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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Auch Gustav sollte bedacht werden. Der Alte schleppte
seinen Schafwollpelz herbei, den er seit dreißig und mehr
Jahren führte.

Pauline weigerte sich, den Pelz für ihren Mann anzu¬
nehmen; den müsse der Vater behalten, damit er im Winter
was Warmes habe.

"Ich wer' keenen Winter mehr sahn!" sagte der Bauer.

Da er böse zu werden drohte über ihre Weigerung,
nahm sie den Pelz schließlich an, zum Schein. Sie wollte
ihn der eigenen Mutter übergeben, die ihn einstweilen aufbe¬
wahren und dem Alten bei beginnender Winterszeit zurück¬
stellen sollte. --

An einem Sonntag Morgen in der Frühe nahmen Gustav
und Pauline Abschied von Halbenau. Ihre Abreise hatte
manchen Freund und manche Freundin herbeigelockt. Frau
Katschner schwamm in Thränen. Sie mußte der Tochter
heilig versprechen, daß sie nach dem alten Büttner sehen
werde.

Die Witwe hatte im Stillen noch nicht alle Hoffnung
aufgegeben, daß ihr noch ein zweites Mal die Freuden des
Ehestandes zu teil werden möchten. Im geheimsten Käm¬
merchen ihres Herzens regierte kein anderer, als Traugott
Büttner allein.

Der alte Mann war nicht erschienen, um von seinen
Kindern Abschied zu nehmen. Die Leute sagten, er sei auf
dem Wege nach der Kirche gesehen worden.


Auch Guſtav ſollte bedacht werden. Der Alte ſchleppte
ſeinen Schafwollpelz herbei, den er ſeit dreißig und mehr
Jahren führte.

Pauline weigerte ſich, den Pelz für ihren Mann anzu¬
nehmen; den müſſe der Vater behalten, damit er im Winter
was Warmes habe.

„Ich wer' keenen Winter mehr ſahn!“ ſagte der Bauer.

Da er böſe zu werden drohte über ihre Weigerung,
nahm ſie den Pelz ſchließlich an, zum Schein. Sie wollte
ihn der eigenen Mutter übergeben, die ihn einſtweilen aufbe¬
wahren und dem Alten bei beginnender Winterszeit zurück¬
ſtellen ſollte. —

An einem Sonntag Morgen in der Frühe nahmen Guſtav
und Pauline Abſchied von Halbenau. Ihre Abreiſe hatte
manchen Freund und manche Freundin herbeigelockt. Frau
Katſchner ſchwamm in Thränen. Sie mußte der Tochter
heilig verſprechen, daß ſie nach dem alten Büttner ſehen
werde.

Die Witwe hatte im Stillen noch nicht alle Hoffnung
aufgegeben, daß ihr noch ein zweites Mal die Freuden des
Eheſtandes zu teil werden möchten. Im geheimſten Käm¬
merchen ihres Herzens regierte kein anderer, als Traugott
Büttner allein.

Der alte Mann war nicht erſchienen, um von ſeinen
Kindern Abſchied zu nehmen. Die Leute ſagten, er ſei auf
dem Wege nach der Kirche geſehen worden.


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[418/0432] Auch Guſtav ſollte bedacht werden. Der Alte ſchleppte ſeinen Schafwollpelz herbei, den er ſeit dreißig und mehr Jahren führte. Pauline weigerte ſich, den Pelz für ihren Mann anzu¬ nehmen; den müſſe der Vater behalten, damit er im Winter was Warmes habe. „Ich wer' keenen Winter mehr ſahn!“ ſagte der Bauer. Da er böſe zu werden drohte über ihre Weigerung, nahm ſie den Pelz ſchließlich an, zum Schein. Sie wollte ihn der eigenen Mutter übergeben, die ihn einſtweilen aufbe¬ wahren und dem Alten bei beginnender Winterszeit zurück¬ ſtellen ſollte. — An einem Sonntag Morgen in der Frühe nahmen Guſtav und Pauline Abſchied von Halbenau. Ihre Abreiſe hatte manchen Freund und manche Freundin herbeigelockt. Frau Katſchner ſchwamm in Thränen. Sie mußte der Tochter heilig verſprechen, daß ſie nach dem alten Büttner ſehen werde. Die Witwe hatte im Stillen noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, daß ihr noch ein zweites Mal die Freuden des Eheſtandes zu teil werden möchten. Im geheimſten Käm¬ merchen ihres Herzens regierte kein anderer, als Traugott Büttner allein. Der alte Mann war nicht erſchienen, um von ſeinen Kindern Abſchied zu nehmen. Die Leute ſagten, er ſei auf dem Wege nach der Kirche geſehen worden.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/432>, abgerufen am 24.11.2024.