steifen Rücken und hob das verrostete Ding auf. Man durfte nichts umkommen lassen. -- Er sah sich im Hofe um. Die Holzverschalung am Westgiebel der Scheune war an verschie¬ denen Stellen brüchig, an einem anderen Flecke fiel der Putz von der Wand. Kostete wieder Geld, das herstellen zu lassen! Die neue Kuh war auch noch nicht voll bezahlt. Zu alledem rückte der Halbjahrstermin heran, wo wiedermal die Zinsen fällig waren. Woher das Geld dazu nehmen! Hafer, Roggen, Stroh, das vorjährige Heu, alles war schon verkauft, Schüttboden und Banse waren leer.
Auf den Feldern standen ja schöne Früchte. Wenn das Wetter weiterhin günstig war, würde er sogar eine ausgezeichnete Ernte machen. -- Der Bauer wandte seine Schritte unwill¬ kürlich dem oberen Hofthore zu, von wo aus man die Felder des Gutes in ihrer ganzen Ausdehnung überblicken konnte.
Er deckte die Augen mit der Hand gegen die Sonnen¬ strahlen. Im klaren Mittagslichte lagen die Fluren vor ihm. Das Kornfeld wogte wie ein grünlicher See mit silbernen Wogenkämmen. Unabsehbar schien die Menge der Ähren¬ häupter, die sich da im Winde beugten und hoben in lang¬ gezogenen schwellenden und sinkenden Wellen. Und der Hafer, der eben die Schoßhalme treiben wollte, stand in dichen Beeten, eine dunkelgrüne lebendige Matte, von ungezählten schlanken spitzen Hälmchen. Und die Kartoffeln mit saftigem Kraut, kraftstrotzend, in langen geraden Reihen, sorgsam gejätet und angehäufelt, daß es eine wahre Lust war für das Auge des Landmanns.
Das war doch sein Eigentum! Hundertfach hatte er es dazu gemacht, durch die Arbeit. Da war nicht ein Fußbreit Land, den er nicht gepflegt hatte mit seinen Händen. Sein Acker war ihm vertraut, wie ein Freund. Er kannte alle seine Eigenarten, seine Schwächen wie Vorzüge, bis ins Kleinste hinein. Er stand zu diesem Boden, dessen Sohn er war, doch auch wieder wie die Mutter zum Kinde; er hatte ihm von dem seinen gegeben: seine Sorge, seine Liebe, seinen Schweiß.
Und nun drohten sich zwischen ihn und dieses Stück Erde,
ſteifen Rücken und hob das verroſtete Ding auf. Man durfte nichts umkommen laſſen. — Er ſah ſich im Hofe um. Die Holzverſchalung am Weſtgiebel der Scheune war an verſchie¬ denen Stellen brüchig, an einem anderen Flecke fiel der Putz von der Wand. Koſtete wieder Geld, das herſtellen zu laſſen! Die neue Kuh war auch noch nicht voll bezahlt. Zu alledem rückte der Halbjahrstermin heran, wo wiedermal die Zinſen fällig waren. Woher das Geld dazu nehmen! Hafer, Roggen, Stroh, das vorjährige Heu, alles war ſchon verkauft, Schüttboden und Banſe waren leer.
Auf den Feldern ſtanden ja ſchöne Früchte. Wenn das Wetter weiterhin günſtig war, würde er ſogar eine ausgezeichnete Ernte machen. — Der Bauer wandte ſeine Schritte unwill¬ kürlich dem oberen Hofthore zu, von wo aus man die Felder des Gutes in ihrer ganzen Ausdehnung überblicken konnte.
Er deckte die Augen mit der Hand gegen die Sonnen¬ ſtrahlen. Im klaren Mittagslichte lagen die Fluren vor ihm. Das Kornfeld wogte wie ein grünlicher See mit ſilbernen Wogenkämmen. Unabſehbar ſchien die Menge der Ähren¬ häupter, die ſich da im Winde beugten und hoben in lang¬ gezogenen ſchwellenden und ſinkenden Wellen. Und der Hafer, der eben die Schoßhalme treiben wollte, ſtand in dichen Beeten, eine dunkelgrüne lebendige Matte, von ungezählten ſchlanken ſpitzen Hälmchen. Und die Kartoffeln mit ſaftigem Kraut, kraftſtrotzend, in langen geraden Reihen, ſorgſam gejätet und angehäufelt, daß es eine wahre Luſt war für das Auge des Landmanns.
Das war doch ſein Eigentum! Hundertfach hatte er es dazu gemacht, durch die Arbeit. Da war nicht ein Fußbreit Land, den er nicht gepflegt hatte mit ſeinen Händen. Sein Acker war ihm vertraut, wie ein Freund. Er kannte alle ſeine Eigenarten, ſeine Schwächen wie Vorzüge, bis ins Kleinſte hinein. Er ſtand zu dieſem Boden, deſſen Sohn er war, doch auch wieder wie die Mutter zum Kinde; er hatte ihm von dem ſeinen gegeben: ſeine Sorge, ſeine Liebe, ſeinen Schweiß.
Und nun drohten ſich zwiſchen ihn und dieſes Stück Erde,
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ſteifen Rücken und hob das verroſtete Ding auf. Man durfte
nichts umkommen laſſen. — Er ſah ſich im Hofe um. Die
Holzverſchalung am Weſtgiebel der Scheune war an verſchie¬
denen Stellen brüchig, an einem anderen Flecke fiel der Putz
von der Wand. Koſtete wieder Geld, das herſtellen zu
laſſen! Die neue Kuh war auch noch nicht voll bezahlt. Zu
alledem rückte der Halbjahrstermin heran, wo wiedermal die
Zinſen fällig waren. Woher das Geld dazu nehmen! Hafer,
Roggen, Stroh, das vorjährige Heu, alles war ſchon verkauft,
Schüttboden und Banſe waren leer.
Auf den Feldern ſtanden ja ſchöne Früchte. Wenn das
Wetter weiterhin günſtig war, würde er ſogar eine ausgezeichnete
Ernte machen. — Der Bauer wandte ſeine Schritte unwill¬
kürlich dem oberen Hofthore zu, von wo aus man die Felder
des Gutes in ihrer ganzen Ausdehnung überblicken konnte.
Er deckte die Augen mit der Hand gegen die Sonnen¬
ſtrahlen. Im klaren Mittagslichte lagen die Fluren vor ihm.
Das Kornfeld wogte wie ein grünlicher See mit ſilbernen
Wogenkämmen. Unabſehbar ſchien die Menge der Ähren¬
häupter, die ſich da im Winde beugten und hoben in lang¬
gezogenen ſchwellenden und ſinkenden Wellen. Und der Hafer,
der eben die Schoßhalme treiben wollte, ſtand in dichen Beeten,
eine dunkelgrüne lebendige Matte, von ungezählten ſchlanken
ſpitzen Hälmchen. Und die Kartoffeln mit ſaftigem Kraut,
kraftſtrotzend, in langen geraden Reihen, ſorgſam gejätet und
angehäufelt, daß es eine wahre Luſt war für das Auge des
Landmanns.
Das war doch ſein Eigentum! Hundertfach hatte er es
dazu gemacht, durch die Arbeit. Da war nicht ein Fußbreit
Land, den er nicht gepflegt hatte mit ſeinen Händen. Sein
Acker war ihm vertraut, wie ein Freund. Er kannte alle ſeine
Eigenarten, ſeine Schwächen wie Vorzüge, bis ins Kleinſte
hinein. Er ſtand zu dieſem Boden, deſſen Sohn er war, doch
auch wieder wie die Mutter zum Kinde; er hatte ihm von dem
ſeinen gegeben: ſeine Sorge, ſeine Liebe, ſeinen Schweiß.
Und nun drohten ſich zwiſchen ihn und dieſes Stück Erde,
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/84>, abgerufen am 25.11.2024.
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