aus dieser Ursach sind sie verbunden, ihnen Hochachtung zu erweisen, welches sie dadurch zu erkennen geben, daß sie gerade vor ihnen stehen.
Dieß vorausgeschickt, kommen wir nun zur Beschreibung des Charakters, der Sitten und Gebräuche der Hindistaner selbst, wobey wir aber unser Augenmerk auf die beyden Stämme Shudderiern oder Kaufleute, gemeiniglich Baniyanen genannt, und Wise, welche die Handwerksleute und andere geringerer Art un- ter sich begreifen, richten.
Man muß den Hindistanern den Ruhm laßen, daß sie sehr mäßig leben, und sich nie eine Ausschweifung im Essen und Trinken er- lauben. Man will so gar bemerkt haben, daß diese Nation gegen alle berauschende Getränke einen natürlichen Abscheu habe. Ihr äußer- liches Betragen gegen das Frauenzimmer ist sehr behutsam, und sie begehen niemals gegen sie ei- ne unanständige Handlung. Den Armen und Nothleidenden beweisen sie die thätigste Hülfe. Es ist bey ihnen ein unverletzbares Gesetz, daß alle Anverwandte einander beystehen, und den- jenigen, die nichts haben, einen Theil ihres Vermögens mittheilen müssen. -- In ihrem Charakter trift man die größesten Merkmale der Sanftmuth an, und sie können durch nichts mehr erschüttert werden, als durch Zorn und durch ein hitziges Gemüth. Dieß ist sonderlich in den Charakter der Baniyanen ein merkwür-
diger
aus dieſer Urſach ſind ſie verbunden, ihnen Hochachtung zu erweiſen, welches ſie dadurch zu erkennen geben, daß ſie gerade vor ihnen ſtehen.
Dieß vorausgeſchickt, kommen wir nun zur Beſchreibung des Charakters, der Sitten und Gebraͤuche der Hindiſtaner ſelbſt, wobey wir aber unſer Augenmerk auf die beyden Staͤmme Shudderiern oder Kaufleute, gemeiniglich Baniyanen genannt, und Wiſe, welche die Handwerksleute und andere geringerer Art un- ter ſich begreifen, richten.
Man muß den Hindiſtanern den Ruhm laßen, daß ſie ſehr maͤßig leben, und ſich nie eine Ausſchweifung im Eſſen und Trinken er- lauben. Man will ſo gar bemerkt haben, daß dieſe Nation gegen alle berauſchende Getraͤnke einen natuͤrlichen Abſcheu habe. Ihr aͤußer- liches Betragen gegen das Frauenzimmer iſt ſehr behutſam, und ſie begehen niemals gegen ſie ei- ne unanſtaͤndige Handlung. Den Armen und Nothleidenden beweiſen ſie die thaͤtigſte Huͤlfe. Es iſt bey ihnen ein unverletzbares Geſetz, daß alle Anverwandte einander beyſtehen, und den- jenigen, die nichts haben, einen Theil ihres Vermoͤgens mittheilen muͤſſen. — In ihrem Charakter trift man die groͤßeſten Merkmale der Sanftmuth an, und ſie koͤnnen durch nichts mehr erſchuͤttert werden, als durch Zorn und durch ein hitziges Gemuͤth. Dieß iſt ſonderlich in den Charakter der Baniyanen ein merkwuͤr-
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aus dieſer Urſach ſind ſie verbunden, ihnen
Hochachtung zu erweiſen, welches ſie dadurch
zu erkennen geben, daß ſie gerade vor ihnen
ſtehen.
Dieß vorausgeſchickt, kommen wir nun zur
Beſchreibung des Charakters, der Sitten und
Gebraͤuche der Hindiſtaner ſelbſt, wobey wir
aber unſer Augenmerk auf die beyden Staͤmme
Shudderiern oder Kaufleute, gemeiniglich
Baniyanen genannt, und Wiſe, welche die
Handwerksleute und andere geringerer Art un-
ter ſich begreifen, richten.
Man muß den Hindiſtanern den Ruhm
laßen, daß ſie ſehr maͤßig leben, und ſich nie
eine Ausſchweifung im Eſſen und Trinken er-
lauben. Man will ſo gar bemerkt haben, daß
dieſe Nation gegen alle berauſchende Getraͤnke
einen natuͤrlichen Abſcheu habe. Ihr aͤußer-
liches Betragen gegen das Frauenzimmer iſt ſehr
behutſam, und ſie begehen niemals gegen ſie ei-
ne unanſtaͤndige Handlung. Den Armen und
Nothleidenden beweiſen ſie die thaͤtigſte Huͤlfe.
Es iſt bey ihnen ein unverletzbares Geſetz, daß
alle Anverwandte einander beyſtehen, und den-
jenigen, die nichts haben, einen Theil ihres
Vermoͤgens mittheilen muͤſſen. — In ihrem
Charakter trift man die groͤßeſten Merkmale
der Sanftmuth an, und ſie koͤnnen durch nichts
mehr erſchuͤttert werden, als durch Zorn und
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in den Charakter der Baniyanen ein merkwuͤr-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/400>, abgerufen am 25.11.2024.
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