die Hälfte meiner Einnahme an Getraide dem Volke erlassen.
Noch einen würdigen Zug der fürtreflichen Denkart eben dieses vorhin genannten Fürsten können wir nicht unterlassen anzuführen, wo- zu die Veranlassung diese war, daß nemlich seine Bedienten täglich Gott um die Erhaltung seiner Person anriefen, und alle übrige Pflich- te gegen Alle, aus den Augen setzten. Hier- über machte er folgende Anmerkung: Ich habe gegenwärtig das vierzehnte Jahr meiner Regierung angetreten: und je län- ger ich regiere, fühle ich auch zu sehr, die Mängel meiner Fähigkeiten. -- -- Nichts ist an großen Fürsten lobenswürdiger und vernünftiger, als Uneigennützigkeit in al- ler Absicht. Ich merke itzt, daß viele Bediente in ihren Gebeten um gutes Glück den Himmel anflehen! Und für wen thun sie es? Fur mich. Allein dieß ist mir sehr unangenehm. Denn kann ich das wohl billigen, daß Bediente alle Pflichten hint- ansetzen, auf das Wohl meiner Untertha- nen nicht achten, und nur blos darauf sehen, das Glück eines Fürsten zu befördern, dem es so sehr an Verdiensten fehlt? Bil- ligte ich es; so könnte ich und andere es für einen starken Zusatz meiner übrigen Fehler halten. -- Ich will daher, daß Statt der Fürbitten der Bedienten für
mei-
die Haͤlfte meiner Einnahme an Getraide dem Volke erlaſſen.
Noch einen wuͤrdigen Zug der fuͤrtreflichen Denkart eben dieſes vorhin genannten Fuͤrſten koͤnnen wir nicht unterlaſſen anzufuͤhren, wo- zu die Veranlaſſung dieſe war, daß nemlich ſeine Bedienten taͤglich Gott um die Erhaltung ſeiner Perſon anriefen, und alle uͤbrige Pflich- te gegen Alle, aus den Augen ſetzten. Hier- uͤber machte er folgende Anmerkung: Ich habe gegenwaͤrtig das vierzehnte Jahr meiner Regierung angetreten: und je laͤn- ger ich regiere, fuͤhle ich auch zu ſehr, die Maͤngel meiner Faͤhigkeiten. — — Nichts iſt an großen Fuͤrſten lobenswuͤrdiger und vernuͤnftiger, als Uneigennuͤtzigkeit in al- ler Abſicht. Ich merke itzt, daß viele Bediente in ihren Gebeten um gutes Gluͤck den Himmel anflehen! Und fuͤr wen thun ſie es? Fůr mich. Allein dieß iſt mir ſehr unangenehm. Denn kann ich das wohl billigen, daß Bediente alle Pflichten hint- anſetzen, auf das Wohl meiner Untertha- nen nicht achten, und nur blos darauf ſehen, das Gluͤck eines Fuͤrſten zu befoͤrdern, dem es ſo ſehr an Verdienſten fehlt? Bil- ligte ich es; ſo koͤnnte ich und andere es fuͤr einen ſtarken Zuſatz meiner uͤbrigen Fehler halten. — Ich will daher, daß Statt der Fuͤrbitten der Bedienten fuͤr
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die Haͤlfte meiner Einnahme an Getraide
dem Volke erlaſſen.
Noch einen wuͤrdigen Zug der fuͤrtreflichen
Denkart eben dieſes vorhin genannten Fuͤrſten
koͤnnen wir nicht unterlaſſen anzufuͤhren, wo-
zu die Veranlaſſung dieſe war, daß nemlich
ſeine Bedienten taͤglich Gott um die Erhaltung
ſeiner Perſon anriefen, und alle uͤbrige Pflich-
te gegen Alle, aus den Augen ſetzten. Hier-
uͤber machte er folgende Anmerkung: Ich
habe gegenwaͤrtig das vierzehnte Jahr
meiner Regierung angetreten: und je laͤn-
ger ich regiere, fuͤhle ich auch zu ſehr, die
Maͤngel meiner Faͤhigkeiten. — — Nichts
iſt an großen Fuͤrſten lobenswuͤrdiger und
vernuͤnftiger, als Uneigennuͤtzigkeit in al-
ler Abſicht. Ich merke itzt, daß viele
Bediente in ihren Gebeten um gutes Gluͤck
den Himmel anflehen! Und fuͤr wen thun
ſie es? Fůr mich. Allein dieß iſt mir ſehr
unangenehm. Denn kann ich das wohl
billigen, daß Bediente alle Pflichten hint-
anſetzen, auf das Wohl meiner Untertha-
nen nicht achten, und nur blos darauf ſehen,
das Gluͤck eines Fuͤrſten zu befoͤrdern,
dem es ſo ſehr an Verdienſten fehlt? Bil-
ligte ich es; ſo koͤnnte ich und andere es
fuͤr einen ſtarken Zuſatz meiner uͤbrigen
Fehler halten. — Ich will daher, daß
Statt der Fuͤrbitten der Bedienten fuͤr
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/286>, abgerufen am 24.11.2024.
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