schwingen zu Gedanken, sein Wille sich nicht mehr aufraffen zu Thaten. Der ehemals so thätige Mann war im stande, halbe Tage in völligem Nichtsthun zu verbringen.
Dann hielt er Selbstgespräche. Zu starkem Fluchen und Schimpfen, wie ehemals, brachte er es nicht mehr. Aber er bekam es fertig, ein und denselben Satz zehnmal und mehr vor sich hin zu sagen, immer schneller, immer lauter; bis er über sein eigenes Sprechen erschrack, sich scheu umsah, ob jemand da sei, und nach einiger Zeit in seine gewöhnliche Stumpfheit zurückversank.
Auch jetzt wieder hatte er sich in einen Gedanken ver¬ bissen: jener fremde Herr, dessen Namen er nicht einmal kannte, hatte sein Haus eine Hundehütte genannt. Und nun sagte er das Wort vor sich hin, mit rauher Stimme: "Hundehütte, Hundehütte, Hundehütte . . .," daß die Kühe im Fressen innehielten und sich umsahen nach dem närrischen Alten.
Vom Hause her ertönte jetzt lautes erregtes Sprechen, als ob sie sich dort stritten. In der Hausthür erschien der Fremde. Er war im Begriffe seinen Pelz anzuziehen, hinter ihm kam Sam, suchte den Mann festzuhalten.
"Zwanzigtausend Mark für so eine Hitsche ist Unver¬ schämtheit!" schrie der Fremde. "Ich weiß ganz genau, was Sie in der Subhastation gegeben haben dafür."
"Aber was ich inzwischen hineingesteckt habe, Herr Berger! wollen Sie das, bitte, nicht vergessen."
Der Fremde stand immer noch in der Thür, er hatte inzwischen den Ärmel gefunden, schien auf dem Sprunge, fort¬ zugehen.
"Schön: reingesteckt! Rausgenommen haben Sie, dreimal so viel als Sie gegeben haben! Und nun soll ich Ihnen für den Hof und das bißchen Ziegelei zwanzigtausend Mark geben! -- Verrückt müßte ich sein! Viertausend Thaler gebe ich! Nicht einen Pfennig mehr!"
"Kommen Sie nur ins Haus, Herr Berger!" mahnte der Händler und suchte den erregten Mann hereinzuziehen. "Wir
ſchwingen zu Gedanken, ſein Wille ſich nicht mehr aufraffen zu Thaten. Der ehemals ſo thätige Mann war im ſtande, halbe Tage in völligem Nichtsthun zu verbringen.
Dann hielt er Selbſtgeſpräche. Zu ſtarkem Fluchen und Schimpfen, wie ehemals, brachte er es nicht mehr. Aber er bekam es fertig, ein und denſelben Satz zehnmal und mehr vor ſich hin zu ſagen, immer ſchneller, immer lauter; bis er über ſein eigenes Sprechen erſchrack, ſich ſcheu umſah, ob jemand da ſei, und nach einiger Zeit in ſeine gewöhnliche Stumpfheit zurückverſank.
Auch jetzt wieder hatte er ſich in einen Gedanken ver¬ biſſen: jener fremde Herr, deſſen Namen er nicht einmal kannte, hatte ſein Haus eine Hundehütte genannt. Und nun ſagte er das Wort vor ſich hin, mit rauher Stimme: „Hundehütte, Hundehütte, Hundehütte . . .,“ daß die Kühe im Freſſen innehielten und ſich umſahen nach dem närriſchen Alten.
Vom Hauſe her ertönte jetzt lautes erregtes Sprechen, als ob ſie ſich dort ſtritten. In der Hausthür erſchien der Fremde. Er war im Begriffe ſeinen Pelz anzuziehen, hinter ihm kam Sam, ſuchte den Mann feſtzuhalten.
„Zwanzigtauſend Mark für ſo eine Hitſche iſt Unver¬ ſchämtheit!“ ſchrie der Fremde. „Ich weiß ganz genau, was Sie in der Subhaſtation gegeben haben dafür.“
„Aber was ich inzwiſchen hineingeſteckt habe, Herr Berger! wollen Sie das, bitte, nicht vergeſſen.“
Der Fremde ſtand immer noch in der Thür, er hatte inzwiſchen den Ärmel gefunden, ſchien auf dem Sprunge, fort¬ zugehen.
„Schön: reingeſteckt! Rausgenommen haben Sie, dreimal ſo viel als Sie gegeben haben! Und nun ſoll ich Ihnen für den Hof und das bißchen Ziegelei zwanzigtauſend Mark geben! — Verrückt müßte ich ſein! Viertauſend Thaler gebe ich! Nicht einen Pfennig mehr!“
„Kommen Sie nur ins Haus, Herr Berger!“ mahnte der Händler und ſuchte den erregten Mann hereinzuziehen. „Wir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0413"n="399"/>ſchwingen zu Gedanken, ſein Wille ſich nicht mehr aufraffen zu<lb/>
Thaten. Der ehemals ſo thätige Mann war im ſtande, halbe<lb/>
Tage in völligem Nichtsthun zu verbringen.</p><lb/><p>Dann hielt er Selbſtgeſpräche. Zu ſtarkem Fluchen und<lb/>
Schimpfen, wie ehemals, brachte er es nicht mehr. Aber er<lb/>
bekam es fertig, ein und denſelben Satz zehnmal und mehr vor<lb/>ſich hin zu ſagen, immer ſchneller, immer lauter; bis er über<lb/>ſein eigenes Sprechen erſchrack, ſich ſcheu umſah, ob jemand<lb/>
da ſei, und nach einiger Zeit in ſeine gewöhnliche Stumpfheit<lb/>
zurückverſank.</p><lb/><p>Auch jetzt wieder hatte er ſich in einen Gedanken ver¬<lb/>
biſſen: jener fremde Herr, deſſen Namen er nicht einmal<lb/>
kannte, hatte ſein Haus eine Hundehütte genannt. Und<lb/>
nun ſagte er das Wort vor ſich hin, mit rauher Stimme:<lb/>„Hundehütte, Hundehütte, Hundehütte . . .,“ daß die Kühe<lb/>
im Freſſen innehielten und ſich umſahen nach dem närriſchen<lb/>
Alten.</p><lb/><p>Vom Hauſe her ertönte jetzt lautes erregtes Sprechen,<lb/>
als ob ſie ſich dort ſtritten. In der Hausthür erſchien der<lb/>
Fremde. Er war im Begriffe ſeinen Pelz anzuziehen, hinter<lb/>
ihm kam Sam, ſuchte den Mann feſtzuhalten.</p><lb/><p>„Zwanzigtauſend Mark für ſo eine Hitſche iſt Unver¬<lb/>ſchämtheit!“ſchrie der Fremde. „Ich weiß ganz genau, was<lb/>
Sie in der Subhaſtation gegeben haben dafür.“</p><lb/><p>„Aber was ich inzwiſchen hineingeſteckt habe, Herr Berger!<lb/>
wollen Sie das, bitte, nicht vergeſſen.“</p><lb/><p>Der Fremde ſtand immer noch in der Thür, er hatte<lb/>
inzwiſchen den Ärmel gefunden, ſchien auf dem Sprunge, fort¬<lb/>
zugehen.</p><lb/><p>„Schön: reingeſteckt! Rausgenommen haben Sie, dreimal<lb/>ſo viel als Sie gegeben haben! Und nun ſoll ich Ihnen für<lb/>
den Hof und das bißchen Ziegelei zwanzigtauſend Mark geben!<lb/>— Verrückt müßte ich ſein! Viertauſend Thaler gebe ich!<lb/>
Nicht einen Pfennig mehr!“</p><lb/><p>„Kommen Sie nur ins Haus, Herr Berger!“ mahnte der<lb/>
Händler und ſuchte den erregten Mann hereinzuziehen. „Wir<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[399/0413]
ſchwingen zu Gedanken, ſein Wille ſich nicht mehr aufraffen zu
Thaten. Der ehemals ſo thätige Mann war im ſtande, halbe
Tage in völligem Nichtsthun zu verbringen.
Dann hielt er Selbſtgeſpräche. Zu ſtarkem Fluchen und
Schimpfen, wie ehemals, brachte er es nicht mehr. Aber er
bekam es fertig, ein und denſelben Satz zehnmal und mehr vor
ſich hin zu ſagen, immer ſchneller, immer lauter; bis er über
ſein eigenes Sprechen erſchrack, ſich ſcheu umſah, ob jemand
da ſei, und nach einiger Zeit in ſeine gewöhnliche Stumpfheit
zurückverſank.
Auch jetzt wieder hatte er ſich in einen Gedanken ver¬
biſſen: jener fremde Herr, deſſen Namen er nicht einmal
kannte, hatte ſein Haus eine Hundehütte genannt. Und
nun ſagte er das Wort vor ſich hin, mit rauher Stimme:
„Hundehütte, Hundehütte, Hundehütte . . .,“ daß die Kühe
im Freſſen innehielten und ſich umſahen nach dem närriſchen
Alten.
Vom Hauſe her ertönte jetzt lautes erregtes Sprechen,
als ob ſie ſich dort ſtritten. In der Hausthür erſchien der
Fremde. Er war im Begriffe ſeinen Pelz anzuziehen, hinter
ihm kam Sam, ſuchte den Mann feſtzuhalten.
„Zwanzigtauſend Mark für ſo eine Hitſche iſt Unver¬
ſchämtheit!“ ſchrie der Fremde. „Ich weiß ganz genau, was
Sie in der Subhaſtation gegeben haben dafür.“
„Aber was ich inzwiſchen hineingeſteckt habe, Herr Berger!
wollen Sie das, bitte, nicht vergeſſen.“
Der Fremde ſtand immer noch in der Thür, er hatte
inzwiſchen den Ärmel gefunden, ſchien auf dem Sprunge, fort¬
zugehen.
„Schön: reingeſteckt! Rausgenommen haben Sie, dreimal
ſo viel als Sie gegeben haben! Und nun ſoll ich Ihnen für
den Hof und das bißchen Ziegelei zwanzigtauſend Mark geben!
— Verrückt müßte ich ſein! Viertauſend Thaler gebe ich!
Nicht einen Pfennig mehr!“
„Kommen Sie nur ins Haus, Herr Berger!“ mahnte der
Händler und ſuchte den erregten Mann hereinzuziehen. „Wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/413>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.