Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

der Darstellung schließt aber die Milde, ja eine gewisse Weichheit
des Empfindens nicht aus. Nirgends giebt Polenz bloße Photo¬
graphie, was er erzählt, hat stets einen besonderen Sinn, einen
ethischen Kern; eine tiefhumane Gesinnung, ein Streben, auch im
Unscheinbarsten den Gehalt des Göttlichen zu erkennen, zeichnet
alle Schöpfungen des Dichters aus. Selbst gegen das, was ihm
verhaßt ist, gegen Pharisäer, glatte Streber und aufgeblasene
Hohlköpfe, kämpft Polenz weniger mit schlagender Geißel, als mit
überlegener Ironie. Sein Talent ist ein vielseitiges, nur im rein
Lyrischen ruht seine Stärke nicht. Das vorliegende Buch bildet ein
Gemisch von kleinen Novellen, Skizzen, Satiren und Gedichten;
es ist manches Schwächliche darunter, das Bedeutende aber über¬
wiegt weitaus. Ein kleines Meisterstück ist gleich die erste Erzäh¬
lung "Karline", die in einfachster Weise von einem braven ein¬
fältigen Landmädchen erzählt und doch eine Fülle feiner Seelen¬
beobachtung verrät. Durch sinnvollen Gehalt entzückt die Skizze
"Bezahl's Gott", in der sich ein innerlicher Humor offenbart, der,
um zu wirken, gar keiner äußeren Spaßmittel bedarf. Wie die
reiche Kuhbichbäuerin, die ihr ganzes Leben hindurch ihr Herz
vor jeder Mitleidserregung bewahrt hat, schließlich doch noch ihrer
"ewigen Seligkeit" gewiß wird, das ist so köstlich und eigenartig
aus dem Leben heraus erzählt, daß man den Verfasser gern um
mehr dergleichen bitten möchte. Aehnliches Gepräge trägt "Eine
Partie Skat", nur daß der Humor hier bittrer und schärfer er¬
scheint. Von den Satiren, die meist im Versgewande auftreten, er
freut die Geschichte vom Gigerl und Obergigerl durch ihre sprach¬
liche Kunstfertigkeit, der Bericht über die Synode, von der Jesus als
"Fremder" ausgeschlossen wird, durch ihren sinnigen, nur zu zeit¬
gemäßen Inhalt. Seinem nationalen Fühlen giebt der Dichter in
dem "antisemitischen" Gleichnis vom "Sämann und Dohlen"
kräftigen Ausdruck. Auch unter den "Gedichten" im engeren
Sinne findet sich manch schwungvoller Erguß, wie das von Hutten,
und manches anziehende Bild, u. A. "Eine Königin", "Vor einem
Christusbilde", "Freiheit."

der Darſtellung ſchließt aber die Milde, ja eine gewiſſe Weichheit
des Empfindens nicht aus. Nirgends giebt Polenz bloße Photo¬
graphie, was er erzählt, hat ſtets einen beſonderen Sinn, einen
ethiſchen Kern; eine tiefhumane Geſinnung, ein Streben, auch im
Unſcheinbarſten den Gehalt des Göttlichen zu erkennen, zeichnet
alle Schöpfungen des Dichters aus. Selbſt gegen das, was ihm
verhaßt iſt, gegen Phariſäer, glatte Streber und aufgeblaſene
Hohlköpfe, kämpft Polenz weniger mit ſchlagender Geißel, als mit
überlegener Ironie. Sein Talent iſt ein vielſeitiges, nur im rein
Lyriſchen ruht ſeine Stärke nicht. Das vorliegende Buch bildet ein
Gemiſch von kleinen Novellen, Skizzen, Satiren und Gedichten;
es iſt manches Schwächliche darunter, das Bedeutende aber über¬
wiegt weitaus. Ein kleines Meiſterſtück iſt gleich die erſte Erzäh¬
lung „Karline“, die in einfachſter Weiſe von einem braven ein¬
fältigen Landmädchen erzählt und doch eine Fülle feiner Seelen¬
beobachtung verrät. Durch ſinnvollen Gehalt entzückt die Skizze
„Bezahl's Gott“, in der ſich ein innerlicher Humor offenbart, der,
um zu wirken, gar keiner äußeren Spaßmittel bedarf. Wie die
reiche Kuhbichbäuerin, die ihr ganzes Leben hindurch ihr Herz
vor jeder Mitleidserregung bewahrt hat, ſchließlich doch noch ihrer
„ewigen Seligkeit“ gewiß wird, das iſt ſo köſtlich und eigenartig
aus dem Leben heraus erzählt, daß man den Verfaſſer gern um
mehr dergleichen bitten möchte. Aehnliches Gepräge trägt „Eine
Partie Skat“, nur daß der Humor hier bittrer und ſchärfer er¬
ſcheint. Von den Satiren, die meiſt im Versgewande auftreten, er
freut die Geſchichte vom Gigerl und Obergigerl durch ihre ſprach¬
liche Kunſtfertigkeit, der Bericht über die Synode, von der Jeſus als
„Fremder“ ausgeſchloſſen wird, durch ihren ſinnigen, nur zu zeit¬
gemäßen Inhalt. Seinem nationalen Fühlen giebt der Dichter in
dem „antiſemitiſchen“ Gleichnis vom „Sämann und Dohlen“
kräftigen Ausdruck. Auch unter den „Gedichten“ im engeren
Sinne findet ſich manch ſchwungvoller Erguß, wie das von Hutten,
und manches anziehende Bild, u. A. „Eine Königin“, „Vor einem
Chriſtusbilde“, „Freiheit.“

<TEI>
  <text>
    <back>
      <div type="advertisement">
        <p><pb facs="#f0449"/>
der Dar&#x017F;tellung &#x017F;chließt aber die Milde, ja eine gewi&#x017F;&#x017F;e Weichheit<lb/>
des Empfindens nicht aus. Nirgends giebt Polenz bloße Photo¬<lb/>
graphie, was er erzählt, hat &#x017F;tets einen be&#x017F;onderen Sinn, einen<lb/>
ethi&#x017F;chen Kern; eine tiefhumane Ge&#x017F;innung, ein Streben, auch im<lb/>
Un&#x017F;cheinbar&#x017F;ten den Gehalt des Göttlichen zu erkennen, zeichnet<lb/>
alle Schöpfungen des Dichters aus. Selb&#x017F;t gegen das, was ihm<lb/>
verhaßt i&#x017F;t, gegen Phari&#x017F;äer, glatte Streber und aufgebla&#x017F;ene<lb/>
Hohlköpfe, kämpft Polenz weniger mit &#x017F;chlagender Geißel, als mit<lb/>
überlegener Ironie. Sein Talent i&#x017F;t ein viel&#x017F;eitiges, nur im rein<lb/>
Lyri&#x017F;chen ruht &#x017F;eine Stärke nicht. Das vorliegende Buch bildet ein<lb/>
Gemi&#x017F;ch von kleinen Novellen, Skizzen, Satiren und Gedichten;<lb/>
es i&#x017F;t manches Schwächliche darunter, das Bedeutende aber über¬<lb/>
wiegt weitaus. Ein kleines Mei&#x017F;ter&#x017F;tück i&#x017F;t gleich die er&#x017F;te Erzäh¬<lb/>
lung &#x201E;Karline&#x201C;, die in einfach&#x017F;ter Wei&#x017F;e von einem braven ein¬<lb/>
fältigen Landmädchen erzählt und doch eine Fülle feiner Seelen¬<lb/>
beobachtung verrät. Durch &#x017F;innvollen Gehalt entzückt die Skizze<lb/>
&#x201E;Bezahl's Gott&#x201C;, in der &#x017F;ich ein innerlicher Humor offenbart, der,<lb/>
um zu wirken, gar keiner äußeren Spaßmittel bedarf. Wie die<lb/>
reiche Kuhbichbäuerin, die ihr ganzes Leben hindurch ihr Herz<lb/>
vor jeder Mitleidserregung bewahrt hat, &#x017F;chließlich doch noch ihrer<lb/>
&#x201E;ewigen Seligkeit&#x201C; gewiß wird, das i&#x017F;t &#x017F;o kö&#x017F;tlich und eigenartig<lb/>
aus dem Leben heraus erzählt, daß man den Verfa&#x017F;&#x017F;er gern um<lb/>
mehr dergleichen bitten möchte. Aehnliches Gepräge trägt &#x201E;Eine<lb/>
Partie Skat&#x201C;, nur daß der Humor hier bittrer und &#x017F;chärfer er¬<lb/>
&#x017F;cheint. Von den Satiren, die mei&#x017F;t im Versgewande auftreten, er<lb/>
freut die Ge&#x017F;chichte vom Gigerl und Obergigerl durch ihre &#x017F;prach¬<lb/>
liche Kun&#x017F;tfertigkeit, der Bericht über die Synode, von der Je&#x017F;us als<lb/>
&#x201E;Fremder&#x201C; ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wird, durch ihren &#x017F;innigen, nur zu zeit¬<lb/>
gemäßen Inhalt. Seinem nationalen Fühlen giebt der Dichter in<lb/>
dem &#x201E;anti&#x017F;emiti&#x017F;chen&#x201C; Gleichnis vom &#x201E;Sämann und Dohlen&#x201C;<lb/>
kräftigen Ausdruck. Auch unter den &#x201E;Gedichten&#x201C; im engeren<lb/>
Sinne findet &#x017F;ich manch &#x017F;chwungvoller Erguß, wie das von Hutten,<lb/>
und manches anziehende Bild, u. A. &#x201E;Eine Königin&#x201C;, &#x201E;Vor einem<lb/>
Chri&#x017F;tusbilde&#x201C;, &#x201E;Freiheit.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[0449] der Darſtellung ſchließt aber die Milde, ja eine gewiſſe Weichheit des Empfindens nicht aus. Nirgends giebt Polenz bloße Photo¬ graphie, was er erzählt, hat ſtets einen beſonderen Sinn, einen ethiſchen Kern; eine tiefhumane Geſinnung, ein Streben, auch im Unſcheinbarſten den Gehalt des Göttlichen zu erkennen, zeichnet alle Schöpfungen des Dichters aus. Selbſt gegen das, was ihm verhaßt iſt, gegen Phariſäer, glatte Streber und aufgeblaſene Hohlköpfe, kämpft Polenz weniger mit ſchlagender Geißel, als mit überlegener Ironie. Sein Talent iſt ein vielſeitiges, nur im rein Lyriſchen ruht ſeine Stärke nicht. Das vorliegende Buch bildet ein Gemiſch von kleinen Novellen, Skizzen, Satiren und Gedichten; es iſt manches Schwächliche darunter, das Bedeutende aber über¬ wiegt weitaus. Ein kleines Meiſterſtück iſt gleich die erſte Erzäh¬ lung „Karline“, die in einfachſter Weiſe von einem braven ein¬ fältigen Landmädchen erzählt und doch eine Fülle feiner Seelen¬ beobachtung verrät. Durch ſinnvollen Gehalt entzückt die Skizze „Bezahl's Gott“, in der ſich ein innerlicher Humor offenbart, der, um zu wirken, gar keiner äußeren Spaßmittel bedarf. Wie die reiche Kuhbichbäuerin, die ihr ganzes Leben hindurch ihr Herz vor jeder Mitleidserregung bewahrt hat, ſchließlich doch noch ihrer „ewigen Seligkeit“ gewiß wird, das iſt ſo köſtlich und eigenartig aus dem Leben heraus erzählt, daß man den Verfaſſer gern um mehr dergleichen bitten möchte. Aehnliches Gepräge trägt „Eine Partie Skat“, nur daß der Humor hier bittrer und ſchärfer er¬ ſcheint. Von den Satiren, die meiſt im Versgewande auftreten, er freut die Geſchichte vom Gigerl und Obergigerl durch ihre ſprach¬ liche Kunſtfertigkeit, der Bericht über die Synode, von der Jeſus als „Fremder“ ausgeſchloſſen wird, durch ihren ſinnigen, nur zu zeit¬ gemäßen Inhalt. Seinem nationalen Fühlen giebt der Dichter in dem „antiſemitiſchen“ Gleichnis vom „Sämann und Dohlen“ kräftigen Ausdruck. Auch unter den „Gedichten“ im engeren Sinne findet ſich manch ſchwungvoller Erguß, wie das von Hutten, und manches anziehende Bild, u. A. „Eine Königin“, „Vor einem Chriſtusbilde“, „Freiheit.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/449
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/449>, abgerufen am 23.07.2024.