Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.Der Spezereyen und Materialien [Spaltenumbruch]
pflegen, betrachten. Sage demnach,daß diejenigen Mumien/ die man von Alexandria in Egypten, von Vene- dig, ja auch von Lyon zu uns bringt, nichts anders sind, als tode Cörper, auf unterschiedene Art verstorbener Leute, aus denen, sie mögen begraben gewest seyn oder nicht, das Eingewei- de zusamt dem Hirn ausgenommen, und sie darauf mit Pulver von Myr- rhen, Roßaloe, Judenhartz, schwar- tzem Pech und andern Gummi wieder- um angefüllet, und in häßliche grobe Leinwand, die in ietztgemeldtes Zeug eingetauchet ist, eingehüllet worden. Also bereitet, werden sie in einen Ofen geschoben, damit alle Feuchtigkeit da- von abkomme, und hierauf, wenn sie recht wohl getreuget, zu uns gesendet, und denenjenigen für wahrhafte Mu- mien verkaufft, welche sich nicht drauf verstehen, oder nicht vernommen ha- ben, wie sorgfältig die Egyptier ge- wesen, ihre Toden zu begraben, und daß sie nichts gesparet, damit sie derer- selben Gedächtnüß erhalten, nicht aber einen Handel damit treiben möchten. Zu mehrerer Beglaubigung dieses mei- nes Vorbringens will ich anietzo an- führen, was der Herr Guy de la Fontaine, ein königlicher Medicus, und nach ihm Ambrosius Pareus davon berichten. Als ietzgemeldter Herr de la Fontaine Dieses lautet in Wahrheit anders, Man erachtet sie gut zu allerhand Ein und andere Scribenten geben Man hat auch ein und anderer Gat- Von
Der Spezereyen und Materialien [Spaltenumbruch]
pflegen, betrachten. Sage demnach,daß diejenigen Mumien/ die man von Alexandria in Egypten, von Vene- dig, ja auch von Lyon zu uns bringt, nichts anders ſind, als tode Coͤrper, auf unterſchiedene Art verſtorbener Leute, aus denen, ſie moͤgen begraben geweſt ſeyn oder nicht, das Eingewei- de zuſamt dem Hirn ausgenommen, und ſie darauf mit Pulver von Myr- rhen, Roßaloe, Judenhartz, ſchwar- tzem Pech und andern Gummi wieder- um angefuͤllet, und in haͤßliche grobe Leinwand, die in ietztgemeldtes Zeug eingetauchet iſt, eingehuͤllet worden. Alſo bereitet, werden ſie in einen Ofen geſchoben, damit alle Feuchtigkeit da- von abkomme, und hierauf, wenn ſie recht wohl getreuget, zu uns geſendet, und denenjenigen fuͤr wahrhafte Mu- mien verkaufft, welche ſich nicht drauf verſtehen, oder nicht vernommen ha- ben, wie ſorgfaͤltig die Egyptier ge- weſen, ihre Toden zu begraben, und daß ſie nichts geſparet, damit ſie derer- ſelben Gedaͤchtnuͤß erhalten, nicht aber einen Handel damit treiben moͤchten. Zu mehrerer Beglaubigung dieſes mei- nes Vorbringens will ich anietzo an- fuͤhren, was der Herr Guy de la Fontaine, ein koͤniglicher Medicus, und nach ihm Ambroſius Pareus davon berichten. Als ietzgemeldter Herr de la Fontaine Dieſes lautet in Wahrheit anders, Man erachtet ſie gut zu allerhand Ein und andere Scribenten geben Man hat auch ein und anderer Gat- Von
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Nachdem er dieſe eine<lb/> Viertheils Stunde lang beſchauet hat-<lb/> te, fragte er den Juden, was er denn<lb/> fuͤr Coͤrper und Spezereyen dazu ge-<lb/> brauchte, worauf dieſer antwortete, die<lb/> Coͤrper betreffend, da nehme er, die er<lb/><cb n="468"/> nur bekommen koͤnte, und fragte we-<lb/> nig darnach, weſſen ſie waͤren, wenn<lb/> ſie nur tod waͤren, bekuͤmmerte ſich auch<lb/> nichts darum, ob ſie an einer gemeinen<lb/> Kranckheit, oder an einer anſteckenden<lb/> Seuche geſtorben waͤren. Die Spe-<lb/> zereyen aber anlangend, die waͤren ein<lb/> Gemenge von allerhand alten und ver-<lb/> legenen Spezereyen, damit richtete er<lb/> dieſe Coͤrper zu, welche er hernach,<lb/> wenn ſie im Ofen getreuget worden,<lb/> nach Europa verſendete: muͤſte ſich ver-<lb/> wundern, wie doch die Chriſten ſo groſ-<lb/> ſe Liebhaber von dergleichen Wuſt und<lb/> Unrath ſeyn koͤnten.</p><lb/> <p>Dieſes lautet in Wahrheit anders,<lb/> als was die alten <hi rendition="#aq">Medici</hi> davon geglau-<lb/> bet, wenn ſie die Mumien verordnet.<lb/> Dieweil ich aber viel zu wenig bin, al-<lb/> len Mißbrauch zu verwehren, es auch<lb/> noch Leute giebt, die ſie zu gebrauchen<lb/> Beliebung tragen, als will ich ihnen<lb/> ſagen, daß ſie diejenigen erwehlen ſol-<lb/> len, welche fein ſauber, glaͤntzend, huͤbſch<lb/> ſchwartz, ohne Bein und Staub ſind,<lb/> gut riechen, und nicht wie Pech ſtincken,<lb/> wenn ſie angezuͤndet werden.</p><lb/> <p>Man erachtet ſie gut zu allerhand<lb/> Quetſuren, auch dienlich zu verwehren,<lb/> daß das Gebluͤte im Leibe nicht gerinne:<lb/> doch meiſtentheils verbraucht man ſie<lb/> zum Fiſchfang.</p><lb/> <p>Ein und andere Scribenten geben<lb/> vor, es ſey das Fett mit dem Judenhartz<lb/> vermiſchet, welches aus den Saͤrgen<lb/> hervordringet, das <hi rendition="#aq">Aſphaltum</hi> und die<lb/> wahre Mumie: andere aber ſagen,<lb/> daß es alſo zugerichtetes Fleiſch ſey,<lb/> welches durch die Bosheit eines Juͤdi-<lb/> ſchen Artztes in Gebrauch gekommen,<lb/> denn er geſchrieben, das alſo zubereite-<lb/> te und eingebalſamete Fleiſch ſey zu vie-<lb/> len Zufaͤllen gut, und inſonderheit zu<lb/> oberwaͤhnten.</p><lb/> <p>Man hat auch ein und anderer Gat-<lb/> tung Hartz den Namen Mumia zuge-<lb/> leget, z. 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Der Spezereyen und Materialien
pflegen, betrachten. Sage demnach,
daß diejenigen Mumien/ die man von
Alexandria in Egypten, von Vene-
dig, ja auch von Lyon zu uns bringt,
nichts anders ſind, als tode Coͤrper,
auf unterſchiedene Art verſtorbener
Leute, aus denen, ſie moͤgen begraben
geweſt ſeyn oder nicht, das Eingewei-
de zuſamt dem Hirn ausgenommen,
und ſie darauf mit Pulver von Myr-
rhen, Roßaloe, Judenhartz, ſchwar-
tzem Pech und andern Gummi wieder-
um angefuͤllet, und in haͤßliche grobe
Leinwand, die in ietztgemeldtes Zeug
eingetauchet iſt, eingehuͤllet worden.
Alſo bereitet, werden ſie in einen Ofen
geſchoben, damit alle Feuchtigkeit da-
von abkomme, und hierauf, wenn ſie
recht wohl getreuget, zu uns geſendet,
und denenjenigen fuͤr wahrhafte Mu-
mien verkaufft, welche ſich nicht drauf
verſtehen, oder nicht vernommen ha-
ben, wie ſorgfaͤltig die Egyptier ge-
weſen, ihre Toden zu begraben, und
daß ſie nichts geſparet, damit ſie derer-
ſelben Gedaͤchtnuͤß erhalten, nicht aber
einen Handel damit treiben moͤchten.
Zu mehrerer Beglaubigung dieſes mei-
nes Vorbringens will ich anietzo an-
fuͤhren, was der Herr Guy de la Fontaine,
ein koͤniglicher Medicus, und nach ihm
Ambroſius Pareus davon berichten.
Als ietzgemeldter Herr de la Fontaine
zu Alexandria in Egypten ſagen hoͤr-
te, daß ein Jude in ſelbiger Stadt ſich
aufhielt, welcher ein recht Handwerck
und Handlung mit den Mumien trie-
be, reitzte ihn die Begierde dieſes mit
Augen anzuſehen, daß er ſich nach des
ermeldten Judens Behauſung verfuͤg-
te: wie er nun denſelben angetroffen,
bat er ihn, daß er doch ſeine Waare,
oder die zu Mumien gemachte Coͤrper
wolte ſehen laſſen, woruͤber zwar der
Jude zu anfangs ein und andere
Schwuͤrigkeit machte, doch endlich ſein
Magazin eroͤffnete, und ihm ein Hauf-
fen ſchichtweis uͤber einander gelegte
Coͤrper zeigete. Nachdem er dieſe eine
Viertheils Stunde lang beſchauet hat-
te, fragte er den Juden, was er denn
fuͤr Coͤrper und Spezereyen dazu ge-
brauchte, worauf dieſer antwortete, die
Coͤrper betreffend, da nehme er, die er
nur bekommen koͤnte, und fragte we-
nig darnach, weſſen ſie waͤren, wenn
ſie nur tod waͤren, bekuͤmmerte ſich auch
nichts darum, ob ſie an einer gemeinen
Kranckheit, oder an einer anſteckenden
Seuche geſtorben waͤren. Die Spe-
zereyen aber anlangend, die waͤren ein
Gemenge von allerhand alten und ver-
legenen Spezereyen, damit richtete er
dieſe Coͤrper zu, welche er hernach,
wenn ſie im Ofen getreuget worden,
nach Europa verſendete: muͤſte ſich ver-
wundern, wie doch die Chriſten ſo groſ-
ſe Liebhaber von dergleichen Wuſt und
Unrath ſeyn koͤnten.
Dieſes lautet in Wahrheit anders,
als was die alten Medici davon geglau-
bet, wenn ſie die Mumien verordnet.
Dieweil ich aber viel zu wenig bin, al-
len Mißbrauch zu verwehren, es auch
noch Leute giebt, die ſie zu gebrauchen
Beliebung tragen, als will ich ihnen
ſagen, daß ſie diejenigen erwehlen ſol-
len, welche fein ſauber, glaͤntzend, huͤbſch
ſchwartz, ohne Bein und Staub ſind,
gut riechen, und nicht wie Pech ſtincken,
wenn ſie angezuͤndet werden.
Man erachtet ſie gut zu allerhand
Quetſuren, auch dienlich zu verwehren,
daß das Gebluͤte im Leibe nicht gerinne:
doch meiſtentheils verbraucht man ſie
zum Fiſchfang.
Ein und andere Scribenten geben
vor, es ſey das Fett mit dem Judenhartz
vermiſchet, welches aus den Saͤrgen
hervordringet, das Aſphaltum und die
wahre Mumie: andere aber ſagen,
daß es alſo zugerichtetes Fleiſch ſey,
welches durch die Bosheit eines Juͤdi-
ſchen Artztes in Gebrauch gekommen,
denn er geſchrieben, das alſo zubereite-
te und eingebalſamete Fleiſch ſey zu vie-
len Zufaͤllen gut, und inſonderheit zu
oberwaͤhnten.
Man hat auch ein und anderer Gat-
tung Hartz den Namen Mumia zuge-
leget, z. E. dem Juͤdiſchen, und welche
natuͤrlicher Weiſe in Arabien und an-
dern heiſſen Laͤndern aus den Bergen
rinnen: allein es reimet ſich nicht wohl
dazu, indem es, ſo zu reden, ein lauter
Fett- und klebrichter, ſtinckender Saft
iſt, der in dem Eingeweide der Erde er-
zeuget wird.
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