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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] Teutsch, Myrtenbäumlein genennet
werden, und sind derer so vielerley Ge-
schlecht und Arten, als vielleicht Mei-
nungen der Scribenten davon zu finden.
Weil aber solchen Streit beyzulegen ich
viel zu unvermögend bin, als habe mir
vorgenommen, nur zwey Gattungen
derselben, welche auch zu Paris bekannt
sind und gebauet werden, zu beschreiben,
und zwar die eine unter dem Titel des
Männleins, die andere unter dem Na-
men des Weibleins. Das Männlein,
welches viel dicker und stärcker wird, als
das Weiblein, hat blaßgrüne, spitzige,
glatte, wohlriechende Blätter, die wohl
drey oder viermahl so groß sind, als des
Weibleins, welche dunckelgrüne, und
bald wie Buchsbaumblätter sehen, ohne
daß sie ein gut Theil kleiner sind, und fein
ordentlich beysammen wachsen. Bey-
derley Myrtenblumen sehen wie Rös-
gen, weiß und röthlicht, wachsen in glei-
cher Weite zwischen denen Blättern her-
vor. Sie tragen auch kleine Früchte,
welche unter die Beeren zu rechnen, und
anfangs grün sehen, hernach aber immer
schwärtzer werden, voll Saft und glatt
sind: inwendig stecken ein Hauffen kleine
Kerne, die wie halbe Monde mit ein-
warts gekehrten Spitzen gestaltet, dichte
und sehr harte sind, auch wie das gantze
Gewächse, anziehend schmecken. Sie
sind mit einer rundlichen Hülse umge-
ben, obschon die Frucht selbst länglicht
ist, indem sie gleichsam ein Krönlein oben
auf hat, welches, so lange die Beeren
noch auf dem Stamme stehen, gantz
wohl zu sehen ist; wenn sie aber an der
Sonne gedörret und runtzlicht worden,
alsdann kan man es fast gar nicht mehr
erkennen.

Damit ich sie aber desto genauer be-
schreiben möchte, mich aber bey demje-
nigen, was ich irgend selbst auf meinen
Reisen davon angemercket, nicht aufhal-
ten dürffte, deswegen befragte ich mich
mit unterschiedlichen Personen welche
ihrer Handlung halber zum öftern in
Languedoc und Provence zu reisen
haben, welche mir dann sämtlich eben
das, was ich bereits gemeldet, berichtet,
und dabey versichert haben, daß diese
Beeren, welche wir bekommen, meisten-
theils auf der kleinen Art, oder dem
Weiblein, wüchsen. Es sollen aber die-
selben an etlichen Orten in Provence
[Spaltenumbruch] und Languedoc von sich selbsten, unter
dem Rosmarin und Kermesbeerstauden,
wachsen: von dannen werden sie zu uns
gebracht. Allein, ich hätte gerne noch
bessere Nachricht davon gehabt, fragte
derowegen den Herrn Charras, Med.
Doct.
ebenmäßig darum, der mir dann
zu verstehen gab, wie er zwar viel rare
und seltsame Kräuter gesehen, als er vor
einigen Jahren in Spanien, und im
December von Cadix nach Madrit ge-
reiset wäre: doch da er durch Cremona,
Corduba
und Eßica über den könig-
lichen Weg fortgezogen, welcher eintzig
und allein nach Toledo führet, und über
das Gebirge Sierra morena gehet, das von
der braunen Farbe also benennet wird,
die man von ferne erblicket, und die dicken
Sträuche verursachen, vornehmlich das
Ladanum, welches überall aus den
Steinritzen herauswächst, und das gan-
tze Jahr über grüne bleibt; so habe er
unterwegens gantze Striche Landes, et-
liche Meilen lang, angetroffen, woselbst
nichts anders als Myrten, mehrentheils
Weiblein, von ziemlicher Höhe und Di-
cke, zu sehen gewesen, durchgehends grü-
ne, und mit weissen Blumen gantz bede-
cket, deren starcken und über die Maas
angenehmen Geruch er bereits von fer-
ne empfunden, sich auch daran viel Mei-
len weit ergötzet, obgleich das Jahr schon
fast zu Ende gelaufen: daher er zu glau-
ben veranlasset worden, daß die Beeren,
weil die Landschaft warm genug, ohn-
fehlbar auf die Blüte folgen müsten, und
dürffte einer, der sich nur die Mühe neh-
men und sie sammlen wolte, ihrer mehr
zusammen bringen, als gantz Franckreich
verbrauchen könte. Er vermeldete fer-
ner, daß ob er gleich unter diesen Myr-
ten-Weiblein ziemlich starcke Männlein
angetroffen, dennoch habe er im August-
monat, als er zwey Meilen von dem
Städtlein Rondodella, nicht gar zu
weit von dem Gallizischen Meere, hinge-
zogen, etliche Myrten, männliches Ge-
schlechts, gesehen, deren Stamm, als
ein ziemlich dicker Mann starck gewesen,
und die Aeste nach Proportion des Bau-
mes, gleichfalls lang und starck: die Hö-
he der Bäume sey drey bis vier Ellen, und
die Aeste dermassen starck und veste gewe-
sen, daß sie einen Mann tragen können
wie er dann selbst auf einen derselben aus
Neugierigkeit gestiegen. Allein, er habe

weder

Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] Teutſch, Myrtenbaͤumlein genennet
werden, und ſind derer ſo vielerley Ge-
ſchlecht und Arten, als vielleicht Mei-
nungen der Scribenten davon zu finden.
Weil aber ſolchen Streit beyzulegen ich
viel zu unvermoͤgend bin, als habe mir
vorgenommen, nur zwey Gattungen
derſelben, welche auch zu Paris bekannt
ſind und gebauet werden, zu beſchreiben,
und zwar die eine unter dem Titel des
Maͤnnleins, die andere unter dem Na-
men des Weibleins. Das Maͤnnlein,
welches viel dicker und ſtaͤrcker wird, als
das Weiblein, hat blaßgruͤne, ſpitzige,
glatte, wohlriechende Blaͤtter, die wohl
drey oder viermahl ſo groß ſind, als des
Weibleins, welche dunckelgruͤne, und
bald wie Buchsbaumblaͤtter ſehen, ohne
daß ſie ein gut Theil kleiner ſind, und fein
ordentlich beyſammen wachſen. Bey-
derley Myrtenblumen ſehen wie Roͤs-
gen, weiß und roͤthlicht, wachſen in glei-
cher Weite zwiſchen denen Blaͤttern her-
vor. Sie tragen auch kleine Fruͤchte,
welche unter die Beeren zu rechnen, und
anfangs gruͤn ſehen, hernach aber immer
ſchwaͤrtzer werden, voll Saft und glatt
ſind: inwendig ſtecken ein Hauffen kleine
Kerne, die wie halbe Monde mit ein-
warts gekehrten Spitzen geſtaltet, dichte
und ſehr harte ſind, auch wie das gantze
Gewaͤchſe, anziehend ſchmecken. Sie
ſind mit einer rundlichen Huͤlſe umge-
ben, obſchon die Frucht ſelbſt laͤnglicht
iſt, indem ſie gleichſam ein Kroͤnlein oben
auf hat, welches, ſo lange die Beeren
noch auf dem Stamme ſtehen, gantz
wohl zu ſehen iſt; wenn ſie aber an der
Sonne gedoͤrret und runtzlicht worden,
alsdann kan man es faſt gar nicht mehr
erkennen.

Damit ich ſie aber deſto genauer be-
ſchreiben moͤchte, mich aber bey demje-
nigen, was ich irgend ſelbſt auf meinen
Reiſen davon angemercket, nicht aufhal-
ten duͤrffte, deswegen befragte ich mich
mit unterſchiedlichen Perſonen welche
ihrer Handlung halber zum oͤftern in
Languedoc und Provence zu reiſen
haben, welche mir dann ſaͤmtlich eben
das, was ich bereits gemeldet, berichtet,
und dabey verſichert haben, daß dieſe
Beeren, welche wir bekommen, meiſten-
theils auf der kleinen Art, oder dem
Weiblein, wuͤchſen. Es ſollen aber die-
ſelben an etlichen Orten in Provence
[Spaltenumbruch] und Languedoc von ſich ſelbſten, unter
dem Rosmarin und Kermesbeerſtauden,
wachſen: von dannen werden ſie zu uns
gebracht. Allein, ich haͤtte gerne noch
beſſere Nachricht davon gehabt, fragte
derowegen den Herrn Charras, Med.
Doct.
ebenmaͤßig darum, der mir dann
zu verſtehen gab, wie er zwar viel rare
und ſeltſame Kraͤuter geſehen, als er vor
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reiſet waͤre: doch da er durch Cremona,
Corduba
und Eßica uͤber den koͤnig-
lichen Weg fortgezogen, welcher eintzig
und allein nach Toledo fuͤhret, und uͤber
das Gebirge Sierra morena gehet, das von
der braunen Farbe alſo benennet wird,
die man von ferne erblicket, und die dicken
Straͤuche verurſachen, vornehmlich das
Ladanum, welches uͤberall aus den
Steinritzen herauswaͤchſt, und das gan-
tze Jahr uͤber gruͤne bleibt; ſo habe er
unterwegens gantze Striche Landes, et-
liche Meilen lang, angetroffen, woſelbſt
nichts andeꝛs als Myrten, mehrentheils
Weiblein, von ziemlicher Hoͤhe und Di-
cke, zu ſehen geweſen, durchgehends gruͤ-
ne, und mit weiſſen Blumen gantz bede-
cket, deren ſtarcken und uͤber die Maas
angenehmen Geruch er bereits von fer-
ne empfunden, ſich auch daran viel Mei-
len weit ergoͤtzet, obgleich das Jahr ſchon
faſt zu Ende gelaufen: daher er zu glau-
ben veranlaſſet worden, daß die Beeren,
weil die Landſchaft warm genug, ohn-
fehlbar auf die Bluͤte folgen muͤſten, und
duͤrffte einer, der ſich nur die Muͤhe neh-
men und ſie ſammlen wolte, ihrer mehr
zuſammen bringen, als gantz Franckreich
verbrauchen koͤnte. Er vermeldete fer-
ner, daß ob er gleich unter dieſen Myr-
ten-Weiblein ziemlich ſtarcke Maͤnnlein
angetroffen, dennoch habe er im Auguſt-
monat, als er zwey Meilen von dem
Staͤdtlein Rondodella, nicht gar zu
weit von dem Galliziſchen Meere, hinge-
zogen, etliche Myrten, maͤnnliches Ge-
ſchlechts, geſehen, deren Stamm, als
ein ziemlich dicker Mann ſtarck geweſen,
und die Aeſte nach Proportion des Bau-
mes, gleichfalls lang und ſtarck: die Hoͤ-
he der Baͤume ſey drey bis vier Ellen, und
die Aeſte dermaſſen ſtarck und veſte gewe-
ſen, daß ſie einen Mann tragen koͤnnen
wie er dann ſelbſt auf einen derſelben aus
Neugierigkeit geſtiegen. Allein, er habe

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/46>, abgerufen am 21.11.2024.