Die Perser beobachten in der Art sich zu setzen viele sonderbare Cärimonien. Vor Per- sonen, denen man Achtung schuldig ist, pflegt man sich auf die Fersen zu setzen und die Füße und Knie dicht an einander zu haben. Vor seines Gleichen aber fällt diese Unbequemlichkeit weg: man setzt sich bequemer, indem man die Füße kreuzweis über einander schlägt. Wenn ein Freund den andern besucht; so sagt er zu ihm: setze dich nach deiner Bequemlich- keit, das heißt, lege deine Füße über einander wie du willst. Man ändert aber seine Stel- lung niemals, wenn man auch einen halben Tag sitzen müßte. Die Orientaler sind nicht so beweglich und so unruhig, als wir. Sie sitzen ernsthaft und steif; sie machen mit dem Körper nie eine Bewegung oder Geberde; vor- züglich beobachten sie dieß bey ihren Reden und Handlungen. Unsre Gewohnheiten hierinn setzen sie in Erstaunen, und sie können es nicht glauben, daß ein Mensch, in dessen Kopfe noch gesunder Menschenverstand obwalte, bey seinen Reden und Handlungen so gesticuliren könne. -- Es ist auch bey ihnen eine große Unhöflich- keit, die Spitzen der Füße beym Sitzen sehen zu lassen. Man muß sie unter dem Rocke verbergen.
Die Begrüßungen geschehen mit Kopfni- cken, und dieß ist am gewöhnlichsten. Man pflegt aber auch zuweilen die rechte Hand an den Mund zu legen, und so begrüßen sich ge-
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Die Perſer beobachten in der Art ſich zu ſetzen viele ſonderbare Caͤrimonien. Vor Per- ſonen, denen man Achtung ſchuldig iſt, pflegt man ſich auf die Ferſen zu ſetzen und die Fuͤße und Knie dicht an einander zu haben. Vor ſeines Gleichen aber faͤllt dieſe Unbequemlichkeit weg: man ſetzt ſich bequemer, indem man die Fuͤße kreuzweis uͤber einander ſchlaͤgt. Wenn ein Freund den andern beſucht; ſo ſagt er zu ihm: ſetze dich nach deiner Bequemlich- keit, das heißt, lege deine Fuͤße uͤber einander wie du willſt. Man aͤndert aber ſeine Stel- lung niemals, wenn man auch einen halben Tag ſitzen muͤßte. Die Orientaler ſind nicht ſo beweglich und ſo unruhig, als wir. Sie ſitzen ernſthaft und ſteif; ſie machen mit dem Koͤrper nie eine Bewegung oder Geberde; vor- zuͤglich beobachten ſie dieß bey ihren Reden und Handlungen. Unſre Gewohnheiten hierinn ſetzen ſie in Erſtaunen, und ſie koͤnnen es nicht glauben, daß ein Menſch, in deſſen Kopfe noch geſunder Menſchenverſtand obwalte, bey ſeinen Reden und Handlungen ſo geſticuliren koͤnne. — Es iſt auch bey ihnen eine große Unhoͤflich- keit, die Spitzen der Fuͤße beym Sitzen ſehen zu laſſen. Man muß ſie unter dem Rocke verbergen.
Die Begruͤßungen geſchehen mit Kopfni- cken, und dieß iſt am gewoͤhnlichſten. Man pflegt aber auch zuweilen die rechte Hand an den Mund zu legen, und ſo begruͤßen ſich ge-
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Die Perſer beobachten in der Art ſich zu
ſetzen viele ſonderbare Caͤrimonien. Vor Per-
ſonen, denen man Achtung ſchuldig iſt, pflegt
man ſich auf die Ferſen zu ſetzen und die Fuͤße
und Knie dicht an einander zu haben. Vor
ſeines Gleichen aber faͤllt dieſe Unbequemlichkeit
weg: man ſetzt ſich bequemer, indem man die
Fuͤße kreuzweis uͤber einander ſchlaͤgt. Wenn
ein Freund den andern beſucht; ſo ſagt er zu
ihm: ſetze dich nach deiner Bequemlich-
keit, das heißt, lege deine Fuͤße uͤber einander
wie du willſt. Man aͤndert aber ſeine Stel-
lung niemals, wenn man auch einen halben
Tag ſitzen muͤßte. Die Orientaler ſind nicht
ſo beweglich und ſo unruhig, als wir. Sie
ſitzen ernſthaft und ſteif; ſie machen mit dem
Koͤrper nie eine Bewegung oder Geberde; vor-
zuͤglich beobachten ſie dieß bey ihren Reden und
Handlungen. Unſre Gewohnheiten hierinn
ſetzen ſie in Erſtaunen, und ſie koͤnnen es nicht
glauben, daß ein Menſch, in deſſen Kopfe noch
geſunder Menſchenverſtand obwalte, bey ſeinen
Reden und Handlungen ſo geſticuliren koͤnne.
— Es iſt auch bey ihnen eine große Unhoͤflich-
keit, die Spitzen der Fuͤße beym Sitzen ſehen
zu laſſen. Man muß ſie unter dem Rocke
verbergen.
Die Begruͤßungen geſchehen mit Kopfni-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/43>, abgerufen am 24.11.2024.
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