Nachdem man beim Advokaten und auf dem Gerichte ge¬ wesen war -- wo Harrassowitz, der in diesen Dingen äußerst bewandert zu sein schien, alles veranlaßt hatte, so daß der Büttnerbauer nur zu unterschreiben brauchte -- ging man zum "Mutigen Ritter". Denn die Mittagszeit war inzwischen herangekommen, und der Bauer wollte heimfahren.
Harrassowitz versicherte dem Alten, daß er ihn nächstens einmal in Halbenau besuchen werde. Es interessiere ihn, das Gut und die Wirtschaft mal in Augenschein zu nehmen.
"Kimma Se ack, Herr Harrassowitz! Kimma Se ack!" rief der alte Bauer, "'s sull mir ane Freide sein!"
Damit drückte er dem Händler treuherzig beide Hände zum Abschiede.
Der Büttnerbauer verließ die Stadt in bester Laune. Er hatte die Tasche voll Geld, das er für seinen Hafer einge¬ nommen. Und was noch weit mehr bedeuten wollte, seine Hypothek hatte er untergebracht. Nun hing ihm auf ein¬ mal der Himmel voller Geigen. Es schien keine Sorgen und Nöte mehr zu geben auf der Welt, die Zukunft lag vor ihm im heitersten Lichte. Nun würde er sich die neue Kuh an¬ schaffen können! so recht eine nach seinem Herzen, mit langem Rücken und starkem Euter, womöglich schwarz und weiß ge¬ fleckt. Das waren seiner Erfahrung nach die besten Milch¬ kühe. Und dann liebäugelte er über diesen Plan hinaus mit einem anderen, noch kühnerern: die Scheune umdecken! das Strohdach kostete zu viel Reparaturen. Noch vor ein paar Tagen hatte er zu seinem Sohne Gustav gesagt, daß das eine Ausgabe sei, die er in seinem Leben nicht mehr werde auf sich nehmen können. Heute stellte er im Geiste schnell einen Kosten¬ anschlag auf, der erstaunlich günstig ausfiel. Es würde schon gehen! es mußte ja alles gut werden. --
Der Bauer schmunzelte in einem fort und pfiff auch gelegent¬ lich still vergnügt vor sich hin. Etwas wie ein langverhaltener Jugendübermut kam über den alten Mann. Hätte er einen Bummler überholt, er würde ihn aufgefordert haben, zu ihm in den leeren Kälberwagen zu springen, nur um jemanden bei sich
Nachdem man beim Advokaten und auf dem Gerichte ge¬ weſen war — wo Harraſſowitz, der in dieſen Dingen äußerſt bewandert zu ſein ſchien, alles veranlaßt hatte, ſo daß der Büttnerbauer nur zu unterſchreiben brauchte — ging man zum „Mutigen Ritter“. Denn die Mittagszeit war inzwiſchen herangekommen, und der Bauer wollte heimfahren.
Harraſſowitz verſicherte dem Alten, daß er ihn nächſtens einmal in Halbenau beſuchen werde. Es intereſſiere ihn, das Gut und die Wirtſchaft mal in Augenſchein zu nehmen.
„Kimma Se ack, Herr Harraſſowitz! Kimma Se ack!“ rief der alte Bauer, „'s ſull mir ane Freide ſein!“
Damit drückte er dem Händler treuherzig beide Hände zum Abſchiede.
Der Büttnerbauer verließ die Stadt in beſter Laune. Er hatte die Taſche voll Geld, das er für ſeinen Hafer einge¬ nommen. Und was noch weit mehr bedeuten wollte, ſeine Hypothek hatte er untergebracht. Nun hing ihm auf ein¬ mal der Himmel voller Geigen. Es ſchien keine Sorgen und Nöte mehr zu geben auf der Welt, die Zukunft lag vor ihm im heiterſten Lichte. Nun würde er ſich die neue Kuh an¬ ſchaffen können! ſo recht eine nach ſeinem Herzen, mit langem Rücken und ſtarkem Euter, womöglich ſchwarz und weiß ge¬ fleckt. Das waren ſeiner Erfahrung nach die beſten Milch¬ kühe. Und dann liebäugelte er über dieſen Plan hinaus mit einem anderen, noch kühnerern: die Scheune umdecken! das Strohdach koſtete zu viel Reparaturen. Noch vor ein paar Tagen hatte er zu ſeinem Sohne Guſtav geſagt, daß das eine Ausgabe ſei, die er in ſeinem Leben nicht mehr werde auf ſich nehmen können. Heute ſtellte er im Geiſte ſchnell einen Koſten¬ anſchlag auf, der erſtaunlich günſtig ausfiel. Es würde ſchon gehen! es mußte ja alles gut werden. —
Der Bauer ſchmunzelte in einem fort und pfiff auch gelegent¬ lich ſtill vergnügt vor ſich hin. Etwas wie ein langverhaltener Jugendübermut kam über den alten Mann. Hätte er einen Bummler überholt, er würde ihn aufgefordert haben, zu ihm in den leeren Kälberwagen zu ſpringen, nur um jemanden bei ſich
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Nachdem man beim Advokaten und auf dem Gerichte ge¬
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bewandert zu ſein ſchien, alles veranlaßt hatte, ſo daß der
Büttnerbauer nur zu unterſchreiben brauchte — ging man zum
„Mutigen Ritter“. Denn die Mittagszeit war inzwiſchen
herangekommen, und der Bauer wollte heimfahren.
Harraſſowitz verſicherte dem Alten, daß er ihn nächſtens
einmal in Halbenau beſuchen werde. Es intereſſiere ihn, das
Gut und die Wirtſchaft mal in Augenſchein zu nehmen.
„Kimma Se ack, Herr Harraſſowitz! Kimma Se ack!“
rief der alte Bauer, „'s ſull mir ane Freide ſein!“
Damit drückte er dem Händler treuherzig beide Hände
zum Abſchiede.
Der Büttnerbauer verließ die Stadt in beſter Laune. Er
hatte die Taſche voll Geld, das er für ſeinen Hafer einge¬
nommen. Und was noch weit mehr bedeuten wollte, ſeine
Hypothek hatte er untergebracht. Nun hing ihm auf ein¬
mal der Himmel voller Geigen. Es ſchien keine Sorgen und
Nöte mehr zu geben auf der Welt, die Zukunft lag vor ihm
im heiterſten Lichte. Nun würde er ſich die neue Kuh an¬
ſchaffen können! ſo recht eine nach ſeinem Herzen, mit langem
Rücken und ſtarkem Euter, womöglich ſchwarz und weiß ge¬
fleckt. Das waren ſeiner Erfahrung nach die beſten Milch¬
kühe. Und dann liebäugelte er über dieſen Plan hinaus mit
einem anderen, noch kühnerern: die Scheune umdecken! das
Strohdach koſtete zu viel Reparaturen. Noch vor ein paar
Tagen hatte er zu ſeinem Sohne Guſtav geſagt, daß das eine
Ausgabe ſei, die er in ſeinem Leben nicht mehr werde auf ſich
nehmen können. Heute ſtellte er im Geiſte ſchnell einen Koſten¬
anſchlag auf, der erſtaunlich günſtig ausfiel. Es würde ſchon
gehen! es mußte ja alles gut werden. —
Der Bauer ſchmunzelte in einem fort und pfiff auch gelegent¬
lich ſtill vergnügt vor ſich hin. Etwas wie ein langverhaltener
Jugendübermut kam über den alten Mann. Hätte er einen
Bummler überholt, er würde ihn aufgefordert haben, zu ihm
in den leeren Kälberwagen zu ſpringen, nur um jemanden bei ſich
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/69>, abgerufen am 26.11.2024.
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