[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.Die Perser betrauren ihre Todte vierzig gen Taverniers Berichte, in ihrer Sprache Neg-
nir oder Manguer. -- Sie pflegen sich, nach den Vorstellungen der Perser, mit dem Todten zu unterhalten, und ihn wegen seines Glau- bens und seines ganzen Wandels zur Rechen- schaft zu fordern. Ist nun ihr Glaube auf die- ser Erde klein, und ihr Betragen den Gesetzen Mohammeds zuwider gewesen; so werden sie von diesen beyden Engeln verdammt, und diese Verdammung besteht in einer beständigen und heftigen Reue, sich nicht so vollkommen ge- macht zu haben, als sie es hätten seyn können. -- Dieß ist die Vorstellung des venünftigern Theils unter ihnen. -- Andere halten dafür, daß die Verdammung der Gottlosen in abscheu- lichen Träumen und Erscheinungen, hingegen die Seeligkeit der Frommen in dem Genusse un- aufhörlicher Vergnügungen, bestünde, bis end- lich der große Gesetzgeber erschiene und alle Verstorbene zu einer allgemeinen Auferstehung beriefe. Alsdann würde einem jeden sein ewi- ges Endurtheil gesprochen, und er entweder be- ständig vom Teufel gequält oder ewig glücklich seyn. -- Man sieht hieraus leicht, was die Perser von der Seligkeit oder Verdammung der Verstorbenen für eine Meynung hegen. Es ist Schade, daß sie zu dem, was in diesen Vor- stellungen übertriebenes oder falsches ist, durch ihre religiösen Ideen verleitet werden. Beson- ders scheint es, als wenn sie vom Teufel eine entsetzliche Meynung haben, und hierinn unsre deutschen Orthodoxen noch einigermaaßen über- treffen. Verstünden die Perser deutsch, und wenn es sich sonst thun ließe; so könnte man ihnen Die Perſer betrauren ihre Todte vierzig gen Taverniers Berichte, in ihrer Sprache Neg-
nir oder Manguer. — Sie pflegen ſich, nach den Vorſtellungen der Perſer, mit dem Todten zu unterhalten, und ihn wegen ſeines Glau- bens und ſeines ganzen Wandels zur Rechen- ſchaft zu fordern. Iſt nun ihr Glaube auf die- ſer Erde klein, und ihr Betragen den Geſetzen Mohammeds zuwider geweſen; ſo werden ſie von dieſen beyden Engeln verdammt, und dieſe Verdammung beſteht in einer beſtaͤndigen und heftigen Reue, ſich nicht ſo vollkommen ge- macht zu haben, als ſie es haͤtten ſeyn koͤnnen. — Dieß iſt die Vorſtellung des venuͤnftigern Theils unter ihnen. — Andere halten dafuͤr, daß die Verdammung der Gottloſen in abſcheu- lichen Traͤumen und Erſcheinungen, hingegen die Seeligkeit der Frommen in dem Genuſſe un- aufhoͤrlicher Vergnuͤgungen, beſtuͤnde, bis end- lich der große Geſetzgeber erſchiene und alle Verſtorbene zu einer allgemeinen Auferſtehung beriefe. Alsdann wuͤrde einem jeden ſein ewi- ges Endurtheil geſprochen, und er entweder be- ſtaͤndig vom Teufel gequaͤlt oder ewig gluͤcklich ſeyn. — Man ſieht hieraus leicht, was die Perſer von der Seligkeit oder Verdammung der Verſtorbenen fuͤr eine Meynung hegen. Es iſt Schade, daß ſie zu dem, was in dieſen Vor- ſtellungen uͤbertriebenes oder falſches iſt, durch ihre religioͤſen Ideen verleitet werden. Beſon- ders ſcheint es, als wenn ſie vom Teufel eine entſetzliche Meynung haben, und hierinn unſre deutſchen Orthodoxen noch einigermaaßen uͤber- treffen. Verſtuͤnden die Perſer deutſch, und wenn es ſich ſonſt thun ließe; ſo koͤnnte man ihnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0090" n="70"/> <p>Die Perſer betrauren ihre Todte vierzig<lb/> Tage lang; und ſcheinen in den acht erſten Ta-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/><note next="#seg2pn_5_3" xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Taverniers</hi> Berichte, in ihrer Sprache <hi rendition="#fr">Neg-<lb/> nir</hi> oder <hi rendition="#fr">Manguer</hi>. — Sie pflegen ſich, nach<lb/> den Vorſtellungen der Perſer, mit dem Todten<lb/> zu unterhalten, und ihn wegen ſeines Glau-<lb/> bens und ſeines ganzen Wandels zur Rechen-<lb/> ſchaft zu fordern. Iſt nun ihr Glaube auf die-<lb/> ſer Erde klein, und ihr Betragen den Geſetzen<lb/> Mohammeds zuwider geweſen; ſo werden ſie<lb/> von dieſen beyden Engeln verdammt, und dieſe<lb/> Verdammung beſteht in einer beſtaͤndigen und<lb/> heftigen Reue, ſich nicht ſo vollkommen ge-<lb/> macht zu haben, als ſie es haͤtten ſeyn koͤnnen.<lb/> — Dieß iſt die Vorſtellung des venuͤnftigern<lb/> Theils unter ihnen. — Andere halten dafuͤr,<lb/> daß die Verdammung der Gottloſen in abſcheu-<lb/> lichen Traͤumen und Erſcheinungen, hingegen<lb/> die Seeligkeit der Frommen in dem Genuſſe un-<lb/> aufhoͤrlicher Vergnuͤgungen, beſtuͤnde, bis end-<lb/> lich der große Geſetzgeber erſchiene und alle<lb/> Verſtorbene zu einer allgemeinen Auferſtehung<lb/> beriefe. Alsdann wuͤrde einem jeden ſein ewi-<lb/> ges Endurtheil geſprochen, und er entweder be-<lb/> ſtaͤndig vom Teufel gequaͤlt oder ewig gluͤcklich<lb/> ſeyn. — Man ſieht hieraus leicht, was die<lb/> Perſer von der Seligkeit oder Verdammung der<lb/> Verſtorbenen fuͤr eine Meynung hegen. Es<lb/> iſt Schade, daß ſie zu dem, was in dieſen Vor-<lb/> ſtellungen uͤbertriebenes oder falſches iſt, durch<lb/> ihre religioͤſen Ideen verleitet werden. Beſon-<lb/> ders ſcheint es, als wenn ſie vom Teufel eine<lb/> entſetzliche Meynung haben, und hierinn unſre<lb/> deutſchen Orthodoxen noch einigermaaßen uͤber-<lb/> treffen. Verſtuͤnden die Perſer deutſch, und<lb/> wenn es ſich ſonſt thun ließe; ſo koͤnnte man<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ihnen</fw></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0090]
Die Perſer betrauren ihre Todte vierzig
Tage lang; und ſcheinen in den acht erſten Ta-
gen
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*) Taverniers Berichte, in ihrer Sprache Neg-
nir oder Manguer. — Sie pflegen ſich, nach
den Vorſtellungen der Perſer, mit dem Todten
zu unterhalten, und ihn wegen ſeines Glau-
bens und ſeines ganzen Wandels zur Rechen-
ſchaft zu fordern. Iſt nun ihr Glaube auf die-
ſer Erde klein, und ihr Betragen den Geſetzen
Mohammeds zuwider geweſen; ſo werden ſie
von dieſen beyden Engeln verdammt, und dieſe
Verdammung beſteht in einer beſtaͤndigen und
heftigen Reue, ſich nicht ſo vollkommen ge-
macht zu haben, als ſie es haͤtten ſeyn koͤnnen.
— Dieß iſt die Vorſtellung des venuͤnftigern
Theils unter ihnen. — Andere halten dafuͤr,
daß die Verdammung der Gottloſen in abſcheu-
lichen Traͤumen und Erſcheinungen, hingegen
die Seeligkeit der Frommen in dem Genuſſe un-
aufhoͤrlicher Vergnuͤgungen, beſtuͤnde, bis end-
lich der große Geſetzgeber erſchiene und alle
Verſtorbene zu einer allgemeinen Auferſtehung
beriefe. Alsdann wuͤrde einem jeden ſein ewi-
ges Endurtheil geſprochen, und er entweder be-
ſtaͤndig vom Teufel gequaͤlt oder ewig gluͤcklich
ſeyn. — Man ſieht hieraus leicht, was die
Perſer von der Seligkeit oder Verdammung der
Verſtorbenen fuͤr eine Meynung hegen. Es
iſt Schade, daß ſie zu dem, was in dieſen Vor-
ſtellungen uͤbertriebenes oder falſches iſt, durch
ihre religioͤſen Ideen verleitet werden. Beſon-
ders ſcheint es, als wenn ſie vom Teufel eine
entſetzliche Meynung haben, und hierinn unſre
deutſchen Orthodoxen noch einigermaaßen uͤber-
treffen. Verſtuͤnden die Perſer deutſch, und
wenn es ſich ſonſt thun ließe; ſo koͤnnte man
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