schrieben und verloren gegangen sind. Das einzige Buch, was sie noch übrig haben, ist ein Gemisch von Fabeln und Erzählungen der Ju- den und Mohammedaner. Sie nennen es Divan, ein Name, den die Mohammedaner ihren moralischen Schriften vorzusetzen pfle- gen. Dieser Divan enthält den Innbegriff ihrer Lehre und Geheimnisse.
Die vornehmste Pflicht, welche ihnen ihre Religion vorschreibt, besteht in dem Opfer ei- ner Henne. Dem Priester *) allein kommt es zu, sie zu opfern. Er geht mit derselben an das Ufer eines Flusses, in völligem Priesteror- nat **) -- wäscht die Henne im Wasser ab, um sie zu reinigen, -- wendet sein Gesicht gegen Morgen -- schneidet derselben den Hals ab, und hält sie so lange in der Hand fest, bis sie gar nicht mehr blutet. Unter dieser Ver- richtung ruft der Priester zu verschiedenen ma- len aus: dieses Fleisch sey im Namen Got- tes für alle die rein, welche davon essen werden. -- Niemand als dem Priester allein ist es erlaubt, Hennen zu tödten: und wer
dieß
*) Sie nennen ihre Priester Cheik, ein arabischer Ausdruck, der so viel bedeutet, als ein Aelte- ster. Die Mohammedaner legen diesen Na- men auch einigen ihren Priestern bey.
**) Dieser besteht in einem weissen Hemde, nach Art eines Rocks zugeschnitten.
ſchrieben und verloren gegangen ſind. Das einzige Buch, was ſie noch uͤbrig haben, iſt ein Gemiſch von Fabeln und Erzaͤhlungen der Ju- den und Mohammedaner. Sie nennen es Divan, ein Name, den die Mohammedaner ihren moraliſchen Schriften vorzuſetzen pfle- gen. Dieſer Divan enthaͤlt den Innbegriff ihrer Lehre und Geheimniſſe.
Die vornehmſte Pflicht, welche ihnen ihre Religion vorſchreibt, beſteht in dem Opfer ei- ner Henne. Dem Prieſter *) allein kommt es zu, ſie zu opfern. Er geht mit derſelben an das Ufer eines Fluſſes, in voͤlligem Prieſteror- nat **) — waͤſcht die Henne im Waſſer ab, um ſie zu reinigen, — wendet ſein Geſicht gegen Morgen — ſchneidet derſelben den Hals ab, und haͤlt ſie ſo lange in der Hand feſt, bis ſie gar nicht mehr blutet. Unter dieſer Ver- richtung ruft der Prieſter zu verſchiedenen ma- len aus: dieſes Fleiſch ſey im Namen Got- tes fuͤr alle die rein, welche davon eſſen werden. — Niemand als dem Prieſter allein iſt es erlaubt, Hennen zu toͤdten: und wer
dieß
*) Sie nennen ihre Prieſter Cheik, ein arabiſcher Ausdruck, der ſo viel bedeutet, als ein Aelte- ſter. Die Mohammedaner legen dieſen Na- men auch einigen ihren Prieſtern bey.
**) Dieſer beſteht in einem weiſſen Hemde, nach Art eines Rocks zugeſchnitten.
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ſchrieben und verloren gegangen ſind. Das
einzige Buch, was ſie noch uͤbrig haben, iſt ein
Gemiſch von Fabeln und Erzaͤhlungen der Ju-
den und Mohammedaner. Sie nennen es
Divan, ein Name, den die Mohammedaner
ihren moraliſchen Schriften vorzuſetzen pfle-
gen. Dieſer Divan enthaͤlt den Innbegriff
ihrer Lehre und Geheimniſſe.
Die vornehmſte Pflicht, welche ihnen ihre
Religion vorſchreibt, beſteht in dem Opfer ei-
ner Henne. Dem Prieſter *) allein kommt es
zu, ſie zu opfern. Er geht mit derſelben an
das Ufer eines Fluſſes, in voͤlligem Prieſteror-
nat **) — waͤſcht die Henne im Waſſer ab,
um ſie zu reinigen, — wendet ſein Geſicht
gegen Morgen — ſchneidet derſelben den Hals
ab, und haͤlt ſie ſo lange in der Hand feſt,
bis ſie gar nicht mehr blutet. Unter dieſer Ver-
richtung ruft der Prieſter zu verſchiedenen ma-
len aus: dieſes Fleiſch ſey im Namen Got-
tes fuͤr alle die rein, welche davon eſſen
werden. — Niemand als dem Prieſter allein
iſt es erlaubt, Hennen zu toͤdten: und wer
dieß
*) Sie nennen ihre Prieſter Cheik, ein arabiſcher
Ausdruck, der ſo viel bedeutet, als ein Aelte-
ſter. Die Mohammedaner legen dieſen Na-
men auch einigen ihren Prieſtern bey.
**) Dieſer beſteht in einem weiſſen Hemde, nach
Art eines Rocks zugeſchnitten.
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/188>, abgerufen am 16.02.2025.
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