zu vergleichen mit ihm, in keiner Weise, das wußte der selbst¬ bewußte junge Mann recht gut. -- Der Vater klagte ja nicht zum erstenmale, daß die Wirtschaft zurückgehe, seit Gustav bei der Truppe sei. Aber, das konnte nichts helfen, Gustav war nicht gesonnen, die Tressen aufzugeben für die Stellung eines Knechtes auf dem väterlichen Hofe. Ja, wenn's noch für eigene Rechnung gewesen wäre! Aber für die Familie sich ab¬ schinden, für Eltern, Bruder und Schwestern. Für ihn selbst sprang ja dabei gar nichts heraus. Das Gut erbte ja einst¬ mals nicht er, sondern Karl. --
Er erwiederte daher auf die Klage des Vaters in kühlem Tone: "Nehmt Euch doch einen Knecht an, Vater!"
Der Alte blieb stehen und rief mit heftigen Armbewegungen: "An Knacht! Ich sull mer an Knacht onnahma? Ich mecht ock wissen, wu dar rauswachsen sillte. Achzig Tholer kriegt a su a Knacht jetzt im Juhre, und's Frassen obendrein. Und do mechte och noch a Weihnachten sen, und a Erntescheffel. Mir hon a su schun zu vills Mäuler zu stopfa, hon mir! Wusu kann ich denne, und ich kennte mer an Knacht halen! -- Ne, hier mechte ener har, dar zur Familie geherte, dan wer keenen Lohn ne brauchten zahla. So ener mechte hier sen!"
Der Unteroffizier zuckte die Achseln, und der Vater sagte nichts weiter. Der Rückweg wurde schweigend zurückgelegt. In dem Gesichte des Alten zuckte und witterte es, als führe er das Gespräch innerlich weiter. Ehe sie das Haus betraten, hielt er den Sohn am Arme fest und sagte ihm ins Ohr: "Ich will der amal a Briefel weisen, Gustav, das'ch gekriegt ha'. Komm mit mer ei de Stube!" --
Der Büttnerbauer ging voraus in die Wohnstube. Außer der alten Bäuerin war hier nur die Schwiegertochter an¬ wesend. Therese schaukelte ihr Jüngstes, das an einem durch zwei Stricke am Mittelbalken der Holzdecke befestigten Korbe lag, hin und her. Der Bauer begann in einem Schubfache zu kramen. "Woas suchst De denne, Büttner?" fragte die Bäuerin. "'s Briefel von Karl Leberechten."
"Dos ha'ch verstackt!" rief die alte Frau, und kam aus
zu vergleichen mit ihm, in keiner Weiſe, das wußte der ſelbſt¬ bewußte junge Mann recht gut. — Der Vater klagte ja nicht zum erſtenmale, daß die Wirtſchaft zurückgehe, ſeit Guſtav bei der Truppe ſei. Aber, das konnte nichts helfen, Guſtav war nicht geſonnen, die Treſſen aufzugeben für die Stellung eines Knechtes auf dem väterlichen Hofe. Ja, wenn's noch für eigene Rechnung geweſen wäre! Aber für die Familie ſich ab¬ ſchinden, für Eltern, Bruder und Schweſtern. Für ihn ſelbſt ſprang ja dabei gar nichts heraus. Das Gut erbte ja einſt¬ mals nicht er, ſondern Karl. —
Er erwiederte daher auf die Klage des Vaters in kühlem Tone: „Nehmt Euch doch einen Knecht an, Vater!“
Der Alte blieb ſtehen und rief mit heftigen Armbewegungen: „An Knacht! Ich ſull mer an Knacht onnahma? Ich mecht ock wiſſen, wu dar rauswachſen ſillte. Achzig Tholer kriegt a ſu a Knacht jetzt im Juhre, und's Fraſſen obendrein. Und do mechte och noch a Weihnachten ſen, und a Ernteſcheffel. Mir hon a ſu ſchun zu vills Mäuler zu ſtopfa, hon mir! Wuſu kann ich denne, und ich kennte mer an Knacht halen! — Ne, hier mechte ener har, dar zur Familie geherte, dan wer keenen Lohn ne brauchten zahla. So ener mechte hier ſen!“
Der Unteroffizier zuckte die Achſeln, und der Vater ſagte nichts weiter. Der Rückweg wurde ſchweigend zurückgelegt. In dem Geſichte des Alten zuckte und witterte es, als führe er das Geſpräch innerlich weiter. Ehe ſie das Haus betraten, hielt er den Sohn am Arme feſt und ſagte ihm ins Ohr: „Ich will der amal a Briefel weiſen, Guſtav, das'ch gekriegt ha'. Komm mit mer ei de Stube!“ —
Der Büttnerbauer ging voraus in die Wohnſtube. Außer der alten Bäuerin war hier nur die Schwiegertochter an¬ weſend. Thereſe ſchaukelte ihr Jüngſtes, das an einem durch zwei Stricke am Mittelbalken der Holzdecke befeſtigten Korbe lag, hin und her. Der Bauer begann in einem Schubfache zu kramen. „Woas ſuchſt De denne, Büttner?“ fragte die Bäuerin. „'s Briefel von Karl Leberechten.“
„Dos ha'ch verſtackt!“ rief die alte Frau, und kam aus
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zu vergleichen mit ihm, in keiner Weiſe, das wußte der ſelbſt¬
bewußte junge Mann recht gut. — Der Vater klagte ja nicht
zum erſtenmale, daß die Wirtſchaft zurückgehe, ſeit Guſtav
bei der Truppe ſei. Aber, das konnte nichts helfen, Guſtav
war nicht geſonnen, die Treſſen aufzugeben für die Stellung
eines Knechtes auf dem väterlichen Hofe. Ja, wenn's noch für
eigene Rechnung geweſen wäre! Aber für die Familie ſich ab¬
ſchinden, für Eltern, Bruder und Schweſtern. Für ihn ſelbſt
ſprang ja dabei gar nichts heraus. Das Gut erbte ja einſt¬
mals nicht er, ſondern Karl. —
Er erwiederte daher auf die Klage des Vaters in kühlem
Tone: „Nehmt Euch doch einen Knecht an, Vater!“
Der Alte blieb ſtehen und rief mit heftigen Armbewegungen:
„An Knacht! Ich ſull mer an Knacht onnahma? Ich mecht
ock wiſſen, wu dar rauswachſen ſillte. Achzig Tholer kriegt a
ſu a Knacht jetzt im Juhre, und's Fraſſen obendrein. Und do
mechte och noch a Weihnachten ſen, und a Ernteſcheffel. Mir
hon a ſu ſchun zu vills Mäuler zu ſtopfa, hon mir! Wuſu
kann ich denne, und ich kennte mer an Knacht halen! — Ne,
hier mechte ener har, dar zur Familie geherte, dan wer keenen
Lohn ne brauchten zahla. So ener mechte hier ſen!“
Der Unteroffizier zuckte die Achſeln, und der Vater ſagte
nichts weiter. Der Rückweg wurde ſchweigend zurückgelegt.
In dem Geſichte des Alten zuckte und witterte es, als führe
er das Geſpräch innerlich weiter. Ehe ſie das Haus betraten,
hielt er den Sohn am Arme feſt und ſagte ihm ins Ohr:
„Ich will der amal a Briefel weiſen, Guſtav, das'ch gekriegt
ha'. Komm mit mer ei de Stube!“ —
Der Büttnerbauer ging voraus in die Wohnſtube. Außer
der alten Bäuerin war hier nur die Schwiegertochter an¬
weſend. Thereſe ſchaukelte ihr Jüngſtes, das an einem durch
zwei Stricke am Mittelbalken der Holzdecke befeſtigten Korbe
lag, hin und her. Der Bauer begann in einem Schubfache
zu kramen. „Woas ſuchſt De denne, Büttner?“ fragte die
Bäuerin. „'s Briefel von Karl Leberechten.“
„Dos ha'ch verſtackt!“ rief die alte Frau, und kam aus
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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