Schwächezustand zurück. Die Sprache hatte gelitten; bestimmte Laute vermochte die Zunge überhaupt nicht mehr zu bilden. Das Gedächtnis war geschwächt. Karl, der sich niemals durch besondere Geistesgaben ausgezeichnet hatte, war völlig zum Trottel geworden.
Eines Tages, als Therese vom Felde heimkehrte, fand sie den Kretschamwirt von Halbenau bei Karl sitzen. Kaschelernst schien bereits eine ganze Weile mit ihm gewesen zu sein. Was die beiden zusammen gesprochen, erfuhr Therese nicht.
Der alte Kaschel machte einen durchaus vergnügten Ein¬ druck.
Er spielte sich ganz auf den Unbefangenen; meinte, er sei nur im Vorübergehen mal eingetreten, um zu sehen, wie sie eigentlich lebten. Was zu essen hatte er mitgebracht -- auch ganz zufällig, wie er behauptete -- einige Würste und einen Schinken. Die ließ er da, damit Karl davon esse und wieder zu Kräften kommen möge.
"Er is wie a Bissel dumm in Koppe!" sagte Kaschelernst zu Theresen, als er in sein Korbwägelchen gestiegen war. "Er meent, er kann sich uf nischt nich mehr besinnen, meent er." Dabei beobachtete er, durch sein verschmitztes Lächeln hindurch, Theresens Miene genau. "Weeß er denne gar nischt mehr, wie er damals hingefallen is, in der Besoffenheet und sich das Luch in Kupp geschlagen hat? -- he!"
"Ar is ne gefallen!" erwiderte Therese. "Ibern Kupp ha'n se'n gehaun."
"Soit Karl su?"
"Ne! ar soit's ne, weil daß er vun nischt ne mih was weeß."
"Wer soit's denne?"
"Nu, was de Leite sen, die soin's alle, 's hätt' 'n eener ibern Kupp gehaun."
Kaschelernst schnalzte mit der Zunge. "De Leute raden vill, was ne wahr is. -- Desderwegen!" . . . . Vergnügt schmunzelnd fuhr er von dannen.
Wenige Tage darauf erschienen zwei Herren vom Gericht
Schwächezuſtand zurück. Die Sprache hatte gelitten; beſtimmte Laute vermochte die Zunge überhaupt nicht mehr zu bilden. Das Gedächtnis war geſchwächt. Karl, der ſich niemals durch beſondere Geiſtesgaben ausgezeichnet hatte, war völlig zum Trottel geworden.
Eines Tages, als Thereſe vom Felde heimkehrte, fand ſie den Kretſchamwirt von Halbenau bei Karl ſitzen. Kaſchelernſt ſchien bereits eine ganze Weile mit ihm geweſen zu ſein. Was die beiden zuſammen geſprochen, erfuhr Thereſe nicht.
Der alte Kaſchel machte einen durchaus vergnügten Ein¬ druck.
Er ſpielte ſich ganz auf den Unbefangenen; meinte, er ſei nur im Vorübergehen mal eingetreten, um zu ſehen, wie ſie eigentlich lebten. Was zu eſſen hatte er mitgebracht — auch ganz zufällig, wie er behauptete — einige Würſte und einen Schinken. Die ließ er da, damit Karl davon eſſe und wieder zu Kräften kommen möge.
„Er is wie a Biſſel dumm in Koppe!“ ſagte Kaſchelernſt zu Thereſen, als er in ſein Korbwägelchen geſtiegen war. „Er meent, er kann ſich uf niſcht nich mehr beſinnen, meent er.“ Dabei beobachtete er, durch ſein verſchmitztes Lächeln hindurch, Thereſens Miene genau. „Weeß er denne gar niſcht mehr, wie er damals hingefallen is, in der Beſoffenheet und ſich das Luch in Kupp geſchlagen hat? — he!“
„Ar is ne gefallen!“ erwiderte Thereſe. „Ibern Kupp ha'n ſe'n gehaun.“
„Soit Karl ſu?“
„Ne! ar ſoit's ne, weil daß er vun niſcht ne mih was weeß.“
„Wer ſoit's denne?“
„Nu, was de Leite ſen, die ſoin's alle, 's hätt' 'n eener ibern Kupp gehaun.“
Kaſchelernſt ſchnalzte mit der Zunge. „De Leute raden vill, was ne wahr is. — Desderwegen!“ . . . . Vergnügt ſchmunzelnd fuhr er von dannen.
Wenige Tage darauf erſchienen zwei Herren vom Gericht
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Schwächezuſtand zurück. Die Sprache hatte gelitten; beſtimmte
Laute vermochte die Zunge überhaupt nicht mehr zu bilden.
Das Gedächtnis war geſchwächt. Karl, der ſich niemals durch
beſondere Geiſtesgaben ausgezeichnet hatte, war völlig zum
Trottel geworden.
Eines Tages, als Thereſe vom Felde heimkehrte, fand ſie
den Kretſchamwirt von Halbenau bei Karl ſitzen. Kaſchelernſt
ſchien bereits eine ganze Weile mit ihm geweſen zu ſein. Was
die beiden zuſammen geſprochen, erfuhr Thereſe nicht.
Der alte Kaſchel machte einen durchaus vergnügten Ein¬
druck.
Er ſpielte ſich ganz auf den Unbefangenen; meinte, er
ſei nur im Vorübergehen mal eingetreten, um zu ſehen, wie
ſie eigentlich lebten. Was zu eſſen hatte er mitgebracht —
auch ganz zufällig, wie er behauptete — einige Würſte und
einen Schinken. Die ließ er da, damit Karl davon eſſe und
wieder zu Kräften kommen möge.
„Er is wie a Biſſel dumm in Koppe!“ ſagte Kaſchelernſt
zu Thereſen, als er in ſein Korbwägelchen geſtiegen war. „Er
meent, er kann ſich uf niſcht nich mehr beſinnen, meent er.“
Dabei beobachtete er, durch ſein verſchmitztes Lächeln hindurch,
Thereſens Miene genau. „Weeß er denne gar niſcht mehr, wie
er damals hingefallen is, in der Beſoffenheet und ſich das
Luch in Kupp geſchlagen hat? — he!“
„Ar is ne gefallen!“ erwiderte Thereſe. „Ibern Kupp
ha'n ſe'n gehaun.“
„Soit Karl ſu?“
„Ne! ar ſoit's ne, weil daß er vun niſcht ne mih was
weeß.“
„Wer ſoit's denne?“
„Nu, was de Leite ſen, die ſoin's alle, 's hätt' 'n eener
ibern Kupp gehaun.“
Kaſchelernſt ſchnalzte mit der Zunge. „De Leute raden
vill, was ne wahr is. — Desderwegen!“ . . . . Vergnügt
ſchmunzelnd fuhr er von dannen.
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/421>, abgerufen am 23.07.2024.
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