jeden Manne frey sich wieder zu verheyrathen. Der Mann kann sich nach Belieben eine von seinen Beyschläferinnen nehmen. Diese zweyte Ver- heyrathung ist nicht mit so vielen Cerimonien verbunden. - Die vornehmern Wittwen hal- ten es für erniedrigend, wenn ihr Mann ge- storben ist, nochmals zu heyrathen: allein Per- sonen von geringem Stande haben hierinn ganz andere Maximen, wenn es gleich oftmals we- gen des niedrigen Geitzes des Verstorbenen zu ihrem Nachtheile geschiehet.
Kein Stand ist für das chinesische Frauen- zimmer betrübter als der Ehestand. Sie wer- den von ihren Männern oftmals sehr hart und grausam behandelt, eingesperrt, als Sclavin- nen tractirt: stehen immer in Gefahr mit sammt ihren Kindern verkauft zu werden. *) Sie mü- ßen -- wenn der Mann gestorben ist -- eine lange Trauer beobachten und sich entweder ganz der Einsamkeit überlassen, oder sich öffentlich verkaufen lassen. Der einzige Trost, der ihnen in allen Fällen übrig bleibt, ist, daß sie sich nach den Ge[s]etzen wieder verheyrathen können.
Das Leichenbegängniß wird bey den Chi- nesern mit großer Pracht gefeyret. Hierzu trägt hauptsächlich die große Hochachtung sehr viel bey, welche das Volk gegen ihre verstorbe- ne Anverwandte und Freunde beweiset. -- Ge- meiniglich dauerte, nach ihren alten Gesetzen,
die
*) Dieß geschieht gemeiniglich, wenn der Mann der Spielsucht gar zu sehr ergeben ist.
jeden Manne frey ſich wieder zu verheyrathen. Der Mann kann ſich nach Belieben eine von ſeinen Beyſchlaͤferinnen nehmen. Dieſe zweyte Ver- heyrathung iſt nicht mit ſo vielen Cerimonien verbunden. – Die vornehmern Wittwen hal- ten es fuͤr erniedrigend, wenn ihr Mann ge- ſtorben iſt, nochmals zu heyrathen: allein Per- ſonen von geringem Stande haben hierinn ganz andere Maximen, wenn es gleich oftmals we- gen des niedrigen Geitzes des Verſtorbenen zu ihrem Nachtheile geſchiehet.
Kein Stand iſt fuͤr das chineſiſche Frauen- zimmer betruͤbter als der Eheſtand. Sie wer- den von ihren Maͤnnern oftmals ſehr hart und grauſam behandelt, eingeſperrt, als Sclavin- nen tractirt: ſtehen immer in Gefahr mit ſammt ihren Kindern verkauft zu werden. *) Sie muͤ- ßen — wenn der Mann geſtorben iſt — eine lange Trauer beobachten und ſich entweder ganz der Einſamkeit uͤberlaſſen, oder ſich oͤffentlich verkaufen laſſen. Der einzige Troſt, der ihnen in allen Faͤllen uͤbrig bleibt, iſt, daß ſie ſich nach den Ge[ſ]etzen wieder verheyrathen koͤnnen.
Das Leichenbegaͤngniß wird bey den Chi- neſern mit großer Pracht gefeyret. Hierzu traͤgt hauptſaͤchlich die große Hochachtung ſehr viel bey, welche das Volk gegen ihre verſtorbe- ne Anverwandte und Freunde beweiſet. — Ge- meiniglich dauerte, nach ihren alten Geſetzen,
die
*) Dieß geſchieht gemeiniglich, wenn der Mann der Spielſucht gar zu ſehr ergeben iſt.
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jeden Manne frey ſich wieder zu verheyrathen. Der
Mann kann ſich nach Belieben eine von ſeinen
Beyſchlaͤferinnen nehmen. Dieſe zweyte Ver-
heyrathung iſt nicht mit ſo vielen Cerimonien
verbunden. – Die vornehmern Wittwen hal-
ten es fuͤr erniedrigend, wenn ihr Mann ge-
ſtorben iſt, nochmals zu heyrathen: allein Per-
ſonen von geringem Stande haben hierinn ganz
andere Maximen, wenn es gleich oftmals we-
gen des niedrigen Geitzes des Verſtorbenen zu
ihrem Nachtheile geſchiehet.
Kein Stand iſt fuͤr das chineſiſche Frauen-
zimmer betruͤbter als der Eheſtand. Sie wer-
den von ihren Maͤnnern oftmals ſehr hart und
grauſam behandelt, eingeſperrt, als Sclavin-
nen tractirt: ſtehen immer in Gefahr mit ſammt
ihren Kindern verkauft zu werden. *) Sie muͤ-
ßen — wenn der Mann geſtorben iſt — eine
lange Trauer beobachten und ſich entweder ganz
der Einſamkeit uͤberlaſſen, oder ſich oͤffentlich
verkaufen laſſen. Der einzige Troſt, der ihnen
in allen Faͤllen uͤbrig bleibt, iſt, daß ſie ſich nach
den Geſetzen wieder verheyrathen koͤnnen.
Das Leichenbegaͤngniß wird bey den Chi-
neſern mit großer Pracht gefeyret. Hierzu
traͤgt hauptſaͤchlich die große Hochachtung ſehr
viel bey, welche das Volk gegen ihre verſtorbe-
ne Anverwandte und Freunde beweiſet. — Ge-
meiniglich dauerte, nach ihren alten Geſetzen,
die
*) Dieß geſchieht gemeiniglich, wenn der Mann
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/228>, abgerufen am 16.02.2025.
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