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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Hauptbeschreibung zweyter Theil.
[Spaltenumbruch] Bisams gar zu wunderlich geschienen,
als erachtete ich dienlich zu seyn, das-
jenige hieher zu setzen, was Tavernier
im II. Buche seiner Jndianischen Reise-
beschreibung davon vermeldet, damit
hernach der Leser diejenige Partey er-
wehlen möchte, welche ihm am anstän-
digsten.

Der beste und meiste Bisam kommt
aus dem Königreiche Boutan, von
dannen wird er nach Patua, der
Hauptftadt in Bengalen gebracht, und
an die Einwohner desselben Landes ver-
kauffet. Aller Bisam, der nach Per-
sien
verhandelt wird, kommt daher,
und alle Bisamhändler sehen lieber, daß
ihr ihnen Agtstein und Corallen dafür
gebet, als wenn ihr ihnen Gold oder
Silber bringet, denn sie halten jene
zwey Dinge überaus hoch.

Wann nun das Thier getödtet ist,
schneiden sie ihm die Blatter aus, wel-
che unten an dem Bauche in der Grös-
se eines Eyes zu sehen, und näher an den
Geburtsgliedern, weder an dem Na-
bel liegt. Drauf ziehen sie den darin-
ne befindlichen Bisam heraus, welcher
dazumahl als wie gelieffert Blut siehet.
Wenn ihn die Bauern verfälschen wol-
len, thun sie die Leber und das Blut,
untereinander gehacket, an statt des Bi-
sams, den sie heraus genommen, da-
hinein. Diese Vermischung zeuget,
binnen zwey oder drey Jahren, eine ge-
wisse Art kleiner Thierlein in den Blat-
tern, welche den guten Bisam verzeh-
ren, so daß, wann sie eröffnet worden,
grosser Abgang daran verspüret wird.
Andere hingegen, wenn sie die Blasen
geöffnet, und soviel Bisam, als sie nur
können, heraus genommen haben, oh-
ne daß man es so gar sonderlich mercken
könne, thun an dessen statt kleine Stück-
lein Bley hinein, damit er desto schwe-
rer wäge. Doch vertragen die Kauff-
leute, die ihn kauffen, und in fremde
Lande führen, diesen Betrug lieber, als
den andern, weil keine solche Thierlein
darinne wachsen. Noch viel schwer-
licher aber ist der Betrug zu entdecken,
wenn sie aus dem Felle des Thieres klei-
ne Beutel machen, die sie mit Fäden
oder Riemlein von derselben Haut
überaus geschicklich zu nähen wissen,
und den wahrhaften Blasen gantz und
[Spaltenumbruch] gar gleich sehen. Denn diese Beutel
füllen sie mit dem, was sie aus den
rechten Blattern gezogen, und der be-
trüglichen Vermischung, die sie noch da-
zu thun wollen, an, welches dann die
Kauffleute schwerlich erkennen mögen.
Es ist gewiß, daß, wenn sie die Blat-
tern, so bald sie dieselben hinwegge-
schnitten, zubänden, und ihm also kei-
ne Luft gäben, oder dem Geruche nicht
Raum liessen etwas von seiner Kraft
zu verliehren, und nichts davon verflö-
ge, indessen sie davon nehmen, was sie
wollen, so würde es geschehen, daß das
Blut darnach gienge, wenn jemand
diese Blattern vor die Nase hielte, die-
weil der Geruch über die massen heftig
ist, welcher nothwendig temperiret und
gemäßiget werden muß, so fern er an-
genehme werden, und dem Gehirn
nichts schaden soll. Der Geruch des Thie-
res, das ich mit nach Paris gebracht, war
dermassen starck, daß ich es unmöglich in
den Gemächern behalten konte, denn er
stieg jederman in den Kopf, so daß ich
es in die Niederlage muste hencken las-
sen, allwo endlich meine Leute die Bla-
se herabgeschnitten; dem ungeachtet
behielte doch das Fell stets etwas vom
Geruch. Dieses Thier wird nicht eher,
als ohngefähr um den 56sten Grad ge-
funden, unter dem 60sten aber hat es
ihrer eine grosse Menge, indem das
Land voll Waldung ist. Auch ist es ge-
wiß, daß diese Thiere im Hornung und
Mertz; nachdem sie in dem Lande, wo-
selbst sie sich aufhalten, wegen des
Schnees, der allda häuffig und zu zehen
bis zwölff Schuh tieff fällt, grossen
Hunger erlitten; von der Mittagssei-
te bis auf 44. und 45. Grad herab kom-
men, das Getreide und den jungen Reiß
abzufressen: und zu dieser Zeit warten
ihnen die Bauern auf dem Wege auf,
legen ihnen Schleiffen, und tödten sie mit
Pfeilen und Prügeln. Es haben mich
etliche von ihnen versichert, daß sie so
mager, und für Hunger, den sie erlit-
ten, so kraftlos wären, daß sich ihrer
viele im lauffen fangen liessen. Es
muß aber eine recht entsetzliche Menge
dieser Thiere geben, indem ein iedes
nur eine Blatter hat, darunter die dick-
ste nicht grösser ist denn ein Hünerey,
auch nicht mehr denn ein Loth Bisam

geben
H h

Hauptbeſchreibung zweyter Theil.
[Spaltenumbruch] Biſams gar zu wunderlich geſchienen,
als erachtete ich dienlich zu ſeyn, das-
jenige hieher zu ſetzen, was Tavernier
im II. Buche ſeiner Jndianiſchen Reiſe-
beſchreibung davon vermeldet, damit
hernach der Leſer diejenige Partey er-
wehlen moͤchte, welche ihm am anſtaͤn-
digſten.

Der beſte und meiſte Biſam kommt
aus dem Koͤnigreiche Boutan, von
dannen wird er nach Patua, der
Hauptftadt in Bengalen gebracht, und
an die Einwohner deſſelben Landes ver-
kauffet. Aller Biſam, der nach Per-
ſien
verhandelt wird, kommt daher,
und alle Biſamhaͤndler ſehen lieber, daß
ihr ihnen Agtſtein und Corallen dafuͤr
gebet, als wenn ihr ihnen Gold oder
Silber bringet, denn ſie halten jene
zwey Dinge uͤberaus hoch.

Wann nun das Thier getoͤdtet iſt,
ſchneiden ſie ihm die Blatter aus, wel-
che unten an dem Bauche in der Groͤſ-
ſe eines Eyes zu ſehen, und naͤher an den
Geburtsgliedern, weder an dem Na-
bel liegt. Drauf ziehen ſie den darin-
ne befindlichen Biſam heraus, welcher
dazumahl als wie gelieffert Blut ſiehet.
Wenn ihn die Bauern verfaͤlſchen wol-
len, thun ſie die Leber und das Blut,
untereinander gehacket, an ſtatt des Bi-
ſams, den ſie heraus genommen, da-
hinein. Dieſe Vermiſchung zeuget,
binnen zwey oder drey Jahren, eine ge-
wiſſe Art kleiner Thierlein in den Blat-
tern, welche den guten Biſam verzeh-
ren, ſo daß, wann ſie eroͤffnet worden,
groſſer Abgang daran verſpuͤret wird.
Andere hingegen, wenn ſie die Blaſen
geoͤffnet, und ſoviel Biſam, als ſie nur
koͤnnen, heraus genommen haben, oh-
ne daß man es ſo gar ſonderlich mercken
koͤnne, thun an deſſen ſtatt kleine Stuͤck-
lein Bley hinein, damit er deſto ſchwe-
rer waͤge. Doch vertragen die Kauff-
leute, die ihn kauffen, und in fremde
Lande fuͤhren, dieſen Betrug lieber, als
den andern, weil keine ſolche Thierlein
darinne wachſen. Noch viel ſchwer-
licher aber iſt der Betrug zu entdecken,
wenn ſie aus dem Felle des Thieres klei-
ne Beutel machen, die ſie mit Faͤden
oder Riemlein von derſelben Haut
uͤberaus geſchicklich zu naͤhen wiſſen,
und den wahrhaften Blaſen gantz und
[Spaltenumbruch] gar gleich ſehen. Denn dieſe Beutel
fuͤllen ſie mit dem, was ſie aus den
rechten Blattern gezogen, und der be-
truͤglichen Vermiſchung, die ſie noch da-
zu thun wollen, an, welches dann die
Kauffleute ſchwerlich erkennen moͤgen.
Es iſt gewiß, daß, wenn ſie die Blat-
tern, ſo bald ſie dieſelben hinwegge-
ſchnitten, zubaͤnden, und ihm alſo kei-
ne Luft gaͤben, oder dem Geruche nicht
Raum lieſſen etwas von ſeiner Kraft
zu verliehren, und nichts davon verfloͤ-
ge, indeſſen ſie davon nehmen, was ſie
wollen, ſo wuͤrde es geſchehen, daß das
Blut darnach gienge, wenn jemand
dieſe Blattern vor die Naſe hielte, die-
weil der Geruch uͤber die maſſen heftig
iſt, welcher nothwendig temperiret und
gemaͤßiget werden muß, ſo fern er an-
genehme werden, und dem Gehirn
nichts ſchaden ſoll. Der Geꝛuch des Thie-
res, das ich mit nach Paꝛis gebꝛacht, waꝛ
dermaſſen ſtarck, daß ich es unmoͤglich in
den Gemaͤchern behalten konte, denn er
ſtieg jederman in den Kopf, ſo daß ich
es in die Niederlage muſte hencken laſ-
ſen, allwo endlich meine Leute die Bla-
ſe herabgeſchnitten; dem ungeachtet
behielte doch das Fell ſtets etwas vom
Geruch. Dieſes Thier wird nicht eher,
als ohngefaͤhr um den 56ſten Grad ge-
funden, unter dem 60ſten aber hat es
ihrer eine groſſe Menge, indem das
Land voll Waldung iſt. Auch iſt es ge-
wiß, daß dieſe Thiere im Hornung und
Mertz; nachdem ſie in dem Lande, wo-
ſelbſt ſie ſich aufhalten, wegen des
Schnees, der allda haͤuffig und zu zehen
bis zwoͤlff Schuh tieff faͤllt, groſſen
Hunger erlitten; von der Mittagsſei-
te bis auf 44. und 45. Grad herab kom-
men, das Getreide und den jungen Reiß
abzufreſſen: und zu dieſer Zeit warten
ihnen die Bauern auf dem Wege auf,
legen ihnen Schleiffen, uñ toͤdten ſie mit
Pfeilen und Pruͤgeln. Es haben mich
etliche von ihnen verſichert, daß ſie ſo
mager, und fuͤr Hunger, den ſie erlit-
ten, ſo kraftlos waͤren, daß ſich ihrer
viele im lauffen fangen lieſſen. Es
muß aber eine recht entſetzliche Menge
dieſer Thiere geben, indem ein iedes
nur eine Blatter hat, darunter die dick-
ſte nicht groͤſſer iſt denn ein Huͤnerey,
auch nicht mehr denn ein Loth Biſam

geben
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[0369] Hauptbeſchreibung zweyter Theil. Biſams gar zu wunderlich geſchienen, als erachtete ich dienlich zu ſeyn, das- jenige hieher zu ſetzen, was Tavernier im II. Buche ſeiner Jndianiſchen Reiſe- beſchreibung davon vermeldet, damit hernach der Leſer diejenige Partey er- wehlen moͤchte, welche ihm am anſtaͤn- digſten. Der beſte und meiſte Biſam kommt aus dem Koͤnigreiche Boutan, von dannen wird er nach Patua, der Hauptftadt in Bengalen gebracht, und an die Einwohner deſſelben Landes ver- kauffet. Aller Biſam, der nach Per- ſien verhandelt wird, kommt daher, und alle Biſamhaͤndler ſehen lieber, daß ihr ihnen Agtſtein und Corallen dafuͤr gebet, als wenn ihr ihnen Gold oder Silber bringet, denn ſie halten jene zwey Dinge uͤberaus hoch. Wann nun das Thier getoͤdtet iſt, ſchneiden ſie ihm die Blatter aus, wel- che unten an dem Bauche in der Groͤſ- ſe eines Eyes zu ſehen, und naͤher an den Geburtsgliedern, weder an dem Na- bel liegt. Drauf ziehen ſie den darin- ne befindlichen Biſam heraus, welcher dazumahl als wie gelieffert Blut ſiehet. Wenn ihn die Bauern verfaͤlſchen wol- len, thun ſie die Leber und das Blut, untereinander gehacket, an ſtatt des Bi- ſams, den ſie heraus genommen, da- hinein. Dieſe Vermiſchung zeuget, binnen zwey oder drey Jahren, eine ge- wiſſe Art kleiner Thierlein in den Blat- tern, welche den guten Biſam verzeh- ren, ſo daß, wann ſie eroͤffnet worden, groſſer Abgang daran verſpuͤret wird. Andere hingegen, wenn ſie die Blaſen geoͤffnet, und ſoviel Biſam, als ſie nur koͤnnen, heraus genommen haben, oh- ne daß man es ſo gar ſonderlich mercken koͤnne, thun an deſſen ſtatt kleine Stuͤck- lein Bley hinein, damit er deſto ſchwe- rer waͤge. Doch vertragen die Kauff- leute, die ihn kauffen, und in fremde Lande fuͤhren, dieſen Betrug lieber, als den andern, weil keine ſolche Thierlein darinne wachſen. Noch viel ſchwer- licher aber iſt der Betrug zu entdecken, wenn ſie aus dem Felle des Thieres klei- ne Beutel machen, die ſie mit Faͤden oder Riemlein von derſelben Haut uͤberaus geſchicklich zu naͤhen wiſſen, und den wahrhaften Blaſen gantz und gar gleich ſehen. Denn dieſe Beutel fuͤllen ſie mit dem, was ſie aus den rechten Blattern gezogen, und der be- truͤglichen Vermiſchung, die ſie noch da- zu thun wollen, an, welches dann die Kauffleute ſchwerlich erkennen moͤgen. Es iſt gewiß, daß, wenn ſie die Blat- tern, ſo bald ſie dieſelben hinwegge- ſchnitten, zubaͤnden, und ihm alſo kei- ne Luft gaͤben, oder dem Geruche nicht Raum lieſſen etwas von ſeiner Kraft zu verliehren, und nichts davon verfloͤ- ge, indeſſen ſie davon nehmen, was ſie wollen, ſo wuͤrde es geſchehen, daß das Blut darnach gienge, wenn jemand dieſe Blattern vor die Naſe hielte, die- weil der Geruch uͤber die maſſen heftig iſt, welcher nothwendig temperiret und gemaͤßiget werden muß, ſo fern er an- genehme werden, und dem Gehirn nichts ſchaden ſoll. Der Geꝛuch des Thie- res, das ich mit nach Paꝛis gebꝛacht, waꝛ dermaſſen ſtarck, daß ich es unmoͤglich in den Gemaͤchern behalten konte, denn er ſtieg jederman in den Kopf, ſo daß ich es in die Niederlage muſte hencken laſ- ſen, allwo endlich meine Leute die Bla- ſe herabgeſchnitten; dem ungeachtet behielte doch das Fell ſtets etwas vom Geruch. Dieſes Thier wird nicht eher, als ohngefaͤhr um den 56ſten Grad ge- funden, unter dem 60ſten aber hat es ihrer eine groſſe Menge, indem das Land voll Waldung iſt. Auch iſt es ge- wiß, daß dieſe Thiere im Hornung und Mertz; nachdem ſie in dem Lande, wo- ſelbſt ſie ſich aufhalten, wegen des Schnees, der allda haͤuffig und zu zehen bis zwoͤlff Schuh tieff faͤllt, groſſen Hunger erlitten; von der Mittagsſei- te bis auf 44. und 45. Grad herab kom- men, das Getreide und den jungen Reiß abzufreſſen: und zu dieſer Zeit warten ihnen die Bauern auf dem Wege auf, legen ihnen Schleiffen, uñ toͤdten ſie mit Pfeilen und Pruͤgeln. Es haben mich etliche von ihnen verſichert, daß ſie ſo mager, und fuͤr Hunger, den ſie erlit- ten, ſo kraftlos waͤren, daß ſich ihrer viele im lauffen fangen lieſſen. Es muß aber eine recht entſetzliche Menge dieſer Thiere geben, indem ein iedes nur eine Blatter hat, darunter die dick- ſte nicht groͤſſer iſt denn ein Huͤnerey, auch nicht mehr denn ein Loth Biſam geben H h

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/369>, abgerufen am 22.11.2024.