lien aber, wo die türkische die Hauptsprache ist, scheint die Höflichkeit der Mohammedaner gegen die Christen gänzlich aufgehört zu haben. Denn daselbst nennen die Türken die Christen fast im- mer Dsjaurler (Ungläubiger) ein Name, der bey ihnen so verächtlich ist, daß sie im Zorn ih- re Pferde und andre Thiere damit beehren.
Da also die Türken ihren christlichen Mit- bürgern einen so verächtlichen Namen beylegen; so kann man leicht denken, daß sie in ihrem übrigen Betragen nicht höflicher gegen sie sind. Sie nöthigen die Christen nicht nur ein gewisses Zeichen zu tragen, damit sie sie unterscheiden, und die Kopfsteuer (Charads, andre schrei- ben Karat: allein die erste ist richtiger) von ih- nen fodern können, -- denn ordentliche Li- sten halten die Morgenländer nicht darüber -- sondern die Türken zu Constantinopel verlangen so gar zu weilen von den vorbeygehenden Chri- sten, daß sie ihnen die Straße fegen, und den Koth wegtragen, oder ihnen etwas bezahlen sollen, um von dieser Arbeit befreyt zu seyn. Man weis nicht recht, ob dieß von der Obrig- keit gebilligt wird. Ein christlicher Unterthan des Sultans aber untersieht sich nicht, einen Mohammedaner wegen einer Kleinigkeit zu ver- klagen. Bey öffentlichen Freudensbezeugun- gen, z. E. wegen der Geburt eines Prinzen oder Prinzeßinn, betragen sich die Janitscharen so schlecht, daß es für Christen und Juden nicht rathsam ist, bey solchen Gelegenheiten auf der
Straße
J
lien aber, wo die tuͤrkiſche die Hauptſprache iſt, ſcheint die Hoͤflichkeit der Mohammedaner gegen die Chriſten gaͤnzlich aufgehoͤrt zu haben. Denn daſelbſt nennen die Tuͤrken die Chriſten faſt im- mer Dsjaurler (Unglaͤubiger) ein Name, der bey ihnen ſo veraͤchtlich iſt, daß ſie im Zorn ih- re Pferde und andre Thiere damit beehren.
Da alſo die Tuͤrken ihren chriſtlichen Mit- buͤrgern einen ſo veraͤchtlichen Namen beylegen; ſo kann man leicht denken, daß ſie in ihrem uͤbrigen Betragen nicht hoͤflicher gegen ſie ſind. Sie noͤthigen die Chriſten nicht nur ein gewiſſes Zeichen zu tragen, damit ſie ſie unterſcheiden, und die Kopfſteuer (Charads, andre ſchrei- ben Karat: allein die erſte iſt richtiger) von ih- nen fodern koͤnnen, — denn ordentliche Li- ſten halten die Morgenlaͤnder nicht daruͤber — ſondern die Tuͤrken zu Conſtantinopel verlangen ſo gar zu weilen von den vorbeygehenden Chri- ſten, daß ſie ihnen die Straße fegen, und den Koth wegtragen, oder ihnen etwas bezahlen ſollen, um von dieſer Arbeit befreyt zu ſeyn. Man weis nicht recht, ob dieß von der Obrig- keit gebilligt wird. Ein chriſtlicher Unterthan des Sultans aber unterſieht ſich nicht, einen Mohammedaner wegen einer Kleinigkeit zu ver- klagen. Bey oͤffentlichen Freudensbezeugun- gen, z. E. wegen der Geburt eines Prinzen oder Prinzeßinn, betragen ſich die Janitſcharen ſo ſchlecht, daß es fuͤr Chriſten und Juden nicht rathſam iſt, bey ſolchen Gelegenheiten auf der
Straße
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lien aber, wo die tuͤrkiſche die Hauptſprache iſt,
ſcheint die Hoͤflichkeit der Mohammedaner gegen
die Chriſten gaͤnzlich aufgehoͤrt zu haben. Denn
daſelbſt nennen die Tuͤrken die Chriſten faſt im-
mer Dsjaurler (Unglaͤubiger) ein Name, der
bey ihnen ſo veraͤchtlich iſt, daß ſie im Zorn ih-
re Pferde und andre Thiere damit beehren.
Da alſo die Tuͤrken ihren chriſtlichen Mit-
buͤrgern einen ſo veraͤchtlichen Namen beylegen;
ſo kann man leicht denken, daß ſie in ihrem
uͤbrigen Betragen nicht hoͤflicher gegen ſie ſind.
Sie noͤthigen die Chriſten nicht nur ein gewiſſes
Zeichen zu tragen, damit ſie ſie unterſcheiden,
und die Kopfſteuer (Charads, andre ſchrei-
ben Karat: allein die erſte iſt richtiger) von ih-
nen fodern koͤnnen, — denn ordentliche Li-
ſten halten die Morgenlaͤnder nicht daruͤber —
ſondern die Tuͤrken zu Conſtantinopel verlangen
ſo gar zu weilen von den vorbeygehenden Chri-
ſten, daß ſie ihnen die Straße fegen, und den
Koth wegtragen, oder ihnen etwas bezahlen
ſollen, um von dieſer Arbeit befreyt zu ſeyn.
Man weis nicht recht, ob dieß von der Obrig-
keit gebilligt wird. Ein chriſtlicher Unterthan
des Sultans aber unterſieht ſich nicht, einen
Mohammedaner wegen einer Kleinigkeit zu ver-
klagen. Bey oͤffentlichen Freudensbezeugun-
gen, z. E. wegen der Geburt eines Prinzen oder
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/155>, abgerufen am 23.11.2024.
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