Hindistan hat die verschiedenste Himmels- luft. Gegen Mitternacht ist es sehr kalt und unfruchtbar. Gegen Mittag ist es zwar heiß, man findet aber doch den Boden sehr fruchtbar. Die nördlich gelegenen Provinzen sind voll von hohen Gebürgen und zugleich sandigt. Das Gadische Gebürge reicht durch ganz Hindistan, und ist ihnen gegen die Einfälle fremder Völker sehr nutzbar.
Die Witterung und die Jahreszeiten find in diesem weitläuftigen Lande sehr or- dentlich. Die Winde wehen beständig sechs Monate von Norden, und sie ändern sich hier- inn sehr wenig. In den Monaten April, May, und im Anfang des Junius, verspürt man eine solche Hitze, daß einem das Gesichte von der, vom Erdboden zurückschlagenden Hitze, sehr leicht verbrennen kann; und wenn nicht täglich ein frisches Lüftchen oder ein abkühlender Wind wehete; so würden die in den nordischen Gegenden gebornen Menschen in den heissen Landstrichen nicht aushalten können. Denn außer der Regenzeit ist der kälteste Tag daselbst zu Mittag heisser, als fast der wärmste Tag in nördlichen Deutschland. Indessen wechseln doch Hitze und Kälte mit einander oftmals so schnell ab, daß auf einen ganz ansserordentlich heissen Tag, eine so kalte Nacht erfolgt, daß man des Morgens ein dünnes Eis auf dem Wasser fin- det, und daß auf diese Nacht eine eben so bren- nende Mittagshitze erfolgt, als am vorherge-
henden
Hindiſtan hat die verſchiedenſte Himmels- luft. Gegen Mitternacht iſt es ſehr kalt und unfruchtbar. Gegen Mittag iſt es zwar heiß, man findet aber doch den Boden ſehr fruchtbar. Die noͤrdlich gelegenen Provinzen ſind voll von hohen Gebuͤrgen und zugleich ſandigt. Das Gadiſche Gebuͤrge reicht durch ganz Hindiſtan, und iſt ihnen gegen die Einfaͤlle fremder Voͤlker ſehr nutzbar.
Die Witterung und die Jahreszeiten find in dieſem weitlaͤuftigen Lande ſehr or- dentlich. Die Winde wehen beſtaͤndig ſechs Monate von Norden, und ſie aͤndern ſich hier- inn ſehr wenig. In den Monaten April, May, und im Anfang des Junius, verſpuͤrt man eine ſolche Hitze, daß einem das Geſichte von der, vom Erdboden zuruͤckſchlagenden Hitze, ſehr leicht verbrennen kann; und wenn nicht taͤglich ein friſches Luͤftchen oder ein abkuͤhlender Wind wehete; ſo wuͤrden die in den nordiſchen Gegenden gebornen Menſchen in den heiſſen Landſtrichen nicht aushalten koͤnnen. Denn außer der Regenzeit iſt der kaͤlteſte Tag daſelbſt zu Mittag heiſſer, als faſt der waͤrmſte Tag in noͤrdlichen Deutſchland. Indeſſen wechſeln doch Hitze und Kaͤlte mit einander oftmals ſo ſchnell ab, daß auf einen ganz anſſerordentlich heiſſen Tag, eine ſo kalte Nacht erfolgt, daß man des Morgens ein duͤnnes Eis auf dem Waſſer fin- det, und daß auf dieſe Nacht eine eben ſo bren- nende Mittagshitze erfolgt, als am vorherge-
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Hindiſtan hat die verſchiedenſte Himmels-
luft. Gegen Mitternacht iſt es ſehr kalt und
unfruchtbar. Gegen Mittag iſt es zwar heiß,
man findet aber doch den Boden ſehr fruchtbar.
Die noͤrdlich gelegenen Provinzen ſind voll von
hohen Gebuͤrgen und zugleich ſandigt. Das
Gadiſche Gebuͤrge reicht durch ganz Hindiſtan,
und iſt ihnen gegen die Einfaͤlle fremder Voͤlker
ſehr nutzbar.
Die Witterung und die Jahreszeiten
find in dieſem weitlaͤuftigen Lande ſehr or-
dentlich. Die Winde wehen beſtaͤndig ſechs
Monate von Norden, und ſie aͤndern ſich hier-
inn ſehr wenig. In den Monaten April,
May, und im Anfang des Junius, verſpuͤrt
man eine ſolche Hitze, daß einem das Geſichte
von der, vom Erdboden zuruͤckſchlagenden Hitze,
ſehr leicht verbrennen kann; und wenn nicht
taͤglich ein friſches Luͤftchen oder ein abkuͤhlender
Wind wehete; ſo wuͤrden die in den nordiſchen
Gegenden gebornen Menſchen in den heiſſen
Landſtrichen nicht aushalten koͤnnen. Denn
außer der Regenzeit iſt der kaͤlteſte Tag daſelbſt
zu Mittag heiſſer, als faſt der waͤrmſte Tag in
noͤrdlichen Deutſchland. Indeſſen wechſeln doch
Hitze und Kaͤlte mit einander oftmals ſo ſchnell
ab, daß auf einen ganz anſſerordentlich heiſſen
Tag, eine ſo kalte Nacht erfolgt, daß man des
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/392>, abgerufen am 22.11.2024.
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