Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

zwey Stunden lang brennen läßt. Wenn der
Verstorbene ein Prinz vom königlichen Geblüte
oder sonst ein vom Könige benannter Herr ist,
so steckt der Monarch den Haufen selbst in
Brand, doch ohne aus seinem Pallast zu tre-
ten, sondern er läßt nur eine brennende Fackel
an einem Seile, das von seinem Fenster bis
an den Brennplatz aufgespannt wird, dahin
fahren.

Der Leichnam wird niemals vom Feuer gänz-
lich verzehrt, sondern man bratet ihn nur, und
das dazu noch sehr schlecht. Das übrige wird
wieder in den Sarg gelegt, und unter einer
Pyramide, dergleichen viele um dem Tempel
stehen, begraben. Zuweilen giebt man dem
Verstorbenen Edelgesteine und andere Kostbar-
keiten mit in das Grab, in Hoffnung, sie wür-
den an einem Orte, den die Religion unverletz-
lich macht, in Sicherheit seyn. Wer keinen
Tempel noch Pyramiden hat, der verwahrt die
halbverbrannten Ueberbleibsel seiner Bluts-
freunde zuweilen in seinem eignen Hause. Die
meisten Siamer verwenden aber doch einen
Theil ihres Vermögens darauf, einen Tempel
zu erbauen. Ist aber die Armuth so groß, daß
sie ihre Anverwandte nicht verbrennen können,
so begraben sie dieselben mit Zuziehung der Ta-
lapoinen. Da indessen die Mönche doch nichts
umsonst thun, so legen diejenigen, welche nicht
so viel Geld auftreiben können, die Leiche auf

irgend

zwey Stunden lang brennen laͤßt. Wenn der
Verſtorbene ein Prinz vom koͤniglichen Gebluͤte
oder ſonſt ein vom Koͤnige benannter Herr iſt,
ſo ſteckt der Monarch den Haufen ſelbſt in
Brand, doch ohne aus ſeinem Pallaſt zu tre-
ten, ſondern er laͤßt nur eine brennende Fackel
an einem Seile, das von ſeinem Fenſter bis
an den Brennplatz aufgeſpannt wird, dahin
fahren.

Der Leichnam wird niemals vom Feuer gaͤnz-
lich verzehrt, ſondern man bratet ihn nur, und
das dazu noch ſehr ſchlecht. Das uͤbrige wird
wieder in den Sarg gelegt, und unter einer
Pyramide, dergleichen viele um dem Tempel
ſtehen, begraben. Zuweilen giebt man dem
Verſtorbenen Edelgeſteine und andere Koſtbar-
keiten mit in das Grab, in Hoffnung, ſie wuͤr-
den an einem Orte, den die Religion unverletz-
lich macht, in Sicherheit ſeyn. Wer keinen
Tempel noch Pyramiden hat, der verwahrt die
halbverbrannten Ueberbleibſel ſeiner Bluts-
freunde zuweilen in ſeinem eignen Hauſe. Die
meiſten Siamer verwenden aber doch einen
Theil ihres Vermoͤgens darauf, einen Tempel
zu erbauen. Iſt aber die Armuth ſo groß, daß
ſie ihre Anverwandte nicht verbrennen koͤnnen,
ſo begraben ſie dieſelben mit Zuziehung der Ta-
lapoinen. Da indeſſen die Moͤnche doch nichts
umſonſt thun, ſo legen diejenigen, welche nicht
ſo viel Geld auftreiben koͤnnen, die Leiche auf

irgend
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0330" n="304"/>
zwey Stunden lang brennen la&#x0364;ßt. Wenn der<lb/>
Ver&#x017F;torbene ein Prinz vom ko&#x0364;niglichen Geblu&#x0364;te<lb/>
oder &#x017F;on&#x017F;t ein vom Ko&#x0364;nige benannter Herr i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;teckt der Monarch den Haufen &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
Brand, doch ohne aus &#x017F;einem Palla&#x017F;t zu tre-<lb/>
ten, &#x017F;ondern er la&#x0364;ßt nur eine brennende Fackel<lb/>
an einem Seile, das von &#x017F;einem Fen&#x017F;ter bis<lb/>
an den Brennplatz aufge&#x017F;pannt wird, dahin<lb/>
fahren.</p><lb/>
          <p>Der Leichnam wird niemals vom Feuer ga&#x0364;nz-<lb/>
lich verzehrt, &#x017F;ondern man bratet ihn nur, und<lb/>
das dazu noch &#x017F;ehr &#x017F;chlecht. Das u&#x0364;brige wird<lb/>
wieder in den Sarg gelegt, und unter einer<lb/>
Pyramide, dergleichen viele um dem Tempel<lb/>
&#x017F;tehen, begraben. Zuweilen giebt man dem<lb/>
Ver&#x017F;torbenen Edelge&#x017F;teine und andere Ko&#x017F;tbar-<lb/>
keiten mit in das Grab, in Hoffnung, &#x017F;ie wu&#x0364;r-<lb/>
den an einem Orte, den die Religion unverletz-<lb/>
lich macht, in Sicherheit &#x017F;eyn. Wer keinen<lb/>
Tempel noch Pyramiden hat, der verwahrt die<lb/>
halbverbrannten Ueberbleib&#x017F;el &#x017F;einer Bluts-<lb/>
freunde zuweilen in &#x017F;einem eignen Hau&#x017F;e. Die<lb/>
mei&#x017F;ten Siamer verwenden aber doch einen<lb/>
Theil ihres Vermo&#x0364;gens darauf, einen Tempel<lb/>
zu erbauen. I&#x017F;t aber die Armuth &#x017F;o groß, daß<lb/>
&#x017F;ie ihre Anverwandte nicht verbrennen ko&#x0364;nnen,<lb/>
&#x017F;o begraben &#x017F;ie die&#x017F;elben mit Zuziehung der Ta-<lb/>
lapoinen. Da inde&#x017F;&#x017F;en die Mo&#x0364;nche doch nichts<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t thun, &#x017F;o legen diejenigen, welche nicht<lb/>
&#x017F;o viel Geld auftreiben ko&#x0364;nnen, die Leiche auf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">irgend</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0330] zwey Stunden lang brennen laͤßt. Wenn der Verſtorbene ein Prinz vom koͤniglichen Gebluͤte oder ſonſt ein vom Koͤnige benannter Herr iſt, ſo ſteckt der Monarch den Haufen ſelbſt in Brand, doch ohne aus ſeinem Pallaſt zu tre- ten, ſondern er laͤßt nur eine brennende Fackel an einem Seile, das von ſeinem Fenſter bis an den Brennplatz aufgeſpannt wird, dahin fahren. Der Leichnam wird niemals vom Feuer gaͤnz- lich verzehrt, ſondern man bratet ihn nur, und das dazu noch ſehr ſchlecht. Das uͤbrige wird wieder in den Sarg gelegt, und unter einer Pyramide, dergleichen viele um dem Tempel ſtehen, begraben. Zuweilen giebt man dem Verſtorbenen Edelgeſteine und andere Koſtbar- keiten mit in das Grab, in Hoffnung, ſie wuͤr- den an einem Orte, den die Religion unverletz- lich macht, in Sicherheit ſeyn. Wer keinen Tempel noch Pyramiden hat, der verwahrt die halbverbrannten Ueberbleibſel ſeiner Bluts- freunde zuweilen in ſeinem eignen Hauſe. Die meiſten Siamer verwenden aber doch einen Theil ihres Vermoͤgens darauf, einen Tempel zu erbauen. Iſt aber die Armuth ſo groß, daß ſie ihre Anverwandte nicht verbrennen koͤnnen, ſo begraben ſie dieſelben mit Zuziehung der Ta- lapoinen. Da indeſſen die Moͤnche doch nichts umſonſt thun, ſo legen diejenigen, welche nicht ſo viel Geld auftreiben koͤnnen, die Leiche auf irgend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/330
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/330>, abgerufen am 25.11.2024.