Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

der Existenz der Menschen, die Bewohner der
Erde gewesen seyn, essen und trinken, verschie-
denes Geschlecht seyn, ihr Geschlecht fortpflan-
zen und -- sterben. Sie haben in verschiedenen
Stücken der Schedim der Juden viele Aehn-
lichkeit.

Die Lehre von der unveränderlichen
göttlichen Vorherbestimmung des Guten
und Bösen
hat Mohammed sonderlich seiner
verschiedenen Kriege wegen, erfunden und sehr
hoch getrieben, um dadurch seinen Soldaten
Muth und Tapferkeit einzuflösen. Wenn sie
glauben, daß sie zu der Zeit, da sie in einer
Schlacht verwundet oder getödtet werden, eben
den gewaltsamen Tod auch außer der Schlacht
nicht würden haben entgehen können, und alle
Behutsamkeit das Leben zu verlängern, unzu-
länglich wäre -- mit welch einer Wuth und
Verzweiflung mußten sie da nicht fechten!
Die Mohammedaner gehen daher so weit, daß
sie eine Gegenanstalt gegen die Pest für eine
Versündigung und für einen Widerspruch gegen
die göttlichen Offenbahrungen ansehen. Mo-
hammed wollte aber auch durch diese Lehre den
Vorwurf, warum so viele ungläubig blieben,
wenn er ein Gesandter Gottes wäre, und war-
um er seine vorgegebene Sendung nicht mit
Wundern bestätigte, ausweichen. Die Wunder
erklärte er für unnöthig, weil durch ein unwi-
derrufliches Verhängniß bestimmt wäre, wer
an ihn glauben sollte. Niemand, sagt er,

kann

der Exiſtenz der Menſchen, die Bewohner der
Erde geweſen ſeyn, eſſen und trinken, verſchie-
denes Geſchlecht ſeyn, ihr Geſchlecht fortpflan-
zen und — ſterben. Sie haben in verſchiedenen
Stuͤcken der Schedim der Juden viele Aehn-
lichkeit.

Die Lehre von der unveraͤnderlichen
goͤttlichen Vorherbeſtimmung des Guten
und Boͤſen
hat Mohammed ſonderlich ſeiner
verſchiedenen Kriege wegen, erfunden und ſehr
hoch getrieben, um dadurch ſeinen Soldaten
Muth und Tapferkeit einzufloͤſen. Wenn ſie
glauben, daß ſie zu der Zeit, da ſie in einer
Schlacht verwundet oder getoͤdtet werden, eben
den gewaltſamen Tod auch außer der Schlacht
nicht wuͤrden haben entgehen koͤnnen, und alle
Behutſamkeit das Leben zu verlaͤngern, unzu-
laͤnglich waͤre — mit welch einer Wuth und
Verzweiflung mußten ſie da nicht fechten!
Die Mohammedaner gehen daher ſo weit, daß
ſie eine Gegenanſtalt gegen die Peſt fuͤr eine
Verſuͤndigung und fuͤr einen Widerſpruch gegen
die goͤttlichen Offenbahrungen anſehen. Mo-
hammed wollte aber auch durch dieſe Lehre den
Vorwurf, warum ſo viele unglaͤubig blieben,
wenn er ein Geſandter Gottes waͤre, und war-
um er ſeine vorgegebene Sendung nicht mit
Wundern beſtaͤtigte, ausweichen. Die Wunder
erklaͤrte er fuͤr unnoͤthig, weil durch ein unwi-
derrufliches Verhaͤngniß beſtimmt waͤre, wer
an ihn glauben ſollte. Niemand, ſagt er,

kann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0181" n="155"/>
der Exi&#x017F;tenz der Men&#x017F;chen, die Bewohner der<lb/>
Erde gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, e&#x017F;&#x017F;en und trinken, ver&#x017F;chie-<lb/>
denes Ge&#x017F;chlecht &#x017F;eyn, ihr Ge&#x017F;chlecht fortpflan-<lb/>
zen und &#x2014; &#x017F;terben. Sie haben in ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Stu&#x0364;cken der <hi rendition="#fr">Schedim</hi> der Juden viele Aehn-<lb/>
lichkeit.</p><lb/>
          <p>Die Lehre <hi rendition="#fr">von der unvera&#x0364;nderlichen<lb/>
go&#x0364;ttlichen Vorherbe&#x017F;timmung des Guten<lb/>
und Bo&#x0364;&#x017F;en</hi> hat Mohammed &#x017F;onderlich &#x017F;einer<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Kriege wegen, erfunden und &#x017F;ehr<lb/>
hoch getrieben, um dadurch &#x017F;einen Soldaten<lb/>
Muth und Tapferkeit einzuflo&#x0364;&#x017F;en. Wenn &#x017F;ie<lb/>
glauben, daß &#x017F;ie zu der Zeit, da &#x017F;ie in einer<lb/>
Schlacht verwundet oder geto&#x0364;dtet werden, eben<lb/>
den gewalt&#x017F;amen Tod auch außer der Schlacht<lb/>
nicht wu&#x0364;rden haben entgehen ko&#x0364;nnen, und alle<lb/>
Behut&#x017F;amkeit das Leben zu verla&#x0364;ngern, unzu-<lb/>
la&#x0364;nglich wa&#x0364;re &#x2014; mit welch einer Wuth und<lb/>
Verzweiflung mußten &#x017F;ie da nicht fechten!<lb/>
Die Mohammedaner gehen daher &#x017F;o weit, daß<lb/>
&#x017F;ie eine Gegenan&#x017F;talt gegen die Pe&#x017F;t fu&#x0364;r eine<lb/>
Ver&#x017F;u&#x0364;ndigung und fu&#x0364;r einen Wider&#x017F;pruch gegen<lb/>
die go&#x0364;ttlichen Offenbahrungen an&#x017F;ehen. Mo-<lb/>
hammed wollte aber auch durch die&#x017F;e Lehre den<lb/>
Vorwurf, warum &#x017F;o viele ungla&#x0364;ubig blieben,<lb/>
wenn er ein Ge&#x017F;andter Gottes wa&#x0364;re, und war-<lb/>
um er &#x017F;eine vorgegebene Sendung nicht mit<lb/>
Wundern be&#x017F;ta&#x0364;tigte, ausweichen. Die Wunder<lb/>
erkla&#x0364;rte er fu&#x0364;r unno&#x0364;thig, weil durch ein unwi-<lb/>
derrufliches Verha&#x0364;ngniß be&#x017F;timmt wa&#x0364;re, wer<lb/>
an ihn glauben &#x017F;ollte. <hi rendition="#fr">Niemand,</hi> &#x017F;agt er,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kann</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0181] der Exiſtenz der Menſchen, die Bewohner der Erde geweſen ſeyn, eſſen und trinken, verſchie- denes Geſchlecht ſeyn, ihr Geſchlecht fortpflan- zen und — ſterben. Sie haben in verſchiedenen Stuͤcken der Schedim der Juden viele Aehn- lichkeit. Die Lehre von der unveraͤnderlichen goͤttlichen Vorherbeſtimmung des Guten und Boͤſen hat Mohammed ſonderlich ſeiner verſchiedenen Kriege wegen, erfunden und ſehr hoch getrieben, um dadurch ſeinen Soldaten Muth und Tapferkeit einzufloͤſen. Wenn ſie glauben, daß ſie zu der Zeit, da ſie in einer Schlacht verwundet oder getoͤdtet werden, eben den gewaltſamen Tod auch außer der Schlacht nicht wuͤrden haben entgehen koͤnnen, und alle Behutſamkeit das Leben zu verlaͤngern, unzu- laͤnglich waͤre — mit welch einer Wuth und Verzweiflung mußten ſie da nicht fechten! Die Mohammedaner gehen daher ſo weit, daß ſie eine Gegenanſtalt gegen die Peſt fuͤr eine Verſuͤndigung und fuͤr einen Widerſpruch gegen die goͤttlichen Offenbahrungen anſehen. Mo- hammed wollte aber auch durch dieſe Lehre den Vorwurf, warum ſo viele unglaͤubig blieben, wenn er ein Geſandter Gottes waͤre, und war- um er ſeine vorgegebene Sendung nicht mit Wundern beſtaͤtigte, ausweichen. Die Wunder erklaͤrte er fuͤr unnoͤthig, weil durch ein unwi- derrufliches Verhaͤngniß beſtimmt waͤre, wer an ihn glauben ſollte. Niemand, ſagt er, kann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/181
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/181>, abgerufen am 23.11.2024.