[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.sich diese Ernsthaftigkeit mit ihren übertriebe- Wenn sich zwey Personen von gleichem gan- N 3
ſich dieſe Ernſthaftigkeit mit ihren uͤbertriebe- Wenn ſich zwey Perſonen von gleichem gan- N 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0217" n="197"/> ſich dieſe Ernſthaftigkeit mit ihren uͤbertriebe-<lb/> nen Cerimonien reimen laſſe. Allein die Sa-<lb/> che laͤßt ſich leicht verſtehen, wenn man das<lb/> Wort Ernſthaftig richtig verſteht. Sagt man<lb/> alſo: die Chineſer verbinden mit einer großen<lb/> Schalkheit und Hinterliſtigkeit faſt unnatuͤrliche<lb/> Cerimonien und Komplimente; ſo iſt es fuͤr unſre<lb/> Denkungsart erklaͤrbar. — Wir wollen hier<lb/> einige Zuͤge von ihrem Cerimoniel im geſelligen<lb/> Umgange anfuͤhren.</p><lb/> <p>Wenn ſich zwey Perſonen von gleichem<lb/> Stande auf den Straßen oder irgendwo ein-<lb/> ander begegnen; ſo begruͤßen ſie ſich, indem ſie<lb/> die eine Hand auf die Bruſt legen, und mit dem<lb/> Kopfe eine Verbeugung machen. Gegen eine<lb/> vornehme Perſon beobachten ſie auch ein vor-<lb/> nehmeres Cerimoniel. Denn anſtatt, daß ſie<lb/> fuͤr ihres Gleichen eine Hand auf die Bruſt le-<lb/> gen, und mit dem Kopfe eine Verbeugung<lb/> machen: legen ſie alsdann beyde Haͤnde auf die<lb/> Bruſt, und machen mit dem ganzen Koͤrper ei-<lb/> nen tiefen Reverenz. Der Geringere muß dem<lb/> Vornehmern bey jeder Gelegenheit deutliche<lb/> und ſichtbare Zeichen der Ehrerbietigkeit erwei-<lb/> ſen. Er muß, wenn er dieſen beſucht oder mit<lb/> ihm redet, ein Knie beugen, und in dieſer Stel-<lb/> lung ſo lange verbleiben, bis ihm der Vorneh-<lb/> me gerade zu ſtehen befielt. Eine gleiche Accu-<lb/> rateſſe beobachten ſie auch in Anſehung des<lb/> Ranges bey ihren Beſuchen. Sie durchweben<lb/> ihre Zuſammenkuͤnfte mit vielen Leibesbewe-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">gan-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0217]
ſich dieſe Ernſthaftigkeit mit ihren uͤbertriebe-
nen Cerimonien reimen laſſe. Allein die Sa-
che laͤßt ſich leicht verſtehen, wenn man das
Wort Ernſthaftig richtig verſteht. Sagt man
alſo: die Chineſer verbinden mit einer großen
Schalkheit und Hinterliſtigkeit faſt unnatuͤrliche
Cerimonien und Komplimente; ſo iſt es fuͤr unſre
Denkungsart erklaͤrbar. — Wir wollen hier
einige Zuͤge von ihrem Cerimoniel im geſelligen
Umgange anfuͤhren.
Wenn ſich zwey Perſonen von gleichem
Stande auf den Straßen oder irgendwo ein-
ander begegnen; ſo begruͤßen ſie ſich, indem ſie
die eine Hand auf die Bruſt legen, und mit dem
Kopfe eine Verbeugung machen. Gegen eine
vornehme Perſon beobachten ſie auch ein vor-
nehmeres Cerimoniel. Denn anſtatt, daß ſie
fuͤr ihres Gleichen eine Hand auf die Bruſt le-
gen, und mit dem Kopfe eine Verbeugung
machen: legen ſie alsdann beyde Haͤnde auf die
Bruſt, und machen mit dem ganzen Koͤrper ei-
nen tiefen Reverenz. Der Geringere muß dem
Vornehmern bey jeder Gelegenheit deutliche
und ſichtbare Zeichen der Ehrerbietigkeit erwei-
ſen. Er muß, wenn er dieſen beſucht oder mit
ihm redet, ein Knie beugen, und in dieſer Stel-
lung ſo lange verbleiben, bis ihm der Vorneh-
me gerade zu ſtehen befielt. Eine gleiche Accu-
rateſſe beobachten ſie auch in Anſehung des
Ranges bey ihren Beſuchen. Sie durchweben
ihre Zuſammenkuͤnfte mit vielen Leibesbewe-
gan-
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