"Ich weiß, ich weiß, es lastet vielerlei auf dem Ökonomen heutzutage. Sind denn die Abgaben und Lasten so bedeutend in Halbenau?"
Der Büttnerbauer schüttete darüber sein Herz gründlich aus. Harrassowitz ließ ihn reden; nur manchmal warf er eine Bemerkung ein, die den einmal warm Gewordenen veranlaßte, mehr und mehr von seinen Verhältnissen aufzudecken.
Jetzt war der Büttnerbauer bei seinem Hauptbeschwernis angelangt: seinem mächtigen Nachbarn, der Herrschaft Saland.
"Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne, Herr Büttner!" rief der Händler, "solch einen Großgrundbesitzer zum Nachbarn zu haben, ist kein Spaß! Die Leute sind landgierig, die möchten die Bauern am liebsten alle legen. Das ist ein wahrer Krebs¬ schaden für unser Volk, die Latifundienwirtschaft. Ein freier, selbständiger Bauernstand wird immer eine Grundbedingung für das Gedeihen des ganzen Staates bilden. Wer soll uns denn die Soldaten liefern -- was, he? Die strammen Sol¬ daten für unser Heer, wenn nicht der Bauernstand! -- Grenzen Sie an einer oder an mehreren Seiten mit der Herrschaft Saland?"
Der Bauer erzählte, daß er so gut wie eingeschlossen sei durch das Dominium. Dann ereiferte er sich über den Wild¬ schaden.
"Schrecklich! aber dafür hat natürlich so ein Graf gar keinen Sinn!" rief der Händler mit dem Ausdrucke höchster Entrüstung, "wenn sichs nur um Bauernflur handelt. Trau¬ rige Zustände sind das! Hat Ihnen der Graf denn schon mal ein Angebot machen lassen wegen Ihres Gutes?"
Der Büttnerbauer berichtete, daß der Graf schon seit Jahren um seinen Wald handle, aber, daß er ihm nicht einen Fußbreit abzulassen gesonnen sei. Harassowitz horchte scharf hin auf diese Angaben. Dann nahm er auf einmal wieder eine nachdenkliche Miene an.
"Ja, das sind traurige Verhältnisse! Das zehrt am Ver¬ mögen, das will ich schon glauben. Da haben Sie doch aller¬ hand Sorgen, mein guter Herr Büttner. -- Haben Sie denn etwa auch Hypothekenschulden auf Ihrem Gute?"
„Ich weiß, ich weiß, es laſtet vielerlei auf dem Ökonomen heutzutage. Sind denn die Abgaben und Laſten ſo bedeutend in Halbenau?“
Der Büttnerbauer ſchüttete darüber ſein Herz gründlich aus. Harraſſowitz ließ ihn reden; nur manchmal warf er eine Bemerkung ein, die den einmal warm Gewordenen veranlaßte, mehr und mehr von ſeinen Verhältniſſen aufzudecken.
Jetzt war der Büttnerbauer bei ſeinem Hauptbeſchwernis angelangt: ſeinem mächtigen Nachbarn, der Herrſchaft Saland.
„Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne, Herr Büttner!“ rief der Händler, „ſolch einen Großgrundbeſitzer zum Nachbarn zu haben, iſt kein Spaß! Die Leute ſind landgierig, die möchten die Bauern am liebſten alle legen. Das iſt ein wahrer Krebs¬ ſchaden für unſer Volk, die Latifundienwirtſchaft. Ein freier, ſelbſtändiger Bauernſtand wird immer eine Grundbedingung für das Gedeihen des ganzen Staates bilden. Wer ſoll uns denn die Soldaten liefern — was, he? Die ſtrammen Sol¬ daten für unſer Heer, wenn nicht der Bauernſtand! — Grenzen Sie an einer oder an mehreren Seiten mit der Herrſchaft Saland?“
Der Bauer erzählte, daß er ſo gut wie eingeſchloſſen ſei durch das Dominium. Dann ereiferte er ſich über den Wild¬ ſchaden.
„Schrecklich! aber dafür hat natürlich ſo ein Graf gar keinen Sinn!“ rief der Händler mit dem Ausdrucke höchſter Entrüſtung, „wenn ſichs nur um Bauernflur handelt. Trau¬ rige Zuſtände ſind das! Hat Ihnen der Graf denn ſchon mal ein Angebot machen laſſen wegen Ihres Gutes?“
Der Büttnerbauer berichtete, daß der Graf ſchon ſeit Jahren um ſeinen Wald handle, aber, daß er ihm nicht einen Fußbreit abzulaſſen geſonnen ſei. Haraſſowitz horchte ſcharf hin auf dieſe Angaben. Dann nahm er auf einmal wieder eine nachdenkliche Miene an.
„Ja, das ſind traurige Verhältniſſe! Das zehrt am Ver¬ mögen, das will ich ſchon glauben. Da haben Sie doch aller¬ hand Sorgen, mein guter Herr Büttner. — Haben Sie denn etwa auch Hypothekenſchulden auf Ihrem Gute?“
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„Ich weiß, ich weiß, es laſtet vielerlei auf dem Ökonomen
heutzutage. Sind denn die Abgaben und Laſten ſo bedeutend
in Halbenau?“
Der Büttnerbauer ſchüttete darüber ſein Herz gründlich
aus. Harraſſowitz ließ ihn reden; nur manchmal warf er eine
Bemerkung ein, die den einmal warm Gewordenen veranlaßte,
mehr und mehr von ſeinen Verhältniſſen aufzudecken.
Jetzt war der Büttnerbauer bei ſeinem Hauptbeſchwernis
angelangt: ſeinem mächtigen Nachbarn, der Herrſchaft Saland.
„Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne, Herr Büttner!“ rief
der Händler, „ſolch einen Großgrundbeſitzer zum Nachbarn zu
haben, iſt kein Spaß! Die Leute ſind landgierig, die möchten
die Bauern am liebſten alle legen. Das iſt ein wahrer Krebs¬
ſchaden für unſer Volk, die Latifundienwirtſchaft. Ein freier,
ſelbſtändiger Bauernſtand wird immer eine Grundbedingung
für das Gedeihen des ganzen Staates bilden. Wer ſoll uns
denn die Soldaten liefern — was, he? Die ſtrammen Sol¬
daten für unſer Heer, wenn nicht der Bauernſtand! — Grenzen
Sie an einer oder an mehreren Seiten mit der Herrſchaft Saland?“
Der Bauer erzählte, daß er ſo gut wie eingeſchloſſen ſei
durch das Dominium. Dann ereiferte er ſich über den Wild¬
ſchaden.
„Schrecklich! aber dafür hat natürlich ſo ein Graf gar
keinen Sinn!“ rief der Händler mit dem Ausdrucke höchſter
Entrüſtung, „wenn ſichs nur um Bauernflur handelt. Trau¬
rige Zuſtände ſind das! Hat Ihnen der Graf denn ſchon mal
ein Angebot machen laſſen wegen Ihres Gutes?“
Der Büttnerbauer berichtete, daß der Graf ſchon ſeit
Jahren um ſeinen Wald handle, aber, daß er ihm nicht einen
Fußbreit abzulaſſen geſonnen ſei. Haraſſowitz horchte ſcharf
hin auf dieſe Angaben. Dann nahm er auf einmal wieder eine
nachdenkliche Miene an.
„Ja, das ſind traurige Verhältniſſe! Das zehrt am Ver¬
mögen, das will ich ſchon glauben. Da haben Sie doch aller¬
hand Sorgen, mein guter Herr Büttner. — Haben Sie denn
etwa auch Hypothekenſchulden auf Ihrem Gute?“
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/61>, abgerufen am 27.11.2024.
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