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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Die Ziegelei wuchs und dehnte sich aus. Jetzt hatten
sie ein neues Lehmlager entdeckt, das noch besseres Material
enthalten sollte, als das erste. Dort wurde abgegraben. Herr
Berger, der neue Besitzer, ließ einen Schienenstrang von der
Grube nach der Ziegelei legen.

Das ganze Gut ward verbitzelt. Die großen Schläge, einst¬
mals des alten Bauern Stolz und Freude, waren in lauter
schmale Streifen zerteilt, auf denen kleine Wirte ihre vier,
fünf verschiedenen Früchte bauten.

Auch im Walde gab es Veränderungen. Schon im Herbste
hatte der gräfliche Oberförster Kahlschlag machen und Hügel
zur Kultur auswerfen lassen. Kaum war der Schnee gewichen,
wurde mit der Anpflanzung begonnen.

Der alte Mann haßte all das Neue, das vor seinen
Augen entstand. Es lag so etwas Aufdringliches, Vorwitziges
in dem, was diese jungen Leute anstellten.

Vierzig Jahre hatte er nach der Väter Weise gewirt¬
schaftet, und nun über Nacht, plötzlich, ward alles umgestürzt,
das Oberste zu unterst gelehrt, seine Arbeit verwüstet, als sei
sie nichts wert.

Sein Lebenswerk wurde für nichts geachtet. Die Spuren
seiner Thätigkeit waren ausgewischt. Das, was jeder Mensch
als mächtigsten Trieb und Sporn zum Handeln iu sich trägt,
der eigentliche Erreger alles menschlichen Strebens und Schaffens,
das Verlangen nach irdischer Unsterblichkeit, der Wunsch, in
seinen Werken das ewige Leben zu haben -- dieses Denkmal,
das jeder Tüchtige sich zu errichten strebt, damit Kinder und
Kindeskinder seiner gedenken, auf daß sein Wesen und Wollen
nicht von der Vergessenheit Nacht verschlungen werde --
dieser Abdruck seiner Persönlichkeit, der in diesem Grundstück:
Haus, Hof, Feldern, Wiesen und Wald, eingeschlossen lag, war
zerstört; fremde Hände hatten in wenigen Monaten das zur
Unkenntlichkeit verändert, was er und seine Vorfahren im
Laufe eines Zeitraumes, der nach Generationen gerechnet wer¬
den mußte, in Treue und Liebe und Frömmigkeit aufgerichtet
hatten.

Die Ziegelei wuchs und dehnte ſich aus. Jetzt hatten
ſie ein neues Lehmlager entdeckt, das noch beſſeres Material
enthalten ſollte, als das erſte. Dort wurde abgegraben. Herr
Berger, der neue Beſitzer, ließ einen Schienenſtrang von der
Grube nach der Ziegelei legen.

Das ganze Gut ward verbitzelt. Die großen Schläge, einſt¬
mals des alten Bauern Stolz und Freude, waren in lauter
ſchmale Streifen zerteilt, auf denen kleine Wirte ihre vier,
fünf verſchiedenen Früchte bauten.

Auch im Walde gab es Veränderungen. Schon im Herbſte
hatte der gräfliche Oberförſter Kahlſchlag machen und Hügel
zur Kultur auswerfen laſſen. Kaum war der Schnee gewichen,
wurde mit der Anpflanzung begonnen.

Der alte Mann haßte all das Neue, das vor ſeinen
Augen entſtand. Es lag ſo etwas Aufdringliches, Vorwitziges
in dem, was dieſe jungen Leute anſtellten.

Vierzig Jahre hatte er nach der Väter Weiſe gewirt¬
ſchaftet, und nun über Nacht, plötzlich, ward alles umgeſtürzt,
das Oberſte zu unterſt gelehrt, ſeine Arbeit verwüſtet, als ſei
ſie nichts wert.

Sein Lebenswerk wurde für nichts geachtet. Die Spuren
ſeiner Thätigkeit waren ausgewiſcht. Das, was jeder Menſch
als mächtigſten Trieb und Sporn zum Handeln iu ſich trägt,
der eigentliche Erreger alles menſchlichen Strebens und Schaffens,
das Verlangen nach irdiſcher Unſterblichkeit, der Wunſch, in
ſeinen Werken das ewige Leben zu haben — dieſes Denkmal,
das jeder Tüchtige ſich zu errichten ſtrebt, damit Kinder und
Kindeskinder ſeiner gedenken, auf daß ſein Weſen und Wollen
nicht von der Vergeſſenheit Nacht verſchlungen werde —
dieſer Abdruck ſeiner Perſönlichkeit, der in dieſem Grundſtück:
Haus, Hof, Feldern, Wieſen und Wald, eingeſchloſſen lag, war
zerſtört; fremde Hände hatten in wenigen Monaten das zur
Unkenntlichkeit verändert, was er und ſeine Vorfahren im
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den mußte, in Treue und Liebe und Frömmigkeit aufgerichtet
hatten.

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[411/0425] Die Ziegelei wuchs und dehnte ſich aus. Jetzt hatten ſie ein neues Lehmlager entdeckt, das noch beſſeres Material enthalten ſollte, als das erſte. Dort wurde abgegraben. Herr Berger, der neue Beſitzer, ließ einen Schienenſtrang von der Grube nach der Ziegelei legen. Das ganze Gut ward verbitzelt. Die großen Schläge, einſt¬ mals des alten Bauern Stolz und Freude, waren in lauter ſchmale Streifen zerteilt, auf denen kleine Wirte ihre vier, fünf verſchiedenen Früchte bauten. Auch im Walde gab es Veränderungen. Schon im Herbſte hatte der gräfliche Oberförſter Kahlſchlag machen und Hügel zur Kultur auswerfen laſſen. Kaum war der Schnee gewichen, wurde mit der Anpflanzung begonnen. Der alte Mann haßte all das Neue, das vor ſeinen Augen entſtand. Es lag ſo etwas Aufdringliches, Vorwitziges in dem, was dieſe jungen Leute anſtellten. Vierzig Jahre hatte er nach der Väter Weiſe gewirt¬ ſchaftet, und nun über Nacht, plötzlich, ward alles umgeſtürzt, das Oberſte zu unterſt gelehrt, ſeine Arbeit verwüſtet, als ſei ſie nichts wert. Sein Lebenswerk wurde für nichts geachtet. Die Spuren ſeiner Thätigkeit waren ausgewiſcht. Das, was jeder Menſch als mächtigſten Trieb und Sporn zum Handeln iu ſich trägt, der eigentliche Erreger alles menſchlichen Strebens und Schaffens, das Verlangen nach irdiſcher Unſterblichkeit, der Wunſch, in ſeinen Werken das ewige Leben zu haben — dieſes Denkmal, das jeder Tüchtige ſich zu errichten ſtrebt, damit Kinder und Kindeskinder ſeiner gedenken, auf daß ſein Weſen und Wollen nicht von der Vergeſſenheit Nacht verſchlungen werde — dieſer Abdruck ſeiner Perſönlichkeit, der in dieſem Grundſtück: Haus, Hof, Feldern, Wieſen und Wald, eingeſchloſſen lag, war zerſtört; fremde Hände hatten in wenigen Monaten das zur Unkenntlichkeit verändert, was er und ſeine Vorfahren im Laufe eines Zeitraumes, der nach Generationen gerechnet wer¬ den mußte, in Treue und Liebe und Frömmigkeit aufgerichtet hatten.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/425>, abgerufen am 24.11.2024.