kein Land, in welchem mehrere Märkte gehalten werden, als in Jemen. Hier ist fast kein gro- ßes Dorf, wo nicht wöchentlich Markttag ge- halten wird. Wenn die Dörfer etwas weit von einander liegen; so versammlen sie sich an einem bestimmten Tage auf freyem Felde. Einige kommen dahin, um Waaren zu kaufen oder zu verkaufen: die meisten aber, um die Zeit da an- genehmer zu verbringen, als sie in ihren Häu- sern nicht würden gekonnt haben. Aus dieser Neigung der Araber, und besonders der Ein- wohner zu Jemen, zum geselligen Leben, kann man schon schließen, daß sie nicht so ungesittet sind, als man vielleicht geglaubt hat.
Viele europäische Reisende wollen die Araber als Heuchler, Betrüger und Räuber ge- funden haben. Hr. Niebuhr glaubt nicht Ur- sach zu haben, sich hierüber zu beschweren. Er hat zwar einige von diesem Charakter kennen lernen, will aber aus dem Beyspiele einiger we- nigen Personen nicht auf die Gesinnung der gan- zen Nation schließen. Selbst die Araber wissen es, daß ihre Landesleute nicht alle gut denken. -- Den europäischen Kaufleuten trauen sie im Handel sehr, und glauben, daß sie immer ihr einmal gegebenes Versprechen halten. Und aus dieser Ursach halten sie es für Schande, wenn die Muslemeins (Rechtgläubigen) nicht gleiche Redlichkeit im Handel und Wandel beobachten. Würde aber ein rechtschafner arabischer Kaufmann nach Europa kommen, und
sich
kein Land, in welchem mehrere Maͤrkte gehalten werden, als in Jemen. Hier iſt faſt kein gro- ßes Dorf, wo nicht woͤchentlich Markttag ge- halten wird. Wenn die Doͤrfer etwas weit von einander liegen; ſo verſammlen ſie ſich an einem beſtimmten Tage auf freyem Felde. Einige kommen dahin, um Waaren zu kaufen oder zu verkaufen: die meiſten aber, um die Zeit da an- genehmer zu verbringen, als ſie in ihren Haͤu- ſern nicht wuͤrden gekonnt haben. Aus dieſer Neigung der Araber, und beſonders der Ein- wohner zu Jemen, zum geſelligen Leben, kann man ſchon ſchließen, daß ſie nicht ſo ungeſittet ſind, als man vielleicht geglaubt hat.
Viele europaͤiſche Reiſende wollen die Araber als Heuchler, Betruͤger und Raͤuber ge- funden haben. Hr. Niebuhr glaubt nicht Ur- ſach zu haben, ſich hieruͤber zu beſchweren. Er hat zwar einige von dieſem Charakter kennen lernen, will aber aus dem Beyſpiele einiger we- nigen Perſonen nicht auf die Geſinnung der gan- zen Nation ſchließen. Selbſt die Araber wiſſen es, daß ihre Landesleute nicht alle gut denken. — Den europaͤiſchen Kaufleuten trauen ſie im Handel ſehr, und glauben, daß ſie immer ihr einmal gegebenes Verſprechen halten. Und aus dieſer Urſach halten ſie es fuͤr Schande, wenn die Muſlemîns (Rechtglaͤubigen) nicht gleiche Redlichkeit im Handel und Wandel beobachten. Wuͤrde aber ein rechtſchafner arabiſcher Kaufmann nach Europa kommen, und
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kein Land, in welchem mehrere Maͤrkte gehalten
werden, als in Jemen. Hier iſt faſt kein gro-
ßes Dorf, wo nicht woͤchentlich Markttag ge-
halten wird. Wenn die Doͤrfer etwas weit von
einander liegen; ſo verſammlen ſie ſich an einem
beſtimmten Tage auf freyem Felde. Einige
kommen dahin, um Waaren zu kaufen oder zu
verkaufen: die meiſten aber, um die Zeit da an-
genehmer zu verbringen, als ſie in ihren Haͤu-
ſern nicht wuͤrden gekonnt haben. Aus dieſer
Neigung der Araber, und beſonders der Ein-
wohner zu Jemen, zum geſelligen Leben, kann
man ſchon ſchließen, daß ſie nicht ſo ungeſittet
ſind, als man vielleicht geglaubt hat.
Viele europaͤiſche Reiſende wollen die
Araber als Heuchler, Betruͤger und Raͤuber ge-
funden haben. Hr. Niebuhr glaubt nicht Ur-
ſach zu haben, ſich hieruͤber zu beſchweren. Er
hat zwar einige von dieſem Charakter kennen
lernen, will aber aus dem Beyſpiele einiger we-
nigen Perſonen nicht auf die Geſinnung der gan-
zen Nation ſchließen. Selbſt die Araber wiſſen
es, daß ihre Landesleute nicht alle gut denken.
— Den europaͤiſchen Kaufleuten trauen ſie im
Handel ſehr, und glauben, daß ſie immer ihr
einmal gegebenes Verſprechen halten. Und aus
dieſer Urſach halten ſie es fuͤr Schande, wenn
die Muſlemîns (Rechtglaͤubigen) nicht gleiche
Redlichkeit im Handel und Wandel beobachten.
Wuͤrde aber ein rechtſchafner arabiſcher
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/149>, abgerufen am 23.11.2024.
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