Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.Wenn ihm das einer in der Jugend gesagt hätte, daß er Er betete ein Vaterunser, das erleichterte ihn. Dann Er wollte sterben; tausendmal hatte er sich's überlegt. Es Nun waren sie fort. Was die anderen sagen würden, die Heute wollte er's mal zu Ende führen. Er war ja gut Jetzt stand er auf dem Steinhaufen, der Strick saß fest Noch einmal hielt er inne. Sein Blick flog über die Fast unbewußt streifte er die Schlinge über den Kopf. Noch ein Vaterunser! Der Strick würgte ihn schon am Halse. Er fühlte die Was war denn das an seinem Halse? Ein Band mit So helft mir doch! Schneidet mich ab! Seht Ihr's denn Wenn ihm das einer in der Jugend geſagt hätte, daß er Er betete ein Vaterunſer, das erleichterte ihn. Dann Er wollte ſterben; tauſendmal hatte er ſich's überlegt. Es Nun waren ſie fort. Was die anderen ſagen würden, die Heute wollte er's mal zu Ende führen. Er war ja gut Jetzt ſtand er auf dem Steinhaufen, der Strick ſaß feſt Noch einmal hielt er inne. Sein Blick flog über die Faſt unbewußt ſtreifte er die Schlinge über den Kopf. Noch ein Vaterunſer! Der Strick würgte ihn ſchon am Halſe. Er fühlte die Was war denn das an ſeinem Halſe? Ein Band mit So helft mir doch! Schneidet mich ab! Seht Ihr's denn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0440" n="426"/> Wenn ihm das einer in der Jugend geſagt hätte, daß er<lb/> ſo enden werde!</p><lb/> <p>Er betete ein Vaterunſer, das erleichterte ihn. Dann<lb/> richtete er ſich auf; der Furchtanfall war vorüber.</p><lb/> <p>Er wollte ſterben; tauſendmal hatte er ſich's überlegt. Es<lb/> war nicht das erſte Mal, daß er mit dem Stricke in der Taſche<lb/> hier draußen ſtand. Bisher hatte ihn immer noch der Ge¬<lb/> danke an ſeine Kinder abgehalten, das Letzte zu thun. Sie<lb/> ſollten ihn nicht ſo hängen ſehen. —</p><lb/> <p>Nun waren ſie fort. Was die anderen ſagen würden, die<lb/> Fremden, war ihm gleichgültig.</p><lb/> <p>Heute wollte er's mal zu Ende führen. Er war ja gut<lb/> zum Sterben vorbereitet: war zur Beichte geweſen, hatte das<lb/> heilige Abendmahl genoſſen; Gott mußte ihm ſeine Sünde<lb/> vergeben. —</p><lb/> <p>Jetzt ſtand er auf dem Steinhaufen, der Strick ſaß feſt<lb/> am Aſte, er brauchte nur den Kopf durch die Schlinge zu<lb/> ſtecken. —</p><lb/> <p>Noch einmal hielt er inne. Sein Blick flog über die<lb/> Felder und Wieſen zu ſeinen Füßen. Das war ſein Land, er<lb/> ſtarb auf ſeinem Grund und Boden. Sein Auge ſuchte das<lb/> Vaterhaus; da unten lag es, winkte zu ihm herüber aus blühen¬<lb/> den Baumkronen.</p><lb/> <p>Faſt unbewußt ſtreifte er die Schlinge über den Kopf.<lb/> Wenn er ſich nun mit den Füßen abſtieß, war's geſchehen.</p><lb/> <p>Noch ein Vaterunſer!</p><lb/> <p>Der Strick würgte ihn ſchon am Halſe. Er fühlte die<lb/> Steine unter ſich rollen. Unwillkürlich ſuchte er eine Stütze<lb/> mit den Füßen. Umſonſt! Er hatte den Grund verloren,<lb/> ſein Körper wurde lang.</p><lb/> <p>Was war denn das an ſeinem Halſe? Ein Band mit<lb/> eiſernen Stacheln! — Sie riſſen ihm den Körper in Stücke!<lb/> Hing er denn? Er ſah ja noch alles, ganz deutlich: dort,<lb/> die beiden Leute, zehn Schritt von ihm. —</p><lb/> <p>So helft mir doch! Schneidet mich ab! Seht Ihr's denn<lb/> nicht! —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [426/0440]
Wenn ihm das einer in der Jugend geſagt hätte, daß er
ſo enden werde!
Er betete ein Vaterunſer, das erleichterte ihn. Dann
richtete er ſich auf; der Furchtanfall war vorüber.
Er wollte ſterben; tauſendmal hatte er ſich's überlegt. Es
war nicht das erſte Mal, daß er mit dem Stricke in der Taſche
hier draußen ſtand. Bisher hatte ihn immer noch der Ge¬
danke an ſeine Kinder abgehalten, das Letzte zu thun. Sie
ſollten ihn nicht ſo hängen ſehen. —
Nun waren ſie fort. Was die anderen ſagen würden, die
Fremden, war ihm gleichgültig.
Heute wollte er's mal zu Ende führen. Er war ja gut
zum Sterben vorbereitet: war zur Beichte geweſen, hatte das
heilige Abendmahl genoſſen; Gott mußte ihm ſeine Sünde
vergeben. —
Jetzt ſtand er auf dem Steinhaufen, der Strick ſaß feſt
am Aſte, er brauchte nur den Kopf durch die Schlinge zu
ſtecken. —
Noch einmal hielt er inne. Sein Blick flog über die
Felder und Wieſen zu ſeinen Füßen. Das war ſein Land, er
ſtarb auf ſeinem Grund und Boden. Sein Auge ſuchte das
Vaterhaus; da unten lag es, winkte zu ihm herüber aus blühen¬
den Baumkronen.
Faſt unbewußt ſtreifte er die Schlinge über den Kopf.
Wenn er ſich nun mit den Füßen abſtieß, war's geſchehen.
Noch ein Vaterunſer!
Der Strick würgte ihn ſchon am Halſe. Er fühlte die
Steine unter ſich rollen. Unwillkürlich ſuchte er eine Stütze
mit den Füßen. Umſonſt! Er hatte den Grund verloren,
ſein Körper wurde lang.
Was war denn das an ſeinem Halſe? Ein Band mit
eiſernen Stacheln! — Sie riſſen ihm den Körper in Stücke!
Hing er denn? Er ſah ja noch alles, ganz deutlich: dort,
die beiden Leute, zehn Schritt von ihm. —
So helft mir doch! Schneidet mich ab! Seht Ihr's denn
nicht! —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |