schwerlich, und sehen es sehr ungerne, nehmen es auch wohl gar übel, wenn in den Komplimenten irgend etwas versehen wird. Doch wirds un- ter guten Freunden so genau nicht genommen. Bey feierlichen und förmlichen Besuchen, wo viele Personen sich versammlet haben, muß ein Freund dem andern die gehörigen Reverenzen machen.
Die Höflichkeit und das Komplimenten- machen, beschäfftigt den größten Theil ihrer Er- ziehung. -- Sie haben besondere Bücher, die in einer deutlichen und guten Ordnung alle Stücke der Höflichkeit nach einem jeden Stan- de in sich enthalten: so daß ein jeder hierinn weiß, was er zu thun oder zu lassen habe. - Dem Ausländer. pflegt man es eben nicht so übel zu nehmen, wenn er in seinen Komplimenten den rechten Punkt verfehlt. Angenehmer und der Gesellschaft willkommener ist er aber, wenn er sich in diesem Stücke ihren Sitten so sehr nähert, als er nur kann. Daher pflegen sich die ausländischen Gesandten, ehe sie sich öffent- lich sehen lassen, einen Cerimonienmeister anzu- nehmen, und sich in allen nöthigen Stücken un- terrichten zu lassen: und sollte es der Cerimo- nienmeister etwa, auch nur in dem geringsten Stücke, versehen haben; so läuft er Gefahr von dem Cerimonien-Tribunale ernstlich gestraft zu werden.
Alle Komplimenten, die wir für lächerlich, verdrießlich und unnütz halten, stehen bey ihnen
in
N 4
ſchwerlich, und ſehen es ſehr ungerne, nehmen es auch wohl gar uͤbel, wenn in den Komplimenten irgend etwas verſehen wird. Doch wirds un- ter guten Freunden ſo genau nicht genommen. Bey feierlichen und foͤrmlichen Beſuchen, wo viele Perſonen ſich verſammlet haben, muß ein Freund dem andern die gehoͤrigen Reverenzen machen.
Die Hoͤflichkeit und das Komplimenten- machen, beſchaͤfftigt den groͤßten Theil ihrer Er- ziehung. — Sie haben beſondere Buͤcher, die in einer deutlichen und guten Ordnung alle Stuͤcke der Hoͤflichkeit nach einem jeden Stan- de in ſich enthalten: ſo daß ein jeder hierinn weiß, was er zu thun oder zu laſſen habe. – Dem Auslaͤnder. pflegt man es eben nicht ſo uͤbel zu nehmen, wenn er in ſeinen Komplimenten den rechten Punkt verfehlt. Angenehmer und der Geſellſchaft willkommener iſt er aber, wenn er ſich in dieſem Stuͤcke ihren Sitten ſo ſehr naͤhert, als er nur kann. Daher pflegen ſich die auslaͤndiſchen Geſandten, ehe ſie ſich oͤffent- lich ſehen laſſen, einen Cerimonienmeiſter anzu- nehmen, und ſich in allen noͤthigen Stuͤcken un- terrichten zu laſſen: und ſollte es der Cerimo- nienmeiſter etwa, auch nur in dem geringſten Stuͤcke, verſehen haben; ſo laͤuft er Gefahr von dem Cerimonien-Tribunale ernſtlich geſtraft zu werden.
Alle Komplimenten, die wir fuͤr laͤcherlich, verdrießlich und unnuͤtz halten, ſtehen bey ihnen
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ſchwerlich, und ſehen es ſehr ungerne, nehmen es
auch wohl gar uͤbel, wenn in den Komplimenten
irgend etwas verſehen wird. Doch wirds un-
ter guten Freunden ſo genau nicht genommen.
Bey feierlichen und foͤrmlichen Beſuchen, wo
viele Perſonen ſich verſammlet haben, muß ein
Freund dem andern die gehoͤrigen Reverenzen
machen.
Die Hoͤflichkeit und das Komplimenten-
machen, beſchaͤfftigt den groͤßten Theil ihrer Er-
ziehung. — Sie haben beſondere Buͤcher,
die in einer deutlichen und guten Ordnung alle
Stuͤcke der Hoͤflichkeit nach einem jeden Stan-
de in ſich enthalten: ſo daß ein jeder hierinn weiß,
was er zu thun oder zu laſſen habe. – Dem
Auslaͤnder. pflegt man es eben nicht ſo uͤbel
zu nehmen, wenn er in ſeinen Komplimenten
den rechten Punkt verfehlt. Angenehmer und
der Geſellſchaft willkommener iſt er aber, wenn
er ſich in dieſem Stuͤcke ihren Sitten ſo ſehr
naͤhert, als er nur kann. Daher pflegen ſich
die auslaͤndiſchen Geſandten, ehe ſie ſich oͤffent-
lich ſehen laſſen, einen Cerimonienmeiſter anzu-
nehmen, und ſich in allen noͤthigen Stuͤcken un-
terrichten zu laſſen: und ſollte es der Cerimo-
nienmeiſter etwa, auch nur in dem geringſten
Stuͤcke, verſehen haben; ſo laͤuft er Gefahr
von dem Cerimonien-Tribunale ernſtlich geſtraft
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/219>, abgerufen am 16.02.2025.
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