nen ausüben, wenn sie Arten von Strafen an- erkennen. Und wenn es gleich wahr ist, daß sie selbst ohne Wissen des Kaysers kein Todes- urtheil vollziehen können; so können sie doch vorher, wenigstens durch Strafen und andere Dinge, die Unterthanen zum Bettelstab bringen; und solches ist oftmals härter als der Tod selbst. --
Wir wollen nun noch in aller Kürze die ver- schiedenen Arten von Strafen bey den Chine- sern anführen. -- Ein Mandarin hat die völlige Erlaubniß, allenthalben, wo ers nöthig findet, auch außer seiner Diöces, Stockprü- gel austheilen zu lassen. So oft er daher aus- geht, pflegt er allemal einen Beamten bey sich zu haben, der dergleichen Strafen, wenn er es verlangt, vollziehen kann. Be- gegnet ihm jemand zu Pferde, der ihn nicht zu rechter Zeit grüßt, nicht herunter steigt und ausweicht; so hat er allemal einige Prügel zu erwarten. Und das alles geht so geschwind, daß es der Geprügelte eher weg hat, als er es sich versieht. -- Stockschläge sind auch die ge- wöhnlichen Strafen für Schildwachen, wenn sie des Nachts schlafend gefunden werden, fer- ner für Kinder, Bediente und Bettler. Von dieser letzten Sorte giebt es in China mehr denn Sand am Meere. Diese Art von Menschen sind mit unsern Landstreichern und vormaligen Zigeunern gut zu vergleichen. Die meisten Bettler sind Krüppel, oder stellen sich es zu
seyn:
nen ausuͤben, wenn ſie Arten von Strafen an- erkennen. Und wenn es gleich wahr iſt, daß ſie ſelbſt ohne Wiſſen des Kayſers kein Todes- urtheil vollziehen koͤnnen; ſo koͤnnen ſie doch vorher, wenigſtens durch Strafen und andere Dinge, die Unterthanen zum Bettelſtab bringen; und ſolches iſt oftmals haͤrter als der Tod ſelbſt. —
Wir wollen nun noch in aller Kuͤrze die ver- ſchiedenen Arten von Strafen bey den Chine- ſern anfuͤhren. — Ein Mandarin hat die voͤllige Erlaubniß, allenthalben, wo ers noͤthig findet, auch außer ſeiner Dioͤces, Stockpruͤ- gel austheilen zu laſſen. So oft er daher aus- geht, pflegt er allemal einen Beamten bey ſich zu haben, der dergleichen Strafen, wenn er es verlangt, vollziehen kann. Be- gegnet ihm jemand zu Pferde, der ihn nicht zu rechter Zeit gruͤßt, nicht herunter ſteigt und ausweicht; ſo hat er allemal einige Pruͤgel zu erwarten. Und das alles geht ſo geſchwind, daß es der Gepruͤgelte eher weg hat, als er es ſich verſieht. — Stockſchlaͤge ſind auch die ge- woͤhnlichen Strafen fuͤr Schildwachen, wenn ſie des Nachts ſchlafend gefunden werden, fer- ner fuͤr Kinder, Bediente und Bettler. Von dieſer letzten Sorte giebt es in China mehr denn Sand am Meere. Dieſe Art von Menſchen ſind mit unſern Landſtreichern und vormaligen Zigeunern gut zu vergleichen. Die meiſten Bettler ſind Kruͤppel, oder ſtellen ſich es zu
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nen ausuͤben, wenn ſie Arten von Strafen an-
erkennen. Und wenn es gleich wahr iſt, daß
ſie ſelbſt ohne Wiſſen des Kayſers kein Todes-
urtheil vollziehen koͤnnen; ſo koͤnnen ſie doch
vorher, wenigſtens durch Strafen und andere
Dinge, die Unterthanen zum Bettelſtab bringen;
und ſolches iſt oftmals haͤrter als der Tod
ſelbſt. —
Wir wollen nun noch in aller Kuͤrze die ver-
ſchiedenen Arten von Strafen bey den Chine-
ſern anfuͤhren. — Ein Mandarin hat die
voͤllige Erlaubniß, allenthalben, wo ers noͤthig
findet, auch außer ſeiner Dioͤces, Stockpruͤ-
gel austheilen zu laſſen. So oft er daher aus-
geht, pflegt er allemal einen Beamten bey
ſich zu haben, der dergleichen Strafen,
wenn er es verlangt, vollziehen kann. Be-
gegnet ihm jemand zu Pferde, der ihn nicht
zu rechter Zeit gruͤßt, nicht herunter ſteigt und
ausweicht; ſo hat er allemal einige Pruͤgel zu
erwarten. Und das alles geht ſo geſchwind,
daß es der Gepruͤgelte eher weg hat, als er es
ſich verſieht. — Stockſchlaͤge ſind auch die ge-
woͤhnlichen Strafen fuͤr Schildwachen, wenn
ſie des Nachts ſchlafend gefunden werden, fer-
ner fuͤr Kinder, Bediente und Bettler. Von
dieſer letzten Sorte giebt es in China mehr denn
Sand am Meere. Dieſe Art von Menſchen
ſind mit unſern Landſtreichern und vormaligen
Zigeunern gut zu vergleichen. Die meiſten
Bettler ſind Kruͤppel, oder ſtellen ſich es zu
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/288>, abgerufen am 24.11.2024.
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