Sohn gefället wird, ist dieses, daß sein Körper in viele tausend Stücke zerrissen und nachher verbrannt, sein Haus niedergerissen, das gan- ze Quartier geschleift, und auf eben dem Platze eine Denksäule errichtet wird, die das Gräß- liche dieser That der Nachkommenschaft über- liefern soll.
Wenn jemand einen andern tödtet, wird er, wie billig, am Leben gestraft. Ereignet sich der Fall, daß zwey Personen sich duelliren und einer den andern niedermacht; so wird er stran- gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer- ley ist, das Erwürgen, ist die gewöhnlichste und leichteste Todesstrafe: diese Strafe wird auch Personen von Stande zuerkannt. Man be- dient sich hiezu eines Stricks, welcher etwa sie- ben bis acht Fuß lang ist nebst einer Schleife, die dem Inquisiten über den Hals geworfen wird. -- Tödtet aber einer den andern auf ei- ne meuchelmörderische Weise; so wird er ent- hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror- dentliches Verbrechen ist; so wird auch diese schimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es ist unter den Chinesern eine herrschende Meinung, daß einem Menschen nichts schimpflichers wi- derfahren könne, als bey seinem Ausgange aus der Welt, seinen Körper nicht so vollständig zu hinterlassen, wie er ihn auf die Welt gebracht hat. -- -- Bey allen Criminal und Todes- unterschriften, richtet der Kayser dieselbe nach Beschaffenheit des Verbrechens ein. Ist das
Ver-
Sohn gefaͤllet wird, iſt dieſes, daß ſein Koͤrper in viele tauſend Stuͤcke zerriſſen und nachher verbrannt, ſein Haus niedergeriſſen, das gan- ze Quartier geſchleift, und auf eben dem Platze eine Denkſaͤule errichtet wird, die das Graͤß- liche dieſer That der Nachkommenſchaft uͤber- liefern ſoll.
Wenn jemand einen andern toͤdtet, wird er, wie billig, am Leben geſtraft. Ereignet ſich der Fall, daß zwey Perſonen ſich duelliren und einer den andern niedermacht; ſo wird er ſtran- gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer- ley iſt, das Erwuͤrgen, iſt die gewoͤhnlichſte und leichteſte Todesſtrafe: dieſe Strafe wird auch Perſonen von Stande zuerkannt. Man be- dient ſich hiezu eines Stricks, welcher etwa ſie- ben bis acht Fuß lang iſt nebſt einer Schleife, die dem Inquiſiten uͤber den Hals geworfen wird. — Toͤdtet aber einer den andern auf ei- ne meuchelmoͤrderiſche Weiſe; ſo wird er ent- hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror- dentliches Verbrechen iſt; ſo wird auch dieſe ſchimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es iſt unter den Chineſern eine herrſchende Meinung, daß einem Menſchen nichts ſchimpflichers wi- derfahren koͤnne, als bey ſeinem Ausgange aus der Welt, ſeinen Koͤrper nicht ſo vollſtaͤndig zu hinterlaſſen, wie er ihn auf die Welt gebracht hat. — — Bey allen Criminal und Todes- unterſchriften, richtet der Kayſer dieſelbe nach Beſchaffenheit des Verbrechens ein. Iſt das
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Sohn gefaͤllet wird, iſt dieſes, daß ſein Koͤrper
in viele tauſend Stuͤcke zerriſſen und nachher
verbrannt, ſein Haus niedergeriſſen, das gan-
ze Quartier geſchleift, und auf eben dem Platze
eine Denkſaͤule errichtet wird, die das Graͤß-
liche dieſer That der Nachkommenſchaft uͤber-
liefern ſoll.
Wenn jemand einen andern toͤdtet, wird er,
wie billig, am Leben geſtraft. Ereignet ſich
der Fall, daß zwey Perſonen ſich duelliren und
einer den andern niedermacht; ſo wird er ſtran-
gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer-
ley iſt, das Erwuͤrgen, iſt die gewoͤhnlichſte und
leichteſte Todesſtrafe: dieſe Strafe wird auch
Perſonen von Stande zuerkannt. Man be-
dient ſich hiezu eines Stricks, welcher etwa ſie-
ben bis acht Fuß lang iſt nebſt einer Schleife,
die dem Inquiſiten uͤber den Hals geworfen
wird. — Toͤdtet aber einer den andern auf ei-
ne meuchelmoͤrderiſche Weiſe; ſo wird er ent-
hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror-
dentliches Verbrechen iſt; ſo wird auch dieſe
ſchimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es
iſt unter den Chineſern eine herrſchende Meinung,
daß einem Menſchen nichts ſchimpflichers wi-
derfahren koͤnne, als bey ſeinem Ausgange aus
der Welt, ſeinen Koͤrper nicht ſo vollſtaͤndig zu
hinterlaſſen, wie er ihn auf die Welt gebracht
hat. — — Bey allen Criminal und Todes-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/294>, abgerufen am 23.11.2024.
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