Der Stamm der Wise hat seine Benen- nung von dem vierten Sohn des Pourous, wel- cher der Lehrmeister der Handwerker war. Wise zeigt eine Person an, die gern einem andern Dienste erweist. Man nennt diese Leute gegen- wärtig gemeinhin Gentiles oder Gentews, und theilt sie in zwey Arten ein, nemlich in die rei- nen und in die unreinen oder unlautern, Vis- seran genannt. Diese letzteren nehmen sich in Ansehung ihrer Speisen große Freyheiten her- aus, und essen so lange Fische und Fleisch, als es ihnen wohl schmeckt. Die reinen Gentils hingegen -- welches die Handwerksleute sind -- folgen der Regel der Baniyanen in Ansehung der Speisen; denn sie essen kein Fleisch, oder bedienen sich doch dessen sehr selten, und ent- halten sich auch des Weins. -- Dieser Stamm ist der zahlreichste unter den vieren.
Die Perreaer oder Pariaer können ein fünfter und von den andern vier verschiedener Stamm genannt werden, und weil sie nicht für würdig gehalten werden, unter denselben zu ste- hen, so dürfen sie auch nie unter denselben woh- nen, müssen außerhalb der Städte leben, und ihre Häuser auf dem Lande, abgesondert von den übrigen Dörfern, bauen, oder vielmehr ei- gene Dörfer haben, die mit Brunnen versehen sind. Denn sie dürfen es nicht wagen, von dem Wasser zu holen, dessen sich andere Fami- lien bedienen. Und damit auch niemand sich versehe, und aus den Brunnen der Perreaers
Wasser
Der Stamm der Wiſe hat ſeine Benen- nung von dem vierten Sohn des Pourous, wel- cher der Lehrmeiſter der Handwerker war. Wiſe zeigt eine Perſon an, die gern einem andern Dienſte erweiſt. Man nennt dieſe Leute gegen- waͤrtig gemeinhin Gentiles oder Gentews, und theilt ſie in zwey Arten ein, nemlich in die rei- nen und in die unreinen oder unlautern, Viſ- ſeran genannt. Dieſe letzteren nehmen ſich in Anſehung ihrer Speiſen große Freyheiten her- aus, und eſſen ſo lange Fiſche und Fleiſch, als es ihnen wohl ſchmeckt. Die reinen Gentils hingegen — welches die Handwerksleute ſind — folgen der Regel der Baniyanen in Anſehung der Speiſen; denn ſie eſſen kein Fleiſch, oder bedienen ſich doch deſſen ſehr ſelten, und ent- halten ſich auch des Weins. — Dieſer Stamm iſt der zahlreichſte unter den vieren.
Die Perreaer oder Pariaer koͤnnen ein fuͤnfter und von den andern vier verſchiedener Stamm genannt werden, und weil ſie nicht fuͤr wuͤrdig gehalten werden, unter denſelben zu ſte- hen, ſo duͤrfen ſie auch nie unter denſelben woh- nen, muͤſſen außerhalb der Staͤdte leben, und ihre Haͤuſer auf dem Lande, abgeſondert von den uͤbrigen Doͤrfern, bauen, oder vielmehr ei- gene Doͤrfer haben, die mit Brunnen verſehen ſind. Denn ſie duͤrfen es nicht wagen, von dem Waſſer zu holen, deſſen ſich andere Fami- lien bedienen. Und damit auch niemand ſich verſehe, und aus den Brunnen der Perreaers
Waſſer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0398"n="372"/><p>Der Stamm der <hirendition="#fr">Wiſe</hi> hat ſeine Benen-<lb/>
nung von dem vierten Sohn des Pourous, wel-<lb/>
cher der Lehrmeiſter der Handwerker war. <hirendition="#fr">Wiſe</hi><lb/>
zeigt eine Perſon an, die gern einem andern<lb/>
Dienſte erweiſt. Man nennt dieſe Leute gegen-<lb/>
waͤrtig gemeinhin <hirendition="#fr">Gentiles</hi> oder Gentews, und<lb/>
theilt ſie in zwey Arten ein, nemlich in die <hirendition="#fr">rei-<lb/>
nen</hi> und in die <hirendition="#fr">unreinen</hi> oder unlautern, <hirendition="#fr">Viſ-<lb/>ſeran</hi> genannt. Dieſe letzteren nehmen ſich in<lb/>
Anſehung ihrer Speiſen große Freyheiten her-<lb/>
aus, und eſſen ſo lange Fiſche und Fleiſch, als<lb/>
es ihnen wohl ſchmeckt. Die reinen <hirendition="#fr">Gentils</hi><lb/>
hingegen — welches die Handwerksleute ſind —<lb/>
folgen der Regel der Baniyanen in Anſehung<lb/>
der Speiſen; denn ſie eſſen kein Fleiſch, oder<lb/>
bedienen ſich doch deſſen ſehr ſelten, und ent-<lb/>
halten ſich auch des Weins. — Dieſer Stamm<lb/>
iſt der zahlreichſte unter den vieren.</p><lb/><p>Die <hirendition="#fr">Perreaer</hi> oder <hirendition="#fr">Pariaer</hi> koͤnnen ein<lb/>
fuͤnfter und von den andern vier verſchiedener<lb/>
Stamm genannt werden, und weil ſie nicht fuͤr<lb/>
wuͤrdig gehalten werden, unter denſelben zu ſte-<lb/>
hen, ſo duͤrfen ſie auch nie unter denſelben woh-<lb/>
nen, muͤſſen außerhalb der Staͤdte leben, und<lb/>
ihre Haͤuſer auf dem Lande, abgeſondert von<lb/>
den uͤbrigen Doͤrfern, bauen, oder vielmehr ei-<lb/>
gene Doͤrfer haben, die mit Brunnen verſehen<lb/>ſind. Denn ſie duͤrfen es nicht wagen, von<lb/>
dem Waſſer zu holen, deſſen ſich andere Fami-<lb/>
lien bedienen. Und damit auch niemand ſich<lb/>
verſehe, und aus den Brunnen der Perreaers<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Waſſer</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[372/0398]
Der Stamm der Wiſe hat ſeine Benen-
nung von dem vierten Sohn des Pourous, wel-
cher der Lehrmeiſter der Handwerker war. Wiſe
zeigt eine Perſon an, die gern einem andern
Dienſte erweiſt. Man nennt dieſe Leute gegen-
waͤrtig gemeinhin Gentiles oder Gentews, und
theilt ſie in zwey Arten ein, nemlich in die rei-
nen und in die unreinen oder unlautern, Viſ-
ſeran genannt. Dieſe letzteren nehmen ſich in
Anſehung ihrer Speiſen große Freyheiten her-
aus, und eſſen ſo lange Fiſche und Fleiſch, als
es ihnen wohl ſchmeckt. Die reinen Gentils
hingegen — welches die Handwerksleute ſind —
folgen der Regel der Baniyanen in Anſehung
der Speiſen; denn ſie eſſen kein Fleiſch, oder
bedienen ſich doch deſſen ſehr ſelten, und ent-
halten ſich auch des Weins. — Dieſer Stamm
iſt der zahlreichſte unter den vieren.
Die Perreaer oder Pariaer koͤnnen ein
fuͤnfter und von den andern vier verſchiedener
Stamm genannt werden, und weil ſie nicht fuͤr
wuͤrdig gehalten werden, unter denſelben zu ſte-
hen, ſo duͤrfen ſie auch nie unter denſelben woh-
nen, muͤſſen außerhalb der Staͤdte leben, und
ihre Haͤuſer auf dem Lande, abgeſondert von
den uͤbrigen Doͤrfern, bauen, oder vielmehr ei-
gene Doͤrfer haben, die mit Brunnen verſehen
ſind. Denn ſie duͤrfen es nicht wagen, von
dem Waſſer zu holen, deſſen ſich andere Fami-
lien bedienen. Und damit auch niemand ſich
verſehe, und aus den Brunnen der Perreaers
Waſſer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/398>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.