Geschichte und Romanen. Die Damen erge- ben sich der Musik, und es giebt in der That wenige unter ihnen, die nicht einige Instru- mente mit vieler Anmuth spielen könnten. Die jungen Leute üben sich gewöhnlich im Pfer- derennen im Tanzen, Ballspielen und andern ähnlichen Leibesübungen.
Der Hof des Dairi besteht aus lauter Geistlichen, die sich alle einbilden, von den alten Göttern abzustammen. Diese vermeinte Her- kunft macht das Priestervolk unerträglich stolz, und flößt ihnen eine allgemeine Verachtung für die Weltlichen ein, deren Dienste sie doch bey aller Gelegenheit erbetteln. Alle Hofbediente und Geistlichen im Reiche führen den prächti- gen Titel Kuge oder gnädiger Herr! -- Der Sonderbarkeit wegen will ich hier einen kurzen Abriß von ihrer Kleidertracht hersetzen. Sie haben weite Hosen und einen weiten Rock mit nachschleppendem Schweife. Ihre Mütze ist schwarz; die Gestalt derselben ist nach den verschiedenen Würden eingerichtet, und es ist nicht schwer, zu erkennen, von welchem Stande der Geistliche ist, und was für eine Würde er bey Hofe bekleidet. Einige knüpfen eine Strei- fe von Flor oder seidnem Zeuge an ihre Mützen, die ihnen auf die Schulter hängt; andere tra- gen dergleichen, statt eines Fächers vor den Au- gen. Manche haben um die Brust eine Scher- pe, die ihnen von den Schultern fällt: je länger die Scherpe ist, je vornehmer ist die Person;
die
F
Geſchichte und Romanen. Die Damen erge- ben ſich der Muſik, und es giebt in der That wenige unter ihnen, die nicht einige Inſtru- mente mit vieler Anmuth ſpielen koͤnnten. Die jungen Leute uͤben ſich gewoͤhnlich im Pfer- derennen im Tanzen, Ballſpielen und andern aͤhnlichen Leibesuͤbungen.
Der Hof des Dairi beſteht aus lauter Geiſtlichen, die ſich alle einbilden, von den alten Goͤttern abzuſtammen. Dieſe vermeinte Her- kunft macht das Prieſtervolk unertraͤglich ſtolz, und floͤßt ihnen eine allgemeine Verachtung fuͤr die Weltlichen ein, deren Dienſte ſie doch bey aller Gelegenheit erbetteln. Alle Hofbediente und Geiſtlichen im Reiche fuͤhren den praͤchti- gen Titel Kuge oder gnaͤdiger Herr! — Der Sonderbarkeit wegen will ich hier einen kurzen Abriß von ihrer Kleidertracht herſetzen. Sie haben weite Hoſen und einen weiten Rock mit nachſchleppendem Schweife. Ihre Muͤtze iſt ſchwarz; die Geſtalt derſelben iſt nach den verſchiedenen Wuͤrden eingerichtet, und es iſt nicht ſchwer, zu erkennen, von welchem Stande der Geiſtliche iſt, und was fuͤr eine Wuͤrde er bey Hofe bekleidet. Einige knuͤpfen eine Strei- fe von Flor oder ſeidnem Zeuge an ihre Muͤtzen, die ihnen auf die Schulter haͤngt; andere tra- gen dergleichen, ſtatt eines Faͤchers vor den Au- gen. Manche haben um die Bruſt eine Scher- pe, die ihnen von den Schultern faͤllt: je laͤnger die Scherpe iſt, je vornehmer iſt die Perſon;
die
F
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0107"n="81"/>
Geſchichte und Romanen. Die Damen erge-<lb/>
ben ſich der Muſik, und es giebt in der That<lb/>
wenige unter ihnen, die nicht einige Inſtru-<lb/>
mente mit vieler Anmuth ſpielen koͤnnten.<lb/>
Die jungen Leute uͤben ſich gewoͤhnlich im Pfer-<lb/>
derennen im Tanzen, Ballſpielen und andern<lb/>
aͤhnlichen Leibesuͤbungen.</p><lb/><p>Der Hof des Dairi beſteht aus lauter<lb/>
Geiſtlichen, die ſich alle einbilden, von den alten<lb/>
Goͤttern abzuſtammen. Dieſe vermeinte Her-<lb/>
kunft macht das Prieſtervolk unertraͤglich ſtolz,<lb/>
und floͤßt ihnen eine allgemeine Verachtung fuͤr<lb/>
die Weltlichen ein, deren Dienſte ſie doch bey<lb/>
aller Gelegenheit erbetteln. Alle Hofbediente<lb/>
und Geiſtlichen im Reiche fuͤhren den praͤchti-<lb/>
gen Titel <hirendition="#fr">Kuge</hi> oder <hirendition="#fr">gnaͤdiger Herr</hi>! —<lb/>
Der Sonderbarkeit wegen will ich hier einen<lb/>
kurzen Abriß von ihrer Kleidertracht herſetzen.<lb/>
Sie haben weite Hoſen und einen weiten Rock<lb/>
mit nachſchleppendem Schweife. Ihre Muͤtze<lb/>
iſt ſchwarz; die Geſtalt derſelben iſt nach den<lb/>
verſchiedenen Wuͤrden eingerichtet, und es iſt<lb/>
nicht ſchwer, zu erkennen, von welchem Stande<lb/>
der Geiſtliche iſt, und was fuͤr eine Wuͤrde er<lb/>
bey Hofe bekleidet. Einige knuͤpfen eine Strei-<lb/>
fe von Flor oder ſeidnem Zeuge an ihre Muͤtzen,<lb/>
die ihnen auf die Schulter haͤngt; andere tra-<lb/>
gen dergleichen, ſtatt eines Faͤchers vor den Au-<lb/>
gen. Manche haben um die Bruſt eine Scher-<lb/>
pe, die ihnen von den Schultern faͤllt: je laͤnger<lb/>
die Scherpe iſt, je vornehmer iſt die Perſon;<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F</fw><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[81/0107]
Geſchichte und Romanen. Die Damen erge-
ben ſich der Muſik, und es giebt in der That
wenige unter ihnen, die nicht einige Inſtru-
mente mit vieler Anmuth ſpielen koͤnnten.
Die jungen Leute uͤben ſich gewoͤhnlich im Pfer-
derennen im Tanzen, Ballſpielen und andern
aͤhnlichen Leibesuͤbungen.
Der Hof des Dairi beſteht aus lauter
Geiſtlichen, die ſich alle einbilden, von den alten
Goͤttern abzuſtammen. Dieſe vermeinte Her-
kunft macht das Prieſtervolk unertraͤglich ſtolz,
und floͤßt ihnen eine allgemeine Verachtung fuͤr
die Weltlichen ein, deren Dienſte ſie doch bey
aller Gelegenheit erbetteln. Alle Hofbediente
und Geiſtlichen im Reiche fuͤhren den praͤchti-
gen Titel Kuge oder gnaͤdiger Herr! —
Der Sonderbarkeit wegen will ich hier einen
kurzen Abriß von ihrer Kleidertracht herſetzen.
Sie haben weite Hoſen und einen weiten Rock
mit nachſchleppendem Schweife. Ihre Muͤtze
iſt ſchwarz; die Geſtalt derſelben iſt nach den
verſchiedenen Wuͤrden eingerichtet, und es iſt
nicht ſchwer, zu erkennen, von welchem Stande
der Geiſtliche iſt, und was fuͤr eine Wuͤrde er
bey Hofe bekleidet. Einige knuͤpfen eine Strei-
fe von Flor oder ſeidnem Zeuge an ihre Muͤtzen,
die ihnen auf die Schulter haͤngt; andere tra-
gen dergleichen, ſtatt eines Faͤchers vor den Au-
gen. Manche haben um die Bruſt eine Scher-
pe, die ihnen von den Schultern faͤllt: je laͤnger
die Scherpe iſt, je vornehmer iſt die Perſon;
die
F
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/107>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.