die Kinder schon im vierten oder fünften Jahre dazu, daß sie das Ruder oder die Pagaje füh- ren. Daher kommt es auch daß sie mit be- wundernswürdiger Geschwindigkeit drey Tage und drey Nächte beynahe in einem Stücke fort- rudern, ungeachtet sie gar nicht geschickt sind, eine andere Arbeit lange auszuhalten.
Die Trägheit, der Mangel an Aufmunte- rung, die Gefahr, welche dabey seyn würde, wenn man sich in einem Lande, wo das Glück einer Privatperson in den Händen des Königes steht, hervorthun wollte, sind so viele Ursachen, welche hier die Aufnahme der Künste verhin- dern. Man setze hinzu, daß dieses Volk gera- de zu, ohne Ehrgeiz, sparsam, mäßig, und sehr mit seinen Bedürfnißen beschäftigt ist, daß es seine Gedanken nicht auf überflüßige Dinge rich- ten kann. Die Armuth ist in allen Ständen gleich groß und verbannt die Pracht, das Kind des Wohlstandes und die Mutter der Künste.
Von den Künsten verstehen sie folgende. Sie sind ziemlich gute Tischler; und weil sie kei- ne Nägel haben; so verstehen sie sich desto besser auf das Verniethen. Sie schnitzen allerley, doch sehr plump, wovon die Götzenbilder in ih- ren Tempeln hinlängliche Beweise abgeben kön- nen. -- Sie brennen den Thon sehr gut, und es giebt keine beßre Ziegelsteine, als die, welche in Siam verfertigt werden. Ueberhaupt aber muß man ihnen das Lob geben, daß sie sich auf Mauerarbeit noch am besten verstehen. Dem
ohn-
die Kinder ſchon im vierten oder fuͤnften Jahre dazu, daß ſie das Ruder oder die Pagaje fuͤh- ren. Daher kommt es auch daß ſie mit be- wundernswuͤrdiger Geſchwindigkeit drey Tage und drey Naͤchte beynahe in einem Stuͤcke fort- rudern, ungeachtet ſie gar nicht geſchickt ſind, eine andere Arbeit lange auszuhalten.
Die Traͤgheit, der Mangel an Aufmunte- rung, die Gefahr, welche dabey ſeyn wuͤrde, wenn man ſich in einem Lande, wo das Gluͤck einer Privatperſon in den Haͤnden des Koͤniges ſteht, hervorthun wollte, ſind ſo viele Urſachen, welche hier die Aufnahme der Kuͤnſte verhin- dern. Man ſetze hinzu, daß dieſes Volk gera- de zu, ohne Ehrgeiz, ſparſam, maͤßig, und ſehr mit ſeinen Beduͤrfnißen beſchaͤftigt iſt, daß es ſeine Gedanken nicht auf uͤberfluͤßige Dinge rich- ten kann. Die Armuth iſt in allen Staͤnden gleich groß und verbannt die Pracht, das Kind des Wohlſtandes und die Mutter der Kuͤnſte.
Von den Kuͤnſten verſtehen ſie folgende. Sie ſind ziemlich gute Tiſchler; und weil ſie kei- ne Naͤgel haben; ſo verſtehen ſie ſich deſto beſſer auf das Verniethen. Sie ſchnitzen allerley, doch ſehr plump, wovon die Goͤtzenbilder in ih- ren Tempeln hinlaͤngliche Beweiſe abgeben koͤn- nen. — Sie brennen den Thon ſehr gut, und es giebt keine beßre Ziegelſteine, als die, welche in Siam verfertigt werden. Ueberhaupt aber muß man ihnen das Lob geben, daß ſie ſich auf Mauerarbeit noch am beſten verſtehen. Dem
ohn-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0343"n="317"/>
die Kinder ſchon im vierten oder fuͤnften Jahre<lb/>
dazu, daß ſie das Ruder oder die Pagaje fuͤh-<lb/>
ren. Daher kommt es auch daß ſie mit be-<lb/>
wundernswuͤrdiger Geſchwindigkeit drey Tage<lb/>
und drey Naͤchte beynahe in einem Stuͤcke fort-<lb/>
rudern, ungeachtet ſie gar nicht geſchickt ſind,<lb/>
eine andere Arbeit lange auszuhalten.</p><lb/><p>Die Traͤgheit, der Mangel an Aufmunte-<lb/>
rung, die Gefahr, welche dabey ſeyn wuͤrde,<lb/>
wenn man ſich in einem Lande, wo das Gluͤck<lb/>
einer Privatperſon in den Haͤnden des Koͤniges<lb/>ſteht, hervorthun wollte, ſind ſo viele Urſachen,<lb/>
welche hier die Aufnahme der Kuͤnſte verhin-<lb/>
dern. Man ſetze hinzu, daß dieſes Volk gera-<lb/>
de zu, ohne Ehrgeiz, ſparſam, maͤßig, und ſehr<lb/>
mit ſeinen Beduͤrfnißen beſchaͤftigt iſt, daß es<lb/>ſeine Gedanken nicht auf uͤberfluͤßige Dinge rich-<lb/>
ten kann. Die Armuth iſt in allen Staͤnden<lb/>
gleich groß und verbannt die Pracht, das Kind<lb/>
des Wohlſtandes und die Mutter der Kuͤnſte.</p><lb/><p>Von den Kuͤnſten verſtehen ſie folgende.<lb/>
Sie ſind ziemlich gute Tiſchler; und weil ſie kei-<lb/>
ne Naͤgel haben; ſo verſtehen ſie ſich deſto beſſer<lb/>
auf das Verniethen. Sie ſchnitzen allerley,<lb/>
doch ſehr plump, wovon die Goͤtzenbilder in ih-<lb/>
ren Tempeln hinlaͤngliche Beweiſe abgeben koͤn-<lb/>
nen. — Sie brennen den Thon ſehr gut, und<lb/>
es giebt keine beßre Ziegelſteine, als die, welche<lb/>
in Siam verfertigt werden. Ueberhaupt aber<lb/>
muß man ihnen das Lob geben, daß ſie ſich auf<lb/>
Mauerarbeit noch am beſten verſtehen. Dem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ohn-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[317/0343]
die Kinder ſchon im vierten oder fuͤnften Jahre
dazu, daß ſie das Ruder oder die Pagaje fuͤh-
ren. Daher kommt es auch daß ſie mit be-
wundernswuͤrdiger Geſchwindigkeit drey Tage
und drey Naͤchte beynahe in einem Stuͤcke fort-
rudern, ungeachtet ſie gar nicht geſchickt ſind,
eine andere Arbeit lange auszuhalten.
Die Traͤgheit, der Mangel an Aufmunte-
rung, die Gefahr, welche dabey ſeyn wuͤrde,
wenn man ſich in einem Lande, wo das Gluͤck
einer Privatperſon in den Haͤnden des Koͤniges
ſteht, hervorthun wollte, ſind ſo viele Urſachen,
welche hier die Aufnahme der Kuͤnſte verhin-
dern. Man ſetze hinzu, daß dieſes Volk gera-
de zu, ohne Ehrgeiz, ſparſam, maͤßig, und ſehr
mit ſeinen Beduͤrfnißen beſchaͤftigt iſt, daß es
ſeine Gedanken nicht auf uͤberfluͤßige Dinge rich-
ten kann. Die Armuth iſt in allen Staͤnden
gleich groß und verbannt die Pracht, das Kind
des Wohlſtandes und die Mutter der Kuͤnſte.
Von den Kuͤnſten verſtehen ſie folgende.
Sie ſind ziemlich gute Tiſchler; und weil ſie kei-
ne Naͤgel haben; ſo verſtehen ſie ſich deſto beſſer
auf das Verniethen. Sie ſchnitzen allerley,
doch ſehr plump, wovon die Goͤtzenbilder in ih-
ren Tempeln hinlaͤngliche Beweiſe abgeben koͤn-
nen. — Sie brennen den Thon ſehr gut, und
es giebt keine beßre Ziegelſteine, als die, welche
in Siam verfertigt werden. Ueberhaupt aber
muß man ihnen das Lob geben, daß ſie ſich auf
Mauerarbeit noch am beſten verſtehen. Dem
ohn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/343>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.