Er wird allemal aus den Ehrbarsten in der Gasse gewählt, und der Statthalter bestätigt die Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit eines Amtes aus dem Ansehen desjenigen beur- theilt, der solches bekleidet; so suchen diese klei- nen Unterbediente ihrer Stelle, durch äußerliche Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Dürf- tigkeit verbergen muß. -- Eine jede Stadt hat auch noch, außer den vorhin erwähnten Com- missair, ihren Gerichtsschreiber, der die Pässe und Zeugnisse der Lebensart und Sitten aus- fertigt. Dieser ist verbunden, über die in seinem Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver- zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr.
Wir müssen itzt unsern Lesern noch kürzlich einen Abriß von den Gesetzen und Strafen der Japaner mittheilen. -- Alle Reisebeschreiber stimmen darinn überein, daß die japanischen Gesetze und Strafen sehr strenge sind, und alle Gerechtigkeit überschreiten. Sie haben wenig oder gar keine geschriebenen Gesetze. Ihr höch- stes Gesetz ist der Wille der Kayser, und nächst diesem der Wille der Fürsten, in deren Gebiet sie leben. Jeder hat über das Leben desjenigen, der unter ihm steht, völlig zu gebieten. Sie verhören und verurtheilen nach Gutbefinden. Nicht leicht ist ein Verbrechen so gering, das nicht sollte am Leben gestraft werden, es sey denn, daß der Verbrecher ein kleiner König wäre: und auch diese sind nicht allzeit davon frey. Das einzige Vorrecht das sie haben,
ist
Er wird allemal aus den Ehrbarſten in der Gaſſe gewaͤhlt, und der Statthalter beſtaͤtigt die Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit eines Amtes aus dem Anſehen desjenigen beur- theilt, der ſolches bekleidet; ſo ſuchen dieſe klei- nen Unterbediente ihrer Stelle, durch aͤußerliche Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Duͤrf- tigkeit verbergen muß. — Eine jede Stadt hat auch noch, außer den vorhin erwaͤhnten Com- miſſair, ihren Gerichtsſchreiber, der die Paͤſſe und Zeugniſſe der Lebensart und Sitten aus- fertigt. Dieſer iſt verbunden, uͤber die in ſeinem Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver- zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr.
Wir muͤſſen itzt unſern Leſern noch kuͤrzlich einen Abriß von den Geſetzen und Strafen der Japaner mittheilen. — Alle Reiſebeſchreiber ſtimmen darinn uͤberein, daß die japaniſchen Geſetze und Strafen ſehr ſtrenge ſind, und alle Gerechtigkeit uͤberſchreiten. Sie haben wenig oder gar keine geſchriebenen Geſetze. Ihr hoͤch- ſtes Geſetz iſt der Wille der Kayſer, und naͤchſt dieſem der Wille der Fuͤrſten, in deren Gebiet ſie leben. Jeder hat uͤber das Leben desjenigen, der unter ihm ſteht, voͤllig zu gebieten. Sie verhoͤren und verurtheilen nach Gutbefinden. Nicht leicht iſt ein Verbrechen ſo gering, das nicht ſollte am Leben geſtraft werden, es ſey denn, daß der Verbrecher ein kleiner Koͤnig waͤre: und auch dieſe ſind nicht allzeit davon frey. Das einzige Vorrecht das ſie haben,
iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0114"n="88"/>
Er wird allemal aus den Ehrbarſten in der<lb/>
Gaſſe gewaͤhlt, und der Statthalter beſtaͤtigt die<lb/>
Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit<lb/>
eines Amtes aus dem Anſehen desjenigen beur-<lb/>
theilt, der ſolches bekleidet; ſo ſuchen dieſe klei-<lb/>
nen Unterbediente ihrer Stelle, durch aͤußerliche<lb/>
Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Duͤrf-<lb/>
tigkeit verbergen muß. — Eine jede Stadt hat<lb/>
auch noch, außer den vorhin erwaͤhnten Com-<lb/>
miſſair, ihren Gerichtsſchreiber, der die Paͤſſe<lb/>
und Zeugniſſe der Lebensart und Sitten aus-<lb/>
fertigt. Dieſer iſt verbunden, uͤber die in ſeinem<lb/>
Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver-<lb/>
zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr.</p><lb/><p>Wir muͤſſen itzt unſern Leſern noch kuͤrzlich<lb/>
einen Abriß von den Geſetzen und Strafen der<lb/>
Japaner mittheilen. — Alle Reiſebeſchreiber<lb/>ſtimmen darinn uͤberein, daß die japaniſchen<lb/>
Geſetze und Strafen ſehr ſtrenge ſind, und alle<lb/>
Gerechtigkeit uͤberſchreiten. Sie haben wenig<lb/>
oder gar keine geſchriebenen Geſetze. Ihr hoͤch-<lb/>ſtes Geſetz iſt der Wille der Kayſer, und naͤchſt<lb/>
dieſem der Wille der Fuͤrſten, in deren Gebiet<lb/>ſie leben. Jeder hat uͤber das Leben desjenigen,<lb/>
der unter ihm ſteht, voͤllig zu gebieten. Sie<lb/>
verhoͤren und verurtheilen nach Gutbefinden.<lb/>
Nicht leicht iſt ein Verbrechen ſo gering, das<lb/>
nicht ſollte am Leben geſtraft werden, es ſey<lb/>
denn, daß der Verbrecher ein kleiner Koͤnig<lb/>
waͤre: und auch dieſe ſind nicht allzeit davon<lb/>
frey. Das einzige Vorrecht das ſie haben,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">iſt</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[88/0114]
Er wird allemal aus den Ehrbarſten in der
Gaſſe gewaͤhlt, und der Statthalter beſtaͤtigt die
Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit
eines Amtes aus dem Anſehen desjenigen beur-
theilt, der ſolches bekleidet; ſo ſuchen dieſe klei-
nen Unterbediente ihrer Stelle, durch aͤußerliche
Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Duͤrf-
tigkeit verbergen muß. — Eine jede Stadt hat
auch noch, außer den vorhin erwaͤhnten Com-
miſſair, ihren Gerichtsſchreiber, der die Paͤſſe
und Zeugniſſe der Lebensart und Sitten aus-
fertigt. Dieſer iſt verbunden, uͤber die in ſeinem
Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver-
zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr.
Wir muͤſſen itzt unſern Leſern noch kuͤrzlich
einen Abriß von den Geſetzen und Strafen der
Japaner mittheilen. — Alle Reiſebeſchreiber
ſtimmen darinn uͤberein, daß die japaniſchen
Geſetze und Strafen ſehr ſtrenge ſind, und alle
Gerechtigkeit uͤberſchreiten. Sie haben wenig
oder gar keine geſchriebenen Geſetze. Ihr hoͤch-
ſtes Geſetz iſt der Wille der Kayſer, und naͤchſt
dieſem der Wille der Fuͤrſten, in deren Gebiet
ſie leben. Jeder hat uͤber das Leben desjenigen,
der unter ihm ſteht, voͤllig zu gebieten. Sie
verhoͤren und verurtheilen nach Gutbefinden.
Nicht leicht iſt ein Verbrechen ſo gering, das
nicht ſollte am Leben geſtraft werden, es ſey
denn, daß der Verbrecher ein kleiner Koͤnig
waͤre: und auch dieſe ſind nicht allzeit davon
frey. Das einzige Vorrecht das ſie haben,
iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/114>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.