Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.Hauptbeschreibung zweyter Theil. Von andern Dingen, [Spaltenumbruch]
Welche aus dem menschlichen Leibe gezogen und bereitet werden. AUsserhalb der Mumie, die sich in un- Man hält dafür, das Menschenfett Chymicae. Auch verkauffen wir, ohne das Die Wahl dieser Dinge kan man ei- Vom Moos von Menschen- Hirnschedel. Jn England/ sonderlich zu Lon- Die Usnea ist ein Auswuchs oder ex- Man siehet auch zu Londen in den händ- G g 2
Hauptbeſchreibung zweyter Theil. Von andern Dingen, [Spaltenumbruch]
Welche aus dem menſchlichen Leibe gezogen und bereitet werden. AUſſerhalb der Mumie, die ſich in un- Man haͤlt dafuͤr, das Menſchenfett Chymicæ. Auch verkauffen wir, ohne das Die Wahl dieſer Dinge kan man ei- Vom Moos von Menſchen- Hirnſchedel. Jn England/ ſonderlich zu Lon- Die Uſnea iſt ein Auswuchs oder ex- Man ſiehet auch zu Londen in den haͤnd- G g 2
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Jedennoch<lb/> ſolte dasjenige, das wir verkauffen, und<lb/> mit aromatiſchen Kraͤutern zugerich-<lb/> tet wird, ohnſtreitig beſſer ſeyn, als<lb/> welches aus den Haͤnden des Nachrich-<lb/> ters kommt.</p><lb/> <p>Man haͤlt dafuͤr, das Menſchenfett<lb/> ſey trefflich gut wider die Stoͤckfluͤſſe,<lb/> und andere von Erkaͤltung herruͤhren-<lb/> de Kranckheiten.</p><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#aq">Præparationes<lb/> Chymicæ.</hi> </note> <p>Auch verkauffen wir, ohne das<lb/> Menſchenfett, annoch das fluͤchtige und<lb/> fixe Saltz vom Menſchenblute und dem<lb/> Hirnſchedel, dem Haar und Urin, ſamt<lb/> vielen andern auf Chymiſche Weiſe be-<lb/> reiteten Artzneyen mehr, welche in des<lb/> Herrn <hi rendition="#fr">Charras</hi> ſeiner koͤniglichen<lb/> Galeniſch-Chymiſchen Apotheckerkunſt<lb/> am 771. 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Es beginnet aber als-<lb/> dann zu wachſen, wenn das fleiſchichte<lb/> Haͤutlein verfaulet und von dem Ge-<lb/> witter verzehret worden iſt, und dem-<lb/> nach den Hirnſchedel verlaſſen hat:<lb/> wenn nun die noch uͤbrige Feuchtig-<lb/> keit, die der Kopf, gewoͤhnlicher maſſen,<lb/> zur Nahrung der Haare und des Bar-<lb/> tes herzufuͤhret, kein Fleiſch mehr fin-<lb/> det, in dem ſie ihr Werck verrichten<lb/> koͤnte, ſo zeuget ſich alsdann dieſes<lb/> Moos, als wie das Haar, und hencket<lb/> ſich aufs veſteſte an den Schedel, eben<lb/> als wie das Moos an die Klippen und<lb/> Steine. 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Hauptbeſchreibung zweyter Theil.
Von andern Dingen,
Welche aus dem menſchlichen Leibe gezogen und bereitet
werden.
AUſſerhalb der Mumie, die ſich in un-
ſern Laͤden befindet, verkauffen wir
auch Menſchenfett, das wir von un-
terſchiedenen Orten bringen laſſen.
Weil aber bekannt, daß zu Paris der
Scharffrichter es einem ieden, der es be-
noͤthiget iſt, verkauffet, dannenhero
verkauffen die Spezereyhaͤndler und
Apothecker gar wenig. Jedennoch
ſolte dasjenige, das wir verkauffen, und
mit aromatiſchen Kraͤutern zugerich-
tet wird, ohnſtreitig beſſer ſeyn, als
welches aus den Haͤnden des Nachrich-
ters kommt.
Man haͤlt dafuͤr, das Menſchenfett
ſey trefflich gut wider die Stoͤckfluͤſſe,
und andere von Erkaͤltung herruͤhren-
de Kranckheiten.
Auch verkauffen wir, ohne das
Menſchenfett, annoch das fluͤchtige und
fixe Saltz vom Menſchenblute und dem
Hirnſchedel, dem Haar und Urin, ſamt
vielen andern auf Chymiſche Weiſe be-
reiteten Artzneyen mehr, welche in des
Herrn Charras ſeiner koͤniglichen
Galeniſch-Chymiſchen Apotheckerkunſt
am 771. Blat zu finden ſind: und da-
hin koͤnnen diejenigen, welche dieſe præ-
parationes zu wiſſen ein Verlangen tra-
gen, ſich verfuͤgen, ingleichen zu andern
Scribenten mehr, die ihrer Meldung
thun.
Die Wahl dieſer Dinge kan man ei-
nem ſehr ſchwerlich erklaͤren. Die beſt-
und ſicherſte Art ſie zu erkennen iſt, daß
man ſie bey rechtſchaffenen ehrlichen
Leuten kauffe, und nicht auf den wohl-
feilen Preis ſehe, denn auch dem Ver-
ſtaͤndigſten kan eines fuͤr das andere ge-
geben werden, indem niemand dafuͤr
ſtehen mag, als diejenigen, die ſie berei-
tet haben, vornehmlich die Oele, die
uͤber den Helm getrieben werden.
Vom Moos von Menſchen-
Hirnſchedel.
Jn England/ ſonderlich zu Lon-
den, verkauffen die Spezereyhaͤndler
auch Todenkoͤpfe, an denen ein klein
gruͤnlichtes Moos befindlich iſt, dem
man den Namen Uſnea gegeben, von
wegen ſeiner groſſen Gleichheit, die es
mit dem auf den Eichen wachſenden
Mooſe oder Uſnea hat. Der Herr
Charras/ welcher ſich geraume Zeit
in England aufgehalten, hat deſſen eine
gute Menge geſehen: dannenhero will
ich allhier mit anfuͤhren, was ihm be-
liebet hat mir davon mit zu theilen.
Die Uſnea iſt ein Auswuchs oder ex-
creſcentia, einem gruͤnlichten Mooſe
gleich, welches auswendig und inwen-
dig in den Hirnſchedeln der Gehenckten,
die man ſehr lange am Galgen gelaſſen,
entſtehet, und zwey oder drey Linien
hoch waͤchſt. Es beginnet aber als-
dann zu wachſen, wenn das fleiſchichte
Haͤutlein verfaulet und von dem Ge-
witter verzehret worden iſt, und dem-
nach den Hirnſchedel verlaſſen hat:
wenn nun die noch uͤbrige Feuchtig-
keit, die der Kopf, gewoͤhnlicher maſſen,
zur Nahrung der Haare und des Bar-
tes herzufuͤhret, kein Fleiſch mehr fin-
det, in dem ſie ihr Werck verrichten
koͤnte, ſo zeuget ſich alsdann dieſes
Moos, als wie das Haar, und hencket
ſich aufs veſteſte an den Schedel, eben
als wie das Moos an die Klippen und
Steine. Die Engliſchen Materiali-
ſten laſſen dieſe Koͤpfe aus Jrrland
bringen, allwo man gewohnt iſt die ge-
henckten ſo lange am Galgen zu laſſen,
bis ſie ſtuͤckweiſe herunter fallen.
Man ſiehet auch zu Londen in den
Laͤden gewiſſer Spezereyhaͤndler ſolche
Koͤpfe, entweder gantz, oder nur zum
Theil mit dieſem gruͤnen Moos bede-
cket, unter andern Waaren zugleich mit
aufgeſetzt, welches ich ſonſt nirgendwo
geſehen. Man darff ſich aber nicht
uͤber das Wachſen dieſes Mooſes auf
den Koͤpfen der Gehenckten verwun-
dern, denn man ja gar oft erfahren
hat, daß die Haare am Haupte, Bart
und andern Theilen des menſchlichen
Leibes, auch nach dem Tode gewachſen,
ſo lange die Theile, die ſie tragen, beſte-
hen, und ihnen Nahrung geben koͤnnen:
welches gleichfalls, nach einiger Erach-
ten, mit den Naͤgeln und Zaͤhnen ge-
ſchehen ſoll. Eben dieſe Spezerey-
haͤnd-
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