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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Inzwischen war der ehemalige Büttnerbauer ruiniert
worden. Nur noch eine Frage der Zeit schien es, wann der
Erbe des größten Bauerngutes im Orte der Armenversorgung
anheimfallen werde. An ihm noch sein Mütchen zu kühlen, war
unmöglich. Ihm konnte ja nichts mehr genommen werden;
er war von allem entblößt, was einem Menschen Ansehen und
Bedeutung verleiht auf der Welt.

Aber auch das gute Gedeihen der Büttnerschen Kinder war
stets ein Stachel in der Seele des Kretschamwirts gewesen. Er
haßte vor allem Gustav. Der Mensch schien sich, allem Unglück
zum Trotze, das seine Familie betroffen, wacker durch die Welt
zu schlagen.

Gustav bildete auch den Gegenstand stummer Wut für
Richard Kaschel. Die Prügel, die er einstmals von dem Vetter
erhalten, waren unvergessen.

Aber an Gustav konnte man nicht heran; der verkehrte
nicht im Kretscham. Auch von Ernestine bekam man nicht viel
zu sehen; es hieß, sie habe einen Bräutigam in der Fremde und
werde bald heiraten. Toni war wieder nach Berlin zurückgekehrt,
nachdem sie den Ort durch ihr Auftreten in Aufregung versetzt
hatte.

Nun blieb noch Karl. Der schien allerdings die schiefe
Ebene ganz von selbst hinabzugleiten. An den reißenden Fort¬
schritten, die Karls Verlotterung machte, hatte das edle Paar:
Vater und Sohn Kaschel, seine helle Freude.

Richard Kaschel hatte außerdem noch einen besonderen
Grund, sich für Karl zu interessieren.

In Halbenau wurde trotz der Armut seiner Bewohner
viel und verhältnismäßig hoch gespielt. Ein nach dem Hofe
hinaus gelegenes Hinterzimmer im Kretscham bot willkommene
Gelegenheit zu jeder Art lichtscheuem Treiben. Dort flogen die
bunten Blätter oft ganze Nächte hindurch. Es war bekannt, daß
ein Halbenauer Bauer dort Haus und Hof und alles Hab
und Gut, im Laufe weniger Jahre verspielt hatte.

Richard Kaschel gehörte zu der Spielerzunft. Der Vater
wußte um das Treiben des Sohnes Bescheid. Er hatte ver¬

Inzwiſchen war der ehemalige Büttnerbauer ruiniert
worden. Nur noch eine Frage der Zeit ſchien es, wann der
Erbe des größten Bauerngutes im Orte der Armenverſorgung
anheimfallen werde. An ihm noch ſein Mütchen zu kühlen, war
unmöglich. Ihm konnte ja nichts mehr genommen werden;
er war von allem entblößt, was einem Menſchen Anſehen und
Bedeutung verleiht auf der Welt.

Aber auch das gute Gedeihen der Büttnerſchen Kinder war
ſtets ein Stachel in der Seele des Kretſchamwirts geweſen. Er
haßte vor allem Guſtav. Der Menſch ſchien ſich, allem Unglück
zum Trotze, das ſeine Familie betroffen, wacker durch die Welt
zu ſchlagen.

Guſtav bildete auch den Gegenſtand ſtummer Wut für
Richard Kaſchel. Die Prügel, die er einſtmals von dem Vetter
erhalten, waren unvergeſſen.

Aber an Guſtav konnte man nicht heran; der verkehrte
nicht im Kretſcham. Auch von Erneſtine bekam man nicht viel
zu ſehen; es hieß, ſie habe einen Bräutigam in der Fremde und
werde bald heiraten. Toni war wieder nach Berlin zurückgekehrt,
nachdem ſie den Ort durch ihr Auftreten in Aufregung verſetzt
hatte.

Nun blieb noch Karl. Der ſchien allerdings die ſchiefe
Ebene ganz von ſelbſt hinabzugleiten. An den reißenden Fort¬
ſchritten, die Karls Verlotterung machte, hatte das edle Paar:
Vater und Sohn Kaſchel, ſeine helle Freude.

Richard Kaſchel hatte außerdem noch einen beſonderen
Grund, ſich für Karl zu intereſſieren.

In Halbenau wurde trotz der Armut ſeiner Bewohner
viel und verhältnismäßig hoch geſpielt. Ein nach dem Hofe
hinaus gelegenes Hinterzimmer im Kretſcham bot willkommene
Gelegenheit zu jeder Art lichtſcheuem Treiben. Dort flogen die
bunten Blätter oft ganze Nächte hindurch. Es war bekannt, daß
ein Halbenauer Bauer dort Haus und Hof und alles Hab
und Gut, im Laufe weniger Jahre verſpielt hatte.

Richard Kaſchel gehörte zu der Spielerzunft. Der Vater
wußte um das Treiben des Sohnes Beſcheid. Er hatte ver¬

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[389/0403] Inzwiſchen war der ehemalige Büttnerbauer ruiniert worden. Nur noch eine Frage der Zeit ſchien es, wann der Erbe des größten Bauerngutes im Orte der Armenverſorgung anheimfallen werde. An ihm noch ſein Mütchen zu kühlen, war unmöglich. Ihm konnte ja nichts mehr genommen werden; er war von allem entblößt, was einem Menſchen Anſehen und Bedeutung verleiht auf der Welt. Aber auch das gute Gedeihen der Büttnerſchen Kinder war ſtets ein Stachel in der Seele des Kretſchamwirts geweſen. Er haßte vor allem Guſtav. Der Menſch ſchien ſich, allem Unglück zum Trotze, das ſeine Familie betroffen, wacker durch die Welt zu ſchlagen. Guſtav bildete auch den Gegenſtand ſtummer Wut für Richard Kaſchel. Die Prügel, die er einſtmals von dem Vetter erhalten, waren unvergeſſen. Aber an Guſtav konnte man nicht heran; der verkehrte nicht im Kretſcham. Auch von Erneſtine bekam man nicht viel zu ſehen; es hieß, ſie habe einen Bräutigam in der Fremde und werde bald heiraten. Toni war wieder nach Berlin zurückgekehrt, nachdem ſie den Ort durch ihr Auftreten in Aufregung verſetzt hatte. Nun blieb noch Karl. Der ſchien allerdings die ſchiefe Ebene ganz von ſelbſt hinabzugleiten. An den reißenden Fort¬ ſchritten, die Karls Verlotterung machte, hatte das edle Paar: Vater und Sohn Kaſchel, ſeine helle Freude. Richard Kaſchel hatte außerdem noch einen beſonderen Grund, ſich für Karl zu intereſſieren. In Halbenau wurde trotz der Armut ſeiner Bewohner viel und verhältnismäßig hoch geſpielt. Ein nach dem Hofe hinaus gelegenes Hinterzimmer im Kretſcham bot willkommene Gelegenheit zu jeder Art lichtſcheuem Treiben. Dort flogen die bunten Blätter oft ganze Nächte hindurch. Es war bekannt, daß ein Halbenauer Bauer dort Haus und Hof und alles Hab und Gut, im Laufe weniger Jahre verſpielt hatte. Richard Kaſchel gehörte zu der Spielerzunft. Der Vater wußte um das Treiben des Sohnes Beſcheid. Er hatte ver¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/403>, abgerufen am 27.11.2024.