Syncretisten *) nennen; sie bemüheten sich für- nemlich wegen des zukünftigen Zustandes der Seele, die ausländische Heidenreligion mit ihrer altväterischen zu vereinigen. Sie nehmen zu dem Ende an, daß die Seele des Amida, wel- chen die Budsoisten als ihren Heiland schätzen, durch seine Seelenwanderung in d[e]n allervor- nehmsten ihrer Götter gefahren und in das We- sen der Sonne und des Lichts eingedrungen sey. Die meisten Sintoisten sind dieser Secte zuge- than, und es scheint, als wenn der ganze geist- liche Hoff eine Neigung zu diesem Syncretis- mus habe.
Der weltliche Monarch bekennt sich, nach Kämpfers Bericht, zur Religion seiner Vorfah- ren, und bezeugt jährlich dem Mikaddo seine Ergebenheit, ob er es gleich itzt nicht in eigner Person thut, sondern es durch Abgesandte ver- richten läßt.
Die
*) Dieß Wort wird eigentlich von den Theologen gebraucht, obgleich die Philosophen sich nicht oft dessen zu bedienen pflegen. Cs hat seinen Ursprung von den Cretensern, die verschiedene Religionen unter sich eingeführet hatten. Ereig- nete sich nun der Fall, daß eine Religionspar- they von einem auswärtigen Feind angefallen wurde, so wurden sie unter sich eins, sich dem ankommenden Feind gemeinschaftlich entgegen zu setzen. Hieraus ist das Wort sunkret[ - 1 Zeichen fehlt]zein, die Cretenser nachahmen, und Syncretismus, entstanden.
Syncretiſten *) nennen; ſie bemuͤheten ſich fuͤr- nemlich wegen des zukuͤnftigen Zuſtandes der Seele, die auslaͤndiſche Heidenreligion mit ihrer altvaͤteriſchen zu vereinigen. Sie nehmen zu dem Ende an, daß die Seele des Amida, wel- chen die Budſoiſten als ihren Heiland ſchaͤtzen, durch ſeine Seelenwanderung in d[e]n allervor- nehmſten ihrer Goͤtter gefahren und in das We- ſen der Sonne und des Lichts eingedrungen ſey. Die meiſten Sintoiſten ſind dieſer Secte zuge- than, und es ſcheint, als wenn der ganze geiſt- liche Hoff eine Neigung zu dieſem Syncretiſ- mus habe.
Der weltliche Monarch bekennt ſich, nach Kaͤmpfers Bericht, zur Religion ſeiner Vorfah- ren, und bezeugt jaͤhrlich dem Mikaddo ſeine Ergebenheit, ob er es gleich itzt nicht in eigner Perſon thut, ſondern es durch Abgeſandte ver- richten laͤßt.
Die
*) Dieß Wort wird eigentlich von den Theologen gebraucht, obgleich die Philoſophen ſich nicht oft deſſen zu bedienen pflegen. Cs hat ſeinen Urſprung von den Cretenſern, die verſchiedene Religionen unter ſich eingefuͤhret hatten. Ereig- nete ſich nun der Fall, daß eine Religionspar- they von einem auswaͤrtigen Feind angefallen wurde, ſo wurden ſie unter ſich eins, ſich dem ankommenden Feind gemeinſchaftlich entgegen zu ſetzen. Hieraus iſt das Wort συνκρητ[ – 1 Zeichen fehlt]ζειν, die Cretenſer nachahmen, und Syncretiſmus, entſtanden.
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Syncretiſten *) nennen; ſie bemuͤheten ſich fuͤr-
nemlich wegen des zukuͤnftigen Zuſtandes der
Seele, die auslaͤndiſche Heidenreligion mit ihrer
altvaͤteriſchen zu vereinigen. Sie nehmen zu
dem Ende an, daß die Seele des Amida, wel-
chen die Budſoiſten als ihren Heiland ſchaͤtzen,
durch ſeine Seelenwanderung in den allervor-
nehmſten ihrer Goͤtter gefahren und in das We-
ſen der Sonne und des Lichts eingedrungen ſey.
Die meiſten Sintoiſten ſind dieſer Secte zuge-
than, und es ſcheint, als wenn der ganze geiſt-
liche Hoff eine Neigung zu dieſem Syncretiſ-
mus habe.
Der weltliche Monarch bekennt ſich, nach
Kaͤmpfers Bericht, zur Religion ſeiner Vorfah-
ren, und bezeugt jaͤhrlich dem Mikaddo ſeine
Ergebenheit, ob er es gleich itzt nicht in eigner
Perſon thut, ſondern es durch Abgeſandte ver-
richten laͤßt.
Die
*) Dieß Wort wird eigentlich von den Theologen
gebraucht, obgleich die Philoſophen ſich nicht
oft deſſen zu bedienen pflegen. Cs hat ſeinen
Urſprung von den Cretenſern, die verſchiedene
Religionen unter ſich eingefuͤhret hatten. Ereig-
nete ſich nun der Fall, daß eine Religionspar-
they von einem auswaͤrtigen Feind angefallen
wurde, ſo wurden ſie unter ſich eins, ſich dem
ankommenden Feind gemeinſchaftlich entgegen
zu ſetzen. Hieraus iſt das Wort συνκρητ_ζειν,
die Cretenſer nachahmen, und Syncretiſmus,
entſtanden.
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/44>, abgerufen am 16.02.2025.
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