am fünf und zwanzigsten Tage des Monathes Zilkade. -- Sie halten alle Engel entwe- der für gute oder für böse. Die guten Engel, sagen sie, sind von geistiger Natur, und mit Leib und Seele versehen. Man nennet sie Me- lec, welches so viel heißt, als ein Gesandter, weil sie die Boten Gottes sind. Den Teufel halten sie für ein aus Feuer bestehendes Wesen.
Ueber die Erbsünde haben die Perser gleich- falls mancherley und sonderbare Meynungen; denn sie wollen es schlechterdings nicht zugeben, daß Adam jene schändliche Handlung verrichtet habe, die alle Nachfolger zu Sündern gemacht habe. Sie halten dieses nur bloß für eine Ab- weichung der Vollkommenheit: er habe das Bessere gelassen, und das weniger Beßre ge- than. -- Diese Meynung gründen sie dar- auf, weil sie glauben, daß Propheten nicht sündigen können. Nun aber sey Adam ein Prophet, also hätte er auch nicht sündi- gen können. -- Ich will hier anführen, wie die Perser das, was wir Adamssünde zu nennen pflegen, verstehen. "Gott schuf, sagen sie, den Adam, lange Zeit vor der Welt, im vierten Himmel, und erlaubte ihm, von allen Baumfrüchten des Paradieses, ohne Unter- schied, zu essen. Er erhielt aber dabey den Rath, daß er sich nur einzig und allein an die Baumfrüchte halten, und keine Hülsenfrüchte genießen sollte. Diese machten das Geblüt
dicke
am fuͤnf und zwanzigſten Tage des Monathes Zilkadé. — Sie halten alle Engel entwe- der fuͤr gute oder fuͤr boͤſe. Die guten Engel, ſagen ſie, ſind von geiſtiger Natur, und mit Leib und Seele verſehen. Man nennet ſie Me- lec, welches ſo viel heißt, als ein Geſandter, weil ſie die Boten Gottes ſind. Den Teufel halten ſie fuͤr ein aus Feuer beſtehendes Weſen.
Ueber die Erbſuͤnde haben die Perſer gleich- falls mancherley und ſonderbare Meynungen; denn ſie wollen es ſchlechterdings nicht zugeben, daß Adam jene ſchaͤndliche Handlung verrichtet habe, die alle Nachfolger zu Suͤndern gemacht habe. Sie halten dieſes nur bloß fuͤr eine Ab- weichung der Vollkommenheit: er habe das Beſſere gelaſſen, und das weniger Beßre ge- than. — Dieſe Meynung gruͤnden ſie dar- auf, weil ſie glauben, daß Propheten nicht ſuͤndigen koͤnnen. Nun aber ſey Adam ein Prophet, alſo haͤtte er auch nicht ſuͤndi- gen koͤnnen. — Ich will hier anfuͤhren, wie die Perſer das, was wir Adamsſuͤnde zu nennen pflegen, verſtehen. „Gott ſchuf, ſagen ſie, den Adam, lange Zeit vor der Welt, im vierten Himmel, und erlaubte ihm, von allen Baumfruͤchten des Paradieſes, ohne Unter- ſchied, zu eſſen. Er erhielt aber dabey den Rath, daß er ſich nur einzig und allein an die Baumfruͤchte halten, und keine Huͤlſenfruͤchte genießen ſollte. Dieſe machten das Gebluͤt
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am fuͤnf und zwanzigſten Tage des Monathes
Zilkadé. — Sie halten alle Engel entwe-
der fuͤr gute oder fuͤr boͤſe. Die guten Engel,
ſagen ſie, ſind von geiſtiger Natur, und mit
Leib und Seele verſehen. Man nennet ſie Me-
lec, welches ſo viel heißt, als ein Geſandter,
weil ſie die Boten Gottes ſind. Den Teufel
halten ſie fuͤr ein aus Feuer beſtehendes
Weſen.
Ueber die Erbſuͤnde haben die Perſer gleich-
falls mancherley und ſonderbare Meynungen;
denn ſie wollen es ſchlechterdings nicht zugeben,
daß Adam jene ſchaͤndliche Handlung verrichtet
habe, die alle Nachfolger zu Suͤndern gemacht
habe. Sie halten dieſes nur bloß fuͤr eine Ab-
weichung der Vollkommenheit: er habe das
Beſſere gelaſſen, und das weniger Beßre ge-
than. — Dieſe Meynung gruͤnden ſie dar-
auf, weil ſie glauben, daß Propheten nicht
ſuͤndigen koͤnnen. Nun aber ſey Adam ein
Prophet, alſo haͤtte er auch nicht ſuͤndi-
gen koͤnnen. — Ich will hier anfuͤhren,
wie die Perſer das, was wir Adamsſuͤnde zu
nennen pflegen, verſtehen. „Gott ſchuf, ſagen
ſie, den Adam, lange Zeit vor der Welt, im
vierten Himmel, und erlaubte ihm, von allen
Baumfruͤchten des Paradieſes, ohne Unter-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/200>, abgerufen am 24.11.2024.
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