>
men, welche ihre Weiber ablegen. Durch &#x017F;ol-<lb/>
che Ungerechtigkeiten ha&#x0364;ufen die ober&#x017F;ten Bedien-<lb/>
ten große Scha&#x0364;tze zu&#x017F;ammen, die nach ihrem<lb/>
Tode dem Kay&#x017F;er wieder zufallen.</p><lb/>
          <p>Die Ju&#x017F;tiz wird in den Staaten des Groß-<lb/>
mogols mit vieler Einfo&#x0364;rmigkeit verwaltet, Die<lb/>
Unterko&#x0364;nige, Befehlshaber in den ihnen ange-<lb/>
wie&#x017F;enen Di&#x017F;trikten, die Obrigkeiten in den Sta&#x0364;d-<lb/>
ten und Flecken, thun vollkommen das an ih-<lb/>
ren Orten, was der Kay&#x017F;er zu Agra und Dehli<lb/>
&#x017F;elber verrichtet. Sie ent&#x017F;cheiden nemlich, alles<lb/>
was das Leben und die Gu&#x0364;ter der Unterthanen<lb/>
betrift, durch Urtheile, die &#x017F;ie allein fa&#x0364;llen.</p><lb/>
          <p>Demungeachtet hat jede Stadt ihren <hi rendition="#fr">Ku-<lb/>
tual</hi> und <hi rendition="#fr">Kadi</hi> fu&#x0364;r gewi&#x017F;&#x017F;e Fa&#x0364;lle. Den Ein-<lb/>
wohnern aber &#x017F;teht es frey, ob &#x017F;ie &#x017F;ich zu die&#x017F;em<lb/>
Untergerichte wenden wollen: und u&#x0364;berhaupt<lb/>
haben alle Unterthanen des Reichs das Recht,<lb/>
&#x017F;ich unmittelbar an den Kay&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;einer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Haupt-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0461] Ordentlich zaͤhlet man 6 Omrahs vom großen Solde, den Itimad-ud Deulet, die beyden Staatsſekretaͤre, den Unterkoͤnig von Kabul, den von Bengalen, und den von Ugen. Der Sold der gemeinen Reuter und der uͤbrigen Mannſchaft, kommt auf den Omrah an, der ſie wirbt und erhaͤlt. Der Ordnung nach, ſoll- ten ſie jeden Tag bezahlt werden: aber dieß wird ſchlecht beobachtet; man begnuͤgt ſich ihnen mo- natlich einen gewiſſen Lohn auszumachen, und oft noͤthigt man ſie, ſtatt des Geldes, altes Geraͤthe des Pallaſtes, und die Kleider anzuneh- men, welche ihre Weiber ablegen. Durch ſol- che Ungerechtigkeiten haͤufen die oberſten Bedien- ten große Schaͤtze zuſammen, die nach ihrem Tode dem Kayſer wieder zufallen. Die Juſtiz wird in den Staaten des Groß- mogols mit vieler Einfoͤrmigkeit verwaltet, Die Unterkoͤnige, Befehlshaber in den ihnen ange- wieſenen Diſtrikten, die Obrigkeiten in den Staͤd- ten und Flecken, thun vollkommen das an ih- ren Orten, was der Kayſer zu Agra und Dehli ſelber verrichtet. Sie entſcheiden nemlich, alles was das Leben und die Guͤter der Unterthanen betrift, durch Urtheile, die ſie allein faͤllen. Demungeachtet hat jede Stadt ihren Ku- tual und Kadi fuͤr gewiſſe Faͤlle. Den Ein- wohnern aber ſteht es frey, ob ſie ſich zu dieſem Untergerichte wenden wollen: und uͤberhaupt haben alle Unterthanen des Reichs das Recht, ſich unmittelbar an den Kayſer ſelbſt in ſeiner Haupt- E e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/461
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/461>, abgerufen am 22.11.2024.