seyn, von wem es will. Eine zwiefache Ehe und die Ehescheidung *), wird, vermöge ihrer Re- ligion, nicht gestattet, und sie dürfen sich auch nicht mit Persern verheyrathen, wel- che ihrer Religion nicht zugethan sind.
Chardin hat bey diesem alten Volke kei- nen Gelehrten, sondern lauter Unwissende an- getroffen. Er sagt, daß die ganze Gelehr- samkeit ihrer Priester in einer geringen Kennt- niß der Astrologie, des Mohammedanismus und in einer sehr unvollkommnen Kenntniß ihrer eigenen Religion bestände, so daß sie von ihrem eigenen Glauben keinen Grund an- zugeben wüßten. -- Man muß sich auch hierüber nicht wundern, weil sie seit mehr denn tausend Jahren in der Unterdrückung und Niedrigkeit leben. Man sagt gemeinig- lich, daß sie ein berühmtes Buch hätten, wel- ches ihre Religion und ihre Geschichte in sich faßte und Zend Pasend Vosta hieße. Bis itzt aber hat noch niemand das Geringste von diesem vorgegebenen Werke sehen können. Und dieß ist denn auch die Ursache, daß wir keine ganz wahre und richtige Beschreibung von der Religion der alten Guebers haben.
Char-
*) Hierinn stimmen mehrere Reisebeschreiber über- ein. Allein, im Fall der Unfruchtbarkeit in den ersten neun Jahren ihrer Verheyrathung, kön- nen sie, neben der ersten, noch eine zweyte Frau nehmen.
ſeyn, von wem es will. Eine zwiefache Ehe und die Eheſcheidung *), wird, vermoͤge ihrer Re- ligion, nicht geſtattet, und ſie duͤrfen ſich auch nicht mit Perſern verheyrathen, wel- che ihrer Religion nicht zugethan ſind.
Chardin hat bey dieſem alten Volke kei- nen Gelehrten, ſondern lauter Unwiſſende an- getroffen. Er ſagt, daß die ganze Gelehr- ſamkeit ihrer Prieſter in einer geringen Kennt- niß der Aſtrologie, des Mohammedanismus und in einer ſehr unvollkommnen Kenntniß ihrer eigenen Religion beſtaͤnde, ſo daß ſie von ihrem eigenen Glauben keinen Grund an- zugeben wuͤßten. — Man muß ſich auch hieruͤber nicht wundern, weil ſie ſeit mehr denn tauſend Jahren in der Unterdruͤckung und Niedrigkeit leben. Man ſagt gemeinig- lich, daß ſie ein beruͤhmtes Buch haͤtten, wel- ches ihre Religion und ihre Geſchichte in ſich faßte und Zend Paſend Voſta hieße. Bis itzt aber hat noch niemand das Geringſte von dieſem vorgegebenen Werke ſehen koͤnnen. Und dieß iſt denn auch die Urſache, daß wir keine ganz wahre und richtige Beſchreibung von der Religion der alten Guebers haben.
Char-
*) Hierinn ſtimmen mehrere Reiſebeſchreiber uͤber- ein. Allein, im Fall der Unfruchtbarkeit in den erſten neun Jahren ihrer Verheyrathung, koͤn- nen ſie, neben der erſten, noch eine zweyte Frau nehmen.
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ſeyn, von wem es will. Eine zwiefache Ehe
und die Eheſcheidung *), wird, vermoͤge ihrer Re-
ligion, nicht geſtattet, und ſie duͤrfen ſich
auch nicht mit Perſern verheyrathen, wel-
che ihrer Religion nicht zugethan ſind.
Chardin hat bey dieſem alten Volke kei-
nen Gelehrten, ſondern lauter Unwiſſende an-
getroffen. Er ſagt, daß die ganze Gelehr-
ſamkeit ihrer Prieſter in einer geringen Kennt-
niß der Aſtrologie, des Mohammedanismus
und in einer ſehr unvollkommnen Kenntniß
ihrer eigenen Religion beſtaͤnde, ſo daß ſie
von ihrem eigenen Glauben keinen Grund an-
zugeben wuͤßten. — Man muß ſich auch
hieruͤber nicht wundern, weil ſie ſeit mehr
denn tauſend Jahren in der Unterdruͤckung
und Niedrigkeit leben. Man ſagt gemeinig-
lich, daß ſie ein beruͤhmtes Buch haͤtten, wel-
ches ihre Religion und ihre Geſchichte in ſich
faßte und Zend Paſend Voſta hieße. Bis
itzt aber hat noch niemand das Geringſte von
dieſem vorgegebenen Werke ſehen koͤnnen.
Und dieß iſt denn auch die Urſache, daß wir
keine ganz wahre und richtige Beſchreibung
von der Religion der alten Guebers haben.
Char-
*) Hierinn ſtimmen mehrere Reiſebeſchreiber uͤber-
ein. Allein, im Fall der Unfruchtbarkeit in den
erſten neun Jahren ihrer Verheyrathung, koͤn-
nen ſie, neben der erſten, noch eine zweyte Frau
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/176>, abgerufen am 16.02.2025.
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