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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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bei der Fremde alles so schlecht wie möglich machte, während
Harrassowitz seinen Besitz nach Möglichkeit herausstrich, ging
es hinaus, zur neu angelegten Ziegelei. Büttner wurde nicht
aufgefordert, mit dorthin zu kommen.

Nach Verlauf von einer Stunde etwa kamen die Herren
in das Gehöft zurück. Sie begaben sich in die ehemalige Wohn¬
stube der Büttnerschen Familie. Sam verlangte Tinte und
Papier, und schimpfte, als das nicht zu haben war.

"Sie können derweilen raus gehen!" sagte er zu dem alten
Manne. "Aber, halten Sie sich in der Nähe auf, bis ich Sie
rufen werde."

Traugott Büttner ging in den Stall. Die Gesellschaft
der Tiere war ihm lieber, als die der Menschen. Die Tiere
waren unverständig, stumpf und gutmütig. Die kaltblütig-
grausame Art, seinesgleichen zu martern, hatte der Mensch vor
der Kreatur voraus. --

Der alte Mann saß bei den Kühen auf einem Melk¬
schemel. Er hatte den Tieren neues Futter vorgeworfen.
Gemächlich kauend standen sie da, blickten ihn während des
Fressens hin und wieder an, furchtlos; sie kannten ihn ja.

Durch die offene Stallthür konnte man, über den Hof
her, vernehmen, wie jene drüben in der Stube sprachen.
Sie schienen noch nicht einig. Es ging lebhaft zu beim
Handeln.

Der Bauer versank tiefer und tiefer in Brüten. Eine
"Hundehütte" hatte der Herr sein Haus genannt! Daß der
Mensch nicht stumm geworden war, für solche Lästerung!

Er, der Büttnerbauer, mußte doch wohl sein Haus kennen und
wissen, was es wert war; es gab kein besseres im ganzen Dorfe.

Die Grundmauern mußten uralt sein. Der Vater hatte
einmal gehört von einem, der es verstand: die Mauern
stammten aus Zeiten, die noch lange lange vor dem großen
Kriege lagen. Die Holzstube, welche der Fremde herausreißen
wollte, war von Traugotts Großvater aus starken trockenen
Tannenbrettern und lärchenen Pfosten eingebaut worden, und
mochte noch manches liebe Jahr über dauern. Den Dachstuhl

bei der Fremde alles ſo ſchlecht wie möglich machte, während
Harraſſowitz ſeinen Beſitz nach Möglichkeit herausſtrich, ging
es hinaus, zur neu angelegten Ziegelei. Büttner wurde nicht
aufgefordert, mit dorthin zu kommen.

Nach Verlauf von einer Stunde etwa kamen die Herren
in das Gehöft zurück. Sie begaben ſich in die ehemalige Wohn¬
ſtube der Büttnerſchen Familie. Sam verlangte Tinte und
Papier, und ſchimpfte, als das nicht zu haben war.

„Sie können derweilen raus gehen!“ ſagte er zu dem alten
Manne. „Aber, halten Sie ſich in der Nähe auf, bis ich Sie
rufen werde.“

Traugott Büttner ging in den Stall. Die Geſellſchaft
der Tiere war ihm lieber, als die der Menſchen. Die Tiere
waren unverſtändig, ſtumpf und gutmütig. Die kaltblütig-
grauſame Art, ſeinesgleichen zu martern, hatte der Menſch vor
der Kreatur voraus. —

Der alte Mann ſaß bei den Kühen auf einem Melk¬
ſchemel. Er hatte den Tieren neues Futter vorgeworfen.
Gemächlich kauend ſtanden ſie da, blickten ihn während des
Freſſens hin und wieder an, furchtlos; ſie kannten ihn ja.

Durch die offene Stallthür konnte man, über den Hof
her, vernehmen, wie jene drüben in der Stube ſprachen.
Sie ſchienen noch nicht einig. Es ging lebhaft zu beim
Handeln.

Der Bauer verſank tiefer und tiefer in Brüten. Eine
„Hundehütte“ hatte der Herr ſein Haus genannt! Daß der
Menſch nicht ſtumm geworden war, für ſolche Läſterung!

Er, der Büttnerbauer, mußte doch wohl ſein Haus kennen und
wiſſen, was es wert war; es gab kein beſſeres im ganzen Dorfe.

Die Grundmauern mußten uralt ſein. Der Vater hatte
einmal gehört von einem, der es verſtand: die Mauern
ſtammten aus Zeiten, die noch lange lange vor dem großen
Kriege lagen. Die Holzſtube, welche der Fremde herausreißen
wollte, war von Traugotts Großvater aus ſtarken trockenen
Tannenbrettern und lärchenen Pfoſten eingebaut worden, und
mochte noch manches liebe Jahr über dauern. Den Dachſtuhl

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[397/0411] bei der Fremde alles ſo ſchlecht wie möglich machte, während Harraſſowitz ſeinen Beſitz nach Möglichkeit herausſtrich, ging es hinaus, zur neu angelegten Ziegelei. Büttner wurde nicht aufgefordert, mit dorthin zu kommen. Nach Verlauf von einer Stunde etwa kamen die Herren in das Gehöft zurück. Sie begaben ſich in die ehemalige Wohn¬ ſtube der Büttnerſchen Familie. Sam verlangte Tinte und Papier, und ſchimpfte, als das nicht zu haben war. „Sie können derweilen raus gehen!“ ſagte er zu dem alten Manne. „Aber, halten Sie ſich in der Nähe auf, bis ich Sie rufen werde.“ Traugott Büttner ging in den Stall. Die Geſellſchaft der Tiere war ihm lieber, als die der Menſchen. Die Tiere waren unverſtändig, ſtumpf und gutmütig. Die kaltblütig- grauſame Art, ſeinesgleichen zu martern, hatte der Menſch vor der Kreatur voraus. — Der alte Mann ſaß bei den Kühen auf einem Melk¬ ſchemel. Er hatte den Tieren neues Futter vorgeworfen. Gemächlich kauend ſtanden ſie da, blickten ihn während des Freſſens hin und wieder an, furchtlos; ſie kannten ihn ja. Durch die offene Stallthür konnte man, über den Hof her, vernehmen, wie jene drüben in der Stube ſprachen. Sie ſchienen noch nicht einig. Es ging lebhaft zu beim Handeln. Der Bauer verſank tiefer und tiefer in Brüten. Eine „Hundehütte“ hatte der Herr ſein Haus genannt! Daß der Menſch nicht ſtumm geworden war, für ſolche Läſterung! Er, der Büttnerbauer, mußte doch wohl ſein Haus kennen und wiſſen, was es wert war; es gab kein beſſeres im ganzen Dorfe. Die Grundmauern mußten uralt ſein. Der Vater hatte einmal gehört von einem, der es verſtand: die Mauern ſtammten aus Zeiten, die noch lange lange vor dem großen Kriege lagen. Die Holzſtube, welche der Fremde herausreißen wollte, war von Traugotts Großvater aus ſtarken trockenen Tannenbrettern und lärchenen Pfoſten eingebaut worden, und mochte noch manches liebe Jahr über dauern. Den Dachſtuhl

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/411>, abgerufen am 24.11.2024.