Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

ganze Begleitung ist prächtig gekleidet. Der
Sessel, in welchem sie sitzt, ist sehr gut ver-
wahrt und ein Bedienter, von geprüfter Treue,
behält den Schlüssel zur Thür, den er dem
Bräutigam eigenhändig überreicht. Sobald
der ganze Zug angekommen, der Bediente dem
Bräutigam den Schlüssel abgegeben, und die-
ser den Sessel öffnet; so führt er seine Braut --
im Fall sie ihm gefällt -- in einen großen Saal,
wo sie einige Zeit mit Komplimentenmachen zu
thun hat, und der übrige Rest des Tages wird
mit Freuden und Schmausen geendiget. In
Ansehung der Dauer eines Hochzeitfestes rich-
tet man sich allemal nach den Umständen der Per-
sonen. Nach der Hochzeit wird der Frau ein
Zimmer angewiesen, wo sie alles Umgangs be-
raubt, und nur dann und wann ihren Vater
zu sehen bekommt.

Nach den Gesetzen in China darf ein Mann
nur eine Frau haben; darf sich aber so viele
Beyschläferinnen halten, wie er will und zu er-
halten vermögend ist. Wenn ein Chineser eine
Concubine zu sich in sein Haus nimmt; so er-
hält sie eine schriftliche Versicherung, daß ihr
der Hausherr die ausgemachte Summe richtig
bezahlen und artig begegnen wolle. Die rechtmä-
ßige Frau aber behält doch immer die Ober-
herrschaft über sie und über die, von der Con-
cubine etwa gezeugten Kinder, und werden die-
se von ihr als ihre eigene Kinder angesehen. --
Wenn der Mann oder Frau stirbt, so steht es einem

jeden

ganze Begleitung iſt praͤchtig gekleidet. Der
Seſſel, in welchem ſie ſitzt, iſt ſehr gut ver-
wahrt und ein Bedienter, von gepruͤfter Treue,
behaͤlt den Schluͤſſel zur Thuͤr, den er dem
Braͤutigam eigenhaͤndig uͤberreicht. Sobald
der ganze Zug angekommen, der Bediente dem
Braͤutigam den Schluͤſſel abgegeben, und die-
ſer den Seſſel oͤffnet; ſo fuͤhrt er ſeine Braut —
im Fall ſie ihm gefaͤllt — in einen großen Saal,
wo ſie einige Zeit mit Komplimentenmachen zu
thun hat, und der uͤbrige Reſt des Tages wird
mit Freuden und Schmauſen geendiget. In
Anſehung der Dauer eines Hochzeitfeſtes rich-
tet man ſich allemal nach den Umſtaͤnden der Per-
ſonen. Nach der Hochzeit wird der Frau ein
Zimmer angewieſen, wo ſie alles Umgangs be-
raubt, und nur dann und wann ihren Vater
zu ſehen bekommt.

Nach den Geſetzen in China darf ein Mann
nur eine Frau haben; darf ſich aber ſo viele
Beyſchlaͤferinnen halten, wie er will und zu er-
halten vermoͤgend iſt. Wenn ein Chineſer eine
Concubine zu ſich in ſein Haus nimmt; ſo er-
haͤlt ſie eine ſchriftliche Verſicherung, daß ihr
der Hausherr die ausgemachte Summe richtig
bezahlen und artig begegnen wolle. Die rechtmaͤ-
ßige Frau aber behaͤlt doch immer die Ober-
herrſchaft uͤber ſie und uͤber die, von der Con-
cubine etwa gezeugten Kinder, und werden die-
ſe von ihr als ihre eigene Kinder angeſehen. —
Wenn der Mann oder Frau ſtirbt, ſo ſteht es einem

jeden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="207"/>
ganze Begleitung i&#x017F;t pra&#x0364;chtig gekleidet. Der<lb/>
Se&#x017F;&#x017F;el, in welchem &#x017F;ie &#x017F;itzt, i&#x017F;t &#x017F;ehr gut ver-<lb/>
wahrt und ein Bedienter, von gepru&#x0364;fter Treue,<lb/>
beha&#x0364;lt den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zur Thu&#x0364;r, den er dem<lb/>
Bra&#x0364;utigam eigenha&#x0364;ndig u&#x0364;berreicht. Sobald<lb/>
der ganze Zug angekommen, der Bediente dem<lb/>
Bra&#x0364;utigam den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el abgegeben, und die-<lb/>
&#x017F;er den Se&#x017F;&#x017F;el o&#x0364;ffnet; &#x017F;o fu&#x0364;hrt er &#x017F;eine Braut &#x2014;<lb/>
im Fall &#x017F;ie ihm gefa&#x0364;llt &#x2014; in einen großen Saal,<lb/>
wo &#x017F;ie einige Zeit mit Komplimentenmachen zu<lb/>
thun hat, und der u&#x0364;brige Re&#x017F;t des Tages wird<lb/>
mit Freuden und Schmau&#x017F;en geendiget. In<lb/>
An&#x017F;ehung der Dauer eines Hochzeitfe&#x017F;tes rich-<lb/>
tet man &#x017F;ich allemal nach den Um&#x017F;ta&#x0364;nden der Per-<lb/>
&#x017F;onen. Nach der Hochzeit wird der Frau ein<lb/>
Zimmer angewie&#x017F;en, wo &#x017F;ie alles Umgangs be-<lb/>
raubt, und nur dann und wann ihren Vater<lb/>
zu &#x017F;ehen bekommt.</p><lb/>
          <p>Nach den Ge&#x017F;etzen in China darf ein Mann<lb/>
nur eine Frau haben; darf &#x017F;ich aber &#x017F;o viele<lb/>
Bey&#x017F;chla&#x0364;ferinnen halten, wie er will und zu er-<lb/>
halten vermo&#x0364;gend i&#x017F;t. Wenn ein Chine&#x017F;er eine<lb/>
Concubine zu &#x017F;ich in &#x017F;ein Haus nimmt; &#x017F;o er-<lb/>
ha&#x0364;lt &#x017F;ie eine &#x017F;chriftliche Ver&#x017F;icherung, daß ihr<lb/>
der Hausherr die ausgemachte Summe richtig<lb/>
bezahlen und artig begegnen wolle. Die rechtma&#x0364;-<lb/>
ßige Frau aber beha&#x0364;lt doch immer die Ober-<lb/>
herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber &#x017F;ie und u&#x0364;ber die, von der Con-<lb/>
cubine etwa gezeugten Kinder, und werden die-<lb/>
&#x017F;e von ihr als ihre eigene Kinder ange&#x017F;ehen. &#x2014;<lb/>
Wenn der Mann oder Frau &#x017F;tirbt, &#x017F;o &#x017F;teht es einem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">jeden</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0227] ganze Begleitung iſt praͤchtig gekleidet. Der Seſſel, in welchem ſie ſitzt, iſt ſehr gut ver- wahrt und ein Bedienter, von gepruͤfter Treue, behaͤlt den Schluͤſſel zur Thuͤr, den er dem Braͤutigam eigenhaͤndig uͤberreicht. Sobald der ganze Zug angekommen, der Bediente dem Braͤutigam den Schluͤſſel abgegeben, und die- ſer den Seſſel oͤffnet; ſo fuͤhrt er ſeine Braut — im Fall ſie ihm gefaͤllt — in einen großen Saal, wo ſie einige Zeit mit Komplimentenmachen zu thun hat, und der uͤbrige Reſt des Tages wird mit Freuden und Schmauſen geendiget. In Anſehung der Dauer eines Hochzeitfeſtes rich- tet man ſich allemal nach den Umſtaͤnden der Per- ſonen. Nach der Hochzeit wird der Frau ein Zimmer angewieſen, wo ſie alles Umgangs be- raubt, und nur dann und wann ihren Vater zu ſehen bekommt. Nach den Geſetzen in China darf ein Mann nur eine Frau haben; darf ſich aber ſo viele Beyſchlaͤferinnen halten, wie er will und zu er- halten vermoͤgend iſt. Wenn ein Chineſer eine Concubine zu ſich in ſein Haus nimmt; ſo er- haͤlt ſie eine ſchriftliche Verſicherung, daß ihr der Hausherr die ausgemachte Summe richtig bezahlen und artig begegnen wolle. Die rechtmaͤ- ßige Frau aber behaͤlt doch immer die Ober- herrſchaft uͤber ſie und uͤber die, von der Con- cubine etwa gezeugten Kinder, und werden die- ſe von ihr als ihre eigene Kinder angeſehen. — Wenn der Mann oder Frau ſtirbt, ſo ſteht es einem jeden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/227
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/227>, abgerufen am 22.11.2024.