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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] Cörper auf, und von einander trennet,
daher auch das sicherste Mittel, wenn
man sie zu erhalten begehret, ist, daß man
verhüte, damit keine Luft dazu komme.
Hierzu kommt noch, daß die Luft, die
wir beym athemhohlen einziehen, mit
einer unnennlichen Menge kleiner
Würmlein erfüllet ist, die man nicht
einmahl sehen kan, weil sie so gar kleine
sind. Diese kleinen Würmlein hencken
sich an das Fleisch, und zernagen es, und
weil sie sich gantz leichtlich vermehren,
ist die Luft zu zeiten gantz und gar mit
ihnen angefüllet, absonderlich zu Pest-
zeiten, oder wann andere ansteckende
Seuchen im Schwang gehen. So hat
man auch durch die Vergrösserungsglä-
ser in Acht genommen, daß, was der
Krebs genennet wird, nichts anders sey,
als eine unzehliche Menge gantz kleiner
Würmlein, welche das Fleisch, als wie
die Mülben den Käse zernagen. Da-
mit nun das Fleisch verwahret werde,
muß man diese Würmlein davon aus-
zuschliessen trachten, welches vermit-
telst des Honigs, Oels, Weingeists und
anderer Säfte geschehen mag, denn die-
selben verwickeln und bedecken dieses Ge-
würme, und tödten es.

Allein der Egypter Vorwitz erstreck-
te sich noch weiter: denn, indem sie ge-
gen ihre abgelebeten Freunde gar zu gros-
se Ehrerbietung hägeten, und sich nicht
entschliessen konten, dieselben zu begra-
ben, mithin dererselben Anschauens sich
zu berauben, versuchten sie ein Mittel
zu erfinden, durch dessen Hülffe sie die-
selbigen stets bey sich und vor Augen ha-
ben möchten, das ist, daß sie eben so ehr-
bar, wie ihre verstorbenen Freunde le-
ben, und sich nach deroselben Auffüh-
rung auch richten könnten.

Derowegen, wenn iem and von ihren
Befreunden versturbe, richteten sie
dererselben Leichname dermassen artig
zu, und truckneten sie dergestalt auf, daß
diese Cörper, denen marmorsteinernen
Bildseulen an Härte gleicheten, und
Gabaras/
dafür man
Mumie sa-
gen soll, ist
nach unter-
schiedlicher
Scribenten
Meinung,
ein Persisch
Wort, und
nenneten sie auf ihre Sprache Gaba-
ras,
welches Wort eben so viel als
Mumie bedeutet. Sie wendeten hier-
bey die gröste Geschicklichkeit an, so daß
man niemahls etwas ungestaltes dar-
an zu sehen bekommen: bemahleten
ihnen das Gesichte mit allerhand Far-
ben, auch wohl gar mit Golde, wenn
[Spaltenumbruch] sie selbige vorhero ausgenommen undbedeutet ei-
nen mit aller-
hand Speze-
reyen, son-
derlich aber
mit Jüdi-
schem Peche
eingebalsa-
mirten Cör-
per.

balsamiret, die Arme creutzweis über
einander geleget, und sie hernach mit
feiner Leinwand umwickelt hatten, wel-
che mit aromatischen Gummen zuge-
richtet war: hernach legten sie ihnen
ein Tuch über das Haupt, wie einen
Weiberschleyer, der zu beyden SeitenMomie
aber soll man
nicht spre-
chen, wie an-
dere Autores
schreiben, die
es von denen
Wörtern
Cinnamo-
mum, Carda-
momum,
oder
Amomum
herleiten,
weil die Mu-
mien, ihren
Gedancken
nach, damit
zugerichtet
gewesen.
Besiehe Fig.
322. it.
323. 324.

bis auf die Brust, und hinten bis auf die
Schultern herab hienge. Noch hatten sie
ein zusammen gerolltes Tuch unter das
Kinn geleget, welches dazu dienete, daß
es die Wangen zusammen druckte und
die Kinnbacken zusammen hielte, damit
sie nicht herabfielen: so daß, wer sie ge-
sehen, selbige viel eher für schlaffende,
als todte ansehen sollen.

Wenn sie aber durch Kranckheit ver-
stellet worden waren, dann legten sie
dem Verstorbenen eine Larve von Pap-
pe oder gemahlter Leinwand, die ihm
gleich sahe, über das Gesichte: hinge-
gen, wenn die Person nicht enstellet
war, liessen sie das Gesichte samt den
Ohren frey und bemahlten sie mit aller-
hand Farben.

Wann nun die Todten dergestalt
ausgeputzet waren, verschlossen sie die-
selben in gläserne Kasten, die ausdrück-
lich dazu, nach der Grösse der Person
verfertiget waren, und stelleten sie dar-
auf in die alleröbersten Gemächer ihrer
Häuser. Alsdann waren es die kostbar-
sten Pfänder, und eine solche Versiche-
rung ihrer Treu und Glaubens, daß
wenn iemand unter ihnen Geld von
nöthen hatte, er kein besser Pfand aus-
lieffern konte, als diese seiner Vorfah-
ren balsamirten und im Glas liegenden
Cörper, es war auch derjenige, der auf
dergleichen Verpfändung Geld ausleh-
nete, wegen Wiedererstattung desselben
gantz unbesorget; denn wenn der
Schuldner, das entlehnte Geld nicht
wiederersetzen, und sein versetztes zurü-
cke nehmen kunte, wurde er für unehr-
lich gehalten: welches ihn denn unver-
meidlich dazu anhielte, daß er entweder
Mittel ausfinden muste, seine versetzten
Vorfahren zu bestimmter Zeit wieder
einzulösen, oder aber gewärtig zu seyn,
daß ihn ein iedweder aufs äusserste
schimpfte und ausschändete.

Sie gebrauchten auch diese Toden-
cörper zu weit höhern Dingen; massen
sie kein Fest begiengen, daß sienicht diese

Cörper

Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] Coͤrper auf, und von einander trennet,
daher auch das ſicherſte Mittel, wenn
man ſie zu erhalten begehret, iſt, daß man
verhuͤte, damit keine Luft dazu komme.
Hierzu kommt noch, daß die Luft, die
wir beym athemhohlen einziehen, mit
einer unnennlichen Menge kleiner
Wuͤrmlein erfuͤllet iſt, die man nicht
einmahl ſehen kan, weil ſie ſo gar kleine
ſind. Dieſe kleinen Wuͤrmlein hencken
ſich an das Fleiſch, und zernagen es, und
weil ſie ſich gantz leichtlich vermehren,
iſt die Luft zu zeiten gantz und gar mit
ihnen angefuͤllet, abſonderlich zu Peſt-
zeiten, oder wann andere anſteckende
Seuchen im Schwang gehen. So hat
man auch durch die Vergroͤſſerungsglaͤ-
ſer in Acht genommen, daß, was der
Krebs genennet wird, nichts anders ſey,
als eine unzehliche Menge gantz kleiner
Wuͤrmlein, welche das Fleiſch, als wie
die Muͤlben den Kaͤſe zernagen. Da-
mit nun das Fleiſch verwahret werde,
muß man dieſe Wuͤrmlein davon aus-
zuſchlieſſen trachten, welches vermit-
telſt des Honigs, Oels, Weingeiſts und
anderer Saͤfte geſchehen mag, denn die-
ſelben verwickeln und bedecken dieſes Ge-
wuͤrme, und toͤdten es.

Allein der Egypter Vorwitz erſtreck-
te ſich noch weiter: denn, indem ſie ge-
gen ihꝛe abgelebeten Freunde gar zu groſ-
ſe Ehrerbietung haͤgeten, und ſich nicht
entſchlieſſen konten, dieſelben zu begra-
ben, mithin dererſelben Anſchauens ſich
zu berauben, verſuchten ſie ein Mittel
zu erfinden, durch deſſen Huͤlffe ſie die-
ſelbigen ſtets bey ſich und vor Augen ha-
ben moͤchten, das iſt, daß ſie eben ſo ehr-
bar, wie ihre verſtorbenen Freunde le-
ben, und ſich nach deroſelben Auffuͤh-
rung auch richten koͤnnten.

Derowegen, wenn iem and von ihren
Befreunden verſturbe, richteten ſie
dererſelben Leichname dermaſſen artig
zu, und truckneten ſie dergeſtalt auf, daß
dieſe Coͤrper, denen marmorſteinernen
Bildſeulen an Haͤrte gleicheten, und
Gabaras/
dafuͤr man
Mumie ſa-
gen ſoll, iſt
nach unter-
ſchiedlicher
Scribenten
Meinung,
ein Perſiſch
Wort, und
nenneten ſie auf ihre Sprache Gaba-
ras,
welches Wort eben ſo viel als
Mumie bedeutet. Sie wendeten hier-
bey die groͤſte Geſchicklichkeit an, ſo daß
man niemahls etwas ungeſtaltes dar-
an zu ſehen bekommen: bemahleten
ihnen das Geſichte mit allerhand Far-
ben, auch wohl gar mit Golde, wenn
[Spaltenumbruch] ſie ſelbige vorhero ausgenommen undbedeutet ei-
nen mit aller-
hand Speze-
reyen, ſon-
derlich aber
mit Juͤdi-
ſchem Peche
eingebalſa-
mirten Coͤr-
per.

balſamiret, die Arme creutzweis uͤber
einander geleget, und ſie hernach mit
feiner Leinwand umwickelt hatten, wel-
che mit aromatiſchen Gummen zuge-
richtet war: hernach legten ſie ihnen
ein Tuch uͤber das Haupt, wie einen
Weiberſchleyer, der zu beyden SeitenMomie
aber ſoll man
nicht ſpre-
chen, wie an-
dere Autores
ſchreiben, die
es von denen
Woͤrtern
Cinnamo-
mum, Carda-
momum,
oder
Amomum
herleiten,
weil die Mu-
mien, ihren
Gedancken
nach, damit
zugerichtet
geweſen.
Beſiehe Fig.
322. it.
323. 324.

bis auf die Bruſt, und hinten bis auf die
Schultern herab hienge. Noch hatten ſie
ein zuſammen gerolltes Tuch unter das
Kinn geleget, welches dazu dienete, daß
es die Wangen zuſammen druckte und
die Kinnbacken zuſammen hielte, damit
ſie nicht herabfielen: ſo daß, wer ſie ge-
ſehen, ſelbige viel eher fuͤr ſchlaffende,
als todte anſehen ſollen.

Wenn ſie aber durch Kranckheit ver-
ſtellet worden waren, dann legten ſie
dem Verſtorbenen eine Larve von Pap-
pe oder gemahlter Leinwand, die ihm
gleich ſahe, uͤber das Geſichte: hinge-
gen, wenn die Perſon nicht enſtellet
war, lieſſen ſie das Geſichte ſamt den
Ohren frey und bemahlten ſie mit aller-
hand Farben.

Wann nun die Todten dergeſtalt
ausgeputzet waren, verſchloſſen ſie die-
ſelben in glaͤſerne Kaſten, die ausdruͤck-
lich dazu, nach der Groͤſſe der Perſon
verfertiget waren, und ſtelleten ſie dar-
auf in die alleroͤberſten Gemaͤcher ihrer
Haͤuſer. Alsdann waren es die koſtbar-
ſten Pfaͤnder, und eine ſolche Verſiche-
rung ihrer Treu und Glaubens, daß
wenn iemand unter ihnen Geld von
noͤthen hatte, er kein beſſer Pfand aus-
lieffern konte, als dieſe ſeiner Vorfah-
ren balſamirten und im Glas liegenden
Coͤrper, es war auch derjenige, der auf
dergleichen Verpfaͤndung Geld ausleh-
nete, wegen Wiedererſtattung deſſelben
gantz unbeſorget; denn wenn der
Schuldner, das entlehnte Geld nicht
wiedererſetzen, und ſein verſetztes zuruͤ-
cke nehmen kunte, wurde er fuͤr unehr-
lich gehalten: welches ihn denn unver-
meidlich dazu anhielte, daß er entweder
Mittel ausfinden muſte, ſeine verſetzten
Vorfahren zu beſtimmter Zeit wieder
einzuloͤſen, oder aber gewaͤrtig zu ſeyn,
daß ihn ein iedweder aufs aͤuſſerſte
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Sie gebrauchten auch dieſe Toden-
coͤrper zu weit hoͤhern Dingen; maſſen
ſie kein Feſt begiengen, daß ſienicht dieſe

Coͤrper
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[0356] Der Spezereyen und Materialien Coͤrper auf, und von einander trennet, daher auch das ſicherſte Mittel, wenn man ſie zu erhalten begehret, iſt, daß man verhuͤte, damit keine Luft dazu komme. Hierzu kommt noch, daß die Luft, die wir beym athemhohlen einziehen, mit einer unnennlichen Menge kleiner Wuͤrmlein erfuͤllet iſt, die man nicht einmahl ſehen kan, weil ſie ſo gar kleine ſind. Dieſe kleinen Wuͤrmlein hencken ſich an das Fleiſch, und zernagen es, und weil ſie ſich gantz leichtlich vermehren, iſt die Luft zu zeiten gantz und gar mit ihnen angefuͤllet, abſonderlich zu Peſt- zeiten, oder wann andere anſteckende Seuchen im Schwang gehen. So hat man auch durch die Vergroͤſſerungsglaͤ- ſer in Acht genommen, daß, was der Krebs genennet wird, nichts anders ſey, als eine unzehliche Menge gantz kleiner Wuͤrmlein, welche das Fleiſch, als wie die Muͤlben den Kaͤſe zernagen. Da- mit nun das Fleiſch verwahret werde, muß man dieſe Wuͤrmlein davon aus- zuſchlieſſen trachten, welches vermit- telſt des Honigs, Oels, Weingeiſts und anderer Saͤfte geſchehen mag, denn die- ſelben verwickeln und bedecken dieſes Ge- wuͤrme, und toͤdten es. Allein der Egypter Vorwitz erſtreck- te ſich noch weiter: denn, indem ſie ge- gen ihꝛe abgelebeten Freunde gar zu groſ- ſe Ehrerbietung haͤgeten, und ſich nicht entſchlieſſen konten, dieſelben zu begra- ben, mithin dererſelben Anſchauens ſich zu berauben, verſuchten ſie ein Mittel zu erfinden, durch deſſen Huͤlffe ſie die- ſelbigen ſtets bey ſich und vor Augen ha- ben moͤchten, das iſt, daß ſie eben ſo ehr- bar, wie ihre verſtorbenen Freunde le- ben, und ſich nach deroſelben Auffuͤh- rung auch richten koͤnnten. Derowegen, wenn iem and von ihren Befreunden verſturbe, richteten ſie dererſelben Leichname dermaſſen artig zu, und truckneten ſie dergeſtalt auf, daß dieſe Coͤrper, denen marmorſteinernen Bildſeulen an Haͤrte gleicheten, und nenneten ſie auf ihre Sprache Gaba- ras, welches Wort eben ſo viel als Mumie bedeutet. Sie wendeten hier- bey die groͤſte Geſchicklichkeit an, ſo daß man niemahls etwas ungeſtaltes dar- an zu ſehen bekommen: bemahleten ihnen das Geſichte mit allerhand Far- ben, auch wohl gar mit Golde, wenn ſie ſelbige vorhero ausgenommen und balſamiret, die Arme creutzweis uͤber einander geleget, und ſie hernach mit feiner Leinwand umwickelt hatten, wel- che mit aromatiſchen Gummen zuge- richtet war: hernach legten ſie ihnen ein Tuch uͤber das Haupt, wie einen Weiberſchleyer, der zu beyden Seiten bis auf die Bruſt, und hinten bis auf die Schultern herab hienge. Noch hatten ſie ein zuſammen gerolltes Tuch unter das Kinn geleget, welches dazu dienete, daß es die Wangen zuſammen druckte und die Kinnbacken zuſammen hielte, damit ſie nicht herabfielen: ſo daß, wer ſie ge- ſehen, ſelbige viel eher fuͤr ſchlaffende, als todte anſehen ſollen. Gabaras/ dafuͤr man Mumie ſa- gen ſoll, iſt nach unter- ſchiedlicher Scribenten Meinung, ein Perſiſch Wort, und bedeutet ei- nen mit aller- hand Speze- reyen, ſon- derlich aber mit Juͤdi- ſchem Peche eingebalſa- mirten Coͤr- per. Momie aber ſoll man nicht ſpre- chen, wie an- dere Autores ſchreiben, die es von denen Woͤrtern Cinnamo- mum, Carda- momum, oder Amomum herleiten, weil die Mu- mien, ihren Gedancken nach, damit zugerichtet geweſen. Beſiehe Fig. 322. it. 323. 324. Wenn ſie aber durch Kranckheit ver- ſtellet worden waren, dann legten ſie dem Verſtorbenen eine Larve von Pap- pe oder gemahlter Leinwand, die ihm gleich ſahe, uͤber das Geſichte: hinge- gen, wenn die Perſon nicht enſtellet war, lieſſen ſie das Geſichte ſamt den Ohren frey und bemahlten ſie mit aller- hand Farben. Wann nun die Todten dergeſtalt ausgeputzet waren, verſchloſſen ſie die- ſelben in glaͤſerne Kaſten, die ausdruͤck- lich dazu, nach der Groͤſſe der Perſon verfertiget waren, und ſtelleten ſie dar- auf in die alleroͤberſten Gemaͤcher ihrer Haͤuſer. Alsdann waren es die koſtbar- ſten Pfaͤnder, und eine ſolche Verſiche- rung ihrer Treu und Glaubens, daß wenn iemand unter ihnen Geld von noͤthen hatte, er kein beſſer Pfand aus- lieffern konte, als dieſe ſeiner Vorfah- ren balſamirten und im Glas liegenden Coͤrper, es war auch derjenige, der auf dergleichen Verpfaͤndung Geld ausleh- nete, wegen Wiedererſtattung deſſelben gantz unbeſorget; denn wenn der Schuldner, das entlehnte Geld nicht wiedererſetzen, und ſein verſetztes zuruͤ- cke nehmen kunte, wurde er fuͤr unehr- lich gehalten: welches ihn denn unver- meidlich dazu anhielte, daß er entweder Mittel ausfinden muſte, ſeine verſetzten Vorfahren zu beſtimmter Zeit wieder einzuloͤſen, oder aber gewaͤrtig zu ſeyn, daß ihn ein iedweder aufs aͤuſſerſte ſchimpfte und ausſchaͤndete. Sie gebrauchten auch dieſe Toden- coͤrper zu weit hoͤhern Dingen; maſſen ſie kein Feſt begiengen, daß ſienicht dieſe Coͤrper

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/356>, abgerufen am 22.11.2024.