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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Hauptbeschreibung zweyter Theil.
[Spaltenumbruch] Namen führet. Diesem schreibt man
gar unvergleichliche Kräfte zu, und
eben deswegen ist er vor diesem über-
aus hoch gehalten, auch sehr theuer ver-
kaufft worden. Wie dann noch heut
zu Tage derjenige, welcher recht orien-
tal, und wie er soll, beschaffen ist, gleich-
falls gar theuer ist, theils, weil es Mü-
he setzet, einen natürlichen anzutreffen,
seit dem ein und andere Person hinter
die Kunst gerathen, wie er nachzuma-
chen; als auch, weil diese Thiere nicht
eben gar zu viel Steine bringen, und
es ihrer sehr viel giebt, die gar keine ha-
ben. Zu dem, so kommt er weit her,
und muß schweren Zoll geben, daß er
noch eins so hoch würde zu stehen kom-
men, wenn ihn die Morgenländer nicht
auch wie andere feine Waaren, z. E.
Mosch, und dergleichen, unerkannt
durchzubringen, oder sich mit den Zoll-
bedienten zu verstehen wüsten. Wegen
seiner Natur, Gestalt, und dem eigent-
lichen Kennzeichen seiner Güte ist man
eben so wenig, als wegen anderer Spe-
zereyen einig.

Tavernier vermeldet im II. Theil
seiner Reisebeschreibung nach folgendes
vom Bezoar.

Der Bezoar kommt aus einer
Landschafft des Königreichs Golcon-
da,
gegen Nordosten gelegen, und fin-
det sich unter dem Miste in dem Leibe
der Ziegen, welche ein gewisses Kraut
zu fressen pflegen, dessen Namen ich
aber vergessen. Dieses Kraut treibt
kleine Knospen, um welche, wie auch
um die Spitzen der Zweige, sich der
Bezoar in dem Bauche der Ziegen an-
legt, und die Gestalt der Knospen und
Spitzen der Zweige annimmt, daher es
auch kommt, daß so viel und unter-
schiedene Figuren darunter gefunden
werden. Wenn die Bauern den Zie-
gen die Bäuche befühlen, wissen sie,
wie viel dieselben Steine bey sich ha-
ben, und verkauffen sie alsdann, nach-
dem derer viel sind. Damit sie es aber
erfahren mögen, stecken sie beyde Hän-
de den Ziegen unter den Bauch, klopfen
an den Wanst, der Länge nach zu bey-
den Seiten, damit sich dergestalt alles in
die Mitte des Bauches zusammen be-
gebe, so dann können sie gewiß zehlen
[Spaltenumbruch] und fühlen, wie viel der Steine drinne
sind.

Die Rarität des Bezoars bestehet
in der Grösse, obgleich der kleine nicht
geringere Kräfte hat, denn der dicke.
Man wird auch oftmahls in diesem
Stücke betrogen, indem es Leute giebt,
die den Bezoar mit einem Teige, aus
Gummi und einer andern, dem Bezoar
an der Farbe gantz und gar gleichen
Materie gemacht, zu vergrössern wis-
sen, Diesen Betrug aber kan man vor-
nehmlich auf zweyerley Weise erken-
nen. Fürs erste, muß man den Bezoar
wägen, und eine zeitlang in laulichtem
Wasser weichen lassen: ändert nun das
Wasser seine Farbe nicht im geringsten,
und der Bezoar verliehrt auch nichts
von seinem Gewichte, so ist er unver-
fälscht. Der andere Weg ist dieser, man
hält ein spitzig und glühendes Eisen an
den Bezoar; wenn das Eisen drein
gehet und ihn braun machet, dann ist
es ein Zeichen, daß er vermischet wor-
den, und nicht natürlich sey. Ubrigens,
ie grösser der Bezoar/ ie theurer ist er,
und steiget nach Proportion, gleichwie
die Diamanten. Denn, wenn fünff
oder sechs Bezoarsteine eine Untze wä-
gen, wird dieselbe fünff bis sechs Thaler
gelten, ist es aber ein Bezoarstein von
einer Untzen, dürffte er wohl hundert
Francken, oder etliche und dreyßig Tha-
ler gelten. Jch habe einen von 41/4 Untz
bis für 2000. Pfund verkaufft.

Auch war ich begierig, mich von alle
dem, was von dem Bezoar zu wissen
stehet, vollkommen unterrichten zu
lassen, und hatte allbereit unterschiede-
ne Reisen nach Golconda gethan,
denn allda wird er am meisten verhan-
delt, kunte aber nicht erfahren, in wel-
chem Theil des Leibes die Ziegen den
Stein stecken hätten. Allein auf mei-
ner fünfften Reise wurden mir einige
Particulirpersonen, die bey der Engli-
schen und Holländischen Compagnie in
Diensten stunden, und für sich nicht
handeln durfften, verbunden, weil ich
zu wege brachte, daß sie für ohngefehr
6000. Rupien Bezoar verkauffen kun-
ten. Diese Leute wolten mir ihre Er-
kenntlichkeit bezeugen, und eine Ver-
ehrung thun, welche ich aber ausschlu-
ge, und zu ihnen sagte, wie daß ich nie-

mahls
G g 3

Hauptbeſchreibung zweyter Theil.
[Spaltenumbruch] Namen fuͤhret. Dieſem ſchreibt man
gar unvergleichliche Kraͤfte zu, und
eben deswegen iſt er vor dieſem uͤber-
aus hoch gehalten, auch ſehr theuer ver-
kaufft worden. Wie dann noch heut
zu Tage derjenige, welcher recht orien-
tal, und wie er ſoll, beſchaffen iſt, gleich-
falls gar theuer iſt, theils, weil es Muͤ-
he ſetzet, einen natuͤrlichen anzutreffen,
ſeit dem ein und andere Perſon hinter
die Kunſt gerathen, wie er nachzuma-
chen; als auch, weil dieſe Thiere nicht
eben gar zu viel Steine bringen, und
es ihrer ſehr viel giebt, die gar keine ha-
ben. Zu dem, ſo kommt er weit her,
und muß ſchweren Zoll geben, daß er
noch eins ſo hoch wuͤrde zu ſtehen kom-
men, wenn ihn die Morgenlaͤnder nicht
auch wie andere feine Waaren, z. E.
Moſch, und dergleichen, unerkannt
durchzubringen, oder ſich mit den Zoll-
bedienten zu verſtehen wuͤſten. Wegen
ſeiner Natur, Geſtalt, und dem eigent-
lichen Kennzeichen ſeiner Guͤte iſt man
eben ſo wenig, als wegen anderer Spe-
zereyen einig.

Tavernier vermeldet im II. Theil
ſeiner Reiſebeſchreibung nach folgendes
vom Bezoar.

Der Bezoar kommt aus einer
Landſchafft des Koͤnigreichs Golcon-
da,
gegen Nordoſten gelegen, und fin-
det ſich unter dem Miſte in dem Leibe
der Ziegen, welche ein gewiſſes Kraut
zu freſſen pflegen, deſſen Namen ich
aber vergeſſen. Dieſes Kraut treibt
kleine Knoſpen, um welche, wie auch
um die Spitzen der Zweige, ſich der
Bezoar in dem Bauche der Ziegen an-
legt, und die Geſtalt der Knoſpen und
Spitzen der Zweige annimmt, daher es
auch kommt, daß ſo viel und unter-
ſchiedene Figuren darunter gefunden
werden. Wenn die Bauern den Zie-
gen die Baͤuche befuͤhlen, wiſſen ſie,
wie viel dieſelben Steine bey ſich ha-
ben, und verkauffen ſie alsdann, nach-
dem derer viel ſind. Damit ſie es aber
erfahren moͤgen, ſtecken ſie beyde Haͤn-
de den Ziegen unter den Bauch, klopfen
an den Wanſt, der Laͤnge nach zu bey-
den Seiten, damit ſich dergeſtalt alles in
die Mitte des Bauches zuſammen be-
gebe, ſo dann koͤnnen ſie gewiß zehlen
[Spaltenumbruch] und fuͤhlen, wie viel der Steine drinne
ſind.

Die Raritaͤt des Bezoars beſtehet
in der Groͤſſe, obgleich der kleine nicht
geringere Kraͤfte hat, denn der dicke.
Man wird auch oftmahls in dieſem
Stuͤcke betrogen, indem es Leute giebt,
die den Bezoar mit einem Teige, aus
Gummi und einer andern, dem Bezoar
an der Farbe gantz und gar gleichen
Materie gemacht, zu vergroͤſſern wiſ-
ſen, Dieſen Betrug aber kan man vor-
nehmlich auf zweyerley Weiſe erken-
nen. Fuͤrs erſte, muß man den Bezoar
waͤgen, und eine zeitlang in laulichtem
Waſſer weichen laſſen: aͤndert nun das
Waſſer ſeine Farbe nicht im geringſten,
und der Bezoar verliehrt auch nichts
von ſeinem Gewichte, ſo iſt er unver-
faͤlſcht. Der andere Weg iſt dieſer, man
haͤlt ein ſpitzig und gluͤhendes Eiſen an
den Bezoar; wenn das Eiſen drein
gehet und ihn braun machet, dann iſt
es ein Zeichen, daß er vermiſchet wor-
den, und nicht natuͤrlich ſey. Ubrigens,
ie groͤſſer der Bezoar/ ie theurer iſt er,
und ſteiget nach Proportion, gleichwie
die Diamanten. Denn, wenn fuͤnff
oder ſechs Bezoarſteine eine Untze waͤ-
gen, wird dieſelbe fuͤnff bis ſechs Thaler
gelten, iſt es aber ein Bezoarſtein von
einer Untzen, duͤrffte er wohl hundert
Francken, oder etliche und dreyßig Tha-
ler gelten. Jch habe einen von 4¼ Untz
bis fuͤr 2000. Pfund verkaufft.

Auch war ich begierig, mich von alle
dem, was von dem Bezoar zu wiſſen
ſtehet, vollkommen unterrichten zu
laſſen, und hatte allbereit unterſchiede-
ne Reiſen nach Golconda gethan,
denn allda wird er am meiſten verhan-
delt, kunte aber nicht erfahren, in wel-
chem Theil des Leibes die Ziegen den
Stein ſtecken haͤtten. Allein auf mei-
ner fuͤnfften Reiſe wurden mir einige
Particulirperſonen, die bey der Engli-
ſchen und Hollaͤndiſchen Compagnie in
Dienſten ſtunden, und fuͤr ſich nicht
handeln durfften, verbunden, weil ich
zu wege brachte, daß ſie fuͤr ohngefehr
6000. Rupien Bezoar verkauffen kun-
ten. Dieſe Leute wolten mir ihre Er-
kenntlichkeit bezeugen, und eine Ver-
ehrung thun, welche ich aber ausſchlu-
ge, und zu ihnen ſagte, wie daß ich nie-

mahls
G g 3
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[0365] Hauptbeſchreibung zweyter Theil. Namen fuͤhret. Dieſem ſchreibt man gar unvergleichliche Kraͤfte zu, und eben deswegen iſt er vor dieſem uͤber- aus hoch gehalten, auch ſehr theuer ver- kaufft worden. Wie dann noch heut zu Tage derjenige, welcher recht orien- tal, und wie er ſoll, beſchaffen iſt, gleich- falls gar theuer iſt, theils, weil es Muͤ- he ſetzet, einen natuͤrlichen anzutreffen, ſeit dem ein und andere Perſon hinter die Kunſt gerathen, wie er nachzuma- chen; als auch, weil dieſe Thiere nicht eben gar zu viel Steine bringen, und es ihrer ſehr viel giebt, die gar keine ha- ben. Zu dem, ſo kommt er weit her, und muß ſchweren Zoll geben, daß er noch eins ſo hoch wuͤrde zu ſtehen kom- men, wenn ihn die Morgenlaͤnder nicht auch wie andere feine Waaren, z. E. Moſch, und dergleichen, unerkannt durchzubringen, oder ſich mit den Zoll- bedienten zu verſtehen wuͤſten. Wegen ſeiner Natur, Geſtalt, und dem eigent- lichen Kennzeichen ſeiner Guͤte iſt man eben ſo wenig, als wegen anderer Spe- zereyen einig. Tavernier vermeldet im II. Theil ſeiner Reiſebeſchreibung nach folgendes vom Bezoar. Der Bezoar kommt aus einer Landſchafft des Koͤnigreichs Golcon- da, gegen Nordoſten gelegen, und fin- det ſich unter dem Miſte in dem Leibe der Ziegen, welche ein gewiſſes Kraut zu freſſen pflegen, deſſen Namen ich aber vergeſſen. Dieſes Kraut treibt kleine Knoſpen, um welche, wie auch um die Spitzen der Zweige, ſich der Bezoar in dem Bauche der Ziegen an- legt, und die Geſtalt der Knoſpen und Spitzen der Zweige annimmt, daher es auch kommt, daß ſo viel und unter- ſchiedene Figuren darunter gefunden werden. Wenn die Bauern den Zie- gen die Baͤuche befuͤhlen, wiſſen ſie, wie viel dieſelben Steine bey ſich ha- ben, und verkauffen ſie alsdann, nach- dem derer viel ſind. Damit ſie es aber erfahren moͤgen, ſtecken ſie beyde Haͤn- de den Ziegen unter den Bauch, klopfen an den Wanſt, der Laͤnge nach zu bey- den Seiten, damit ſich dergeſtalt alles in die Mitte des Bauches zuſammen be- gebe, ſo dann koͤnnen ſie gewiß zehlen und fuͤhlen, wie viel der Steine drinne ſind. Die Raritaͤt des Bezoars beſtehet in der Groͤſſe, obgleich der kleine nicht geringere Kraͤfte hat, denn der dicke. Man wird auch oftmahls in dieſem Stuͤcke betrogen, indem es Leute giebt, die den Bezoar mit einem Teige, aus Gummi und einer andern, dem Bezoar an der Farbe gantz und gar gleichen Materie gemacht, zu vergroͤſſern wiſ- ſen, Dieſen Betrug aber kan man vor- nehmlich auf zweyerley Weiſe erken- nen. Fuͤrs erſte, muß man den Bezoar waͤgen, und eine zeitlang in laulichtem Waſſer weichen laſſen: aͤndert nun das Waſſer ſeine Farbe nicht im geringſten, und der Bezoar verliehrt auch nichts von ſeinem Gewichte, ſo iſt er unver- faͤlſcht. Der andere Weg iſt dieſer, man haͤlt ein ſpitzig und gluͤhendes Eiſen an den Bezoar; wenn das Eiſen drein gehet und ihn braun machet, dann iſt es ein Zeichen, daß er vermiſchet wor- den, und nicht natuͤrlich ſey. Ubrigens, ie groͤſſer der Bezoar/ ie theurer iſt er, und ſteiget nach Proportion, gleichwie die Diamanten. Denn, wenn fuͤnff oder ſechs Bezoarſteine eine Untze waͤ- gen, wird dieſelbe fuͤnff bis ſechs Thaler gelten, iſt es aber ein Bezoarſtein von einer Untzen, duͤrffte er wohl hundert Francken, oder etliche und dreyßig Tha- ler gelten. Jch habe einen von 4¼ Untz bis fuͤr 2000. Pfund verkaufft. Auch war ich begierig, mich von alle dem, was von dem Bezoar zu wiſſen ſtehet, vollkommen unterrichten zu laſſen, und hatte allbereit unterſchiede- ne Reiſen nach Golconda gethan, denn allda wird er am meiſten verhan- delt, kunte aber nicht erfahren, in wel- chem Theil des Leibes die Ziegen den Stein ſtecken haͤtten. Allein auf mei- ner fuͤnfften Reiſe wurden mir einige Particulirperſonen, die bey der Engli- ſchen und Hollaͤndiſchen Compagnie in Dienſten ſtunden, und fuͤr ſich nicht handeln durfften, verbunden, weil ich zu wege brachte, daß ſie fuͤr ohngefehr 6000. Rupien Bezoar verkauffen kun- ten. Dieſe Leute wolten mir ihre Er- kenntlichkeit bezeugen, und eine Ver- ehrung thun, welche ich aber ausſchlu- ge, und zu ihnen ſagte, wie daß ich nie- mahls G g 3

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/365>, abgerufen am 25.11.2024.