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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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eine Beschreibung von ihren Eindrücken und Erlebnissen zu
geben, wußte sie nicht, wo anfangen, fand keine Ausdrücke für
Dinge, die sie niemals begriffen, nur, wie der Wilde die
Wunder der Civilisation, erstaunt angestarrt hatte.

Dann fing sie an von ihren Kleidern zu erzählen. Drei
hatte sie zum Ausgehen, dazu zwei Hüte, und Strümpfe und
Hemden, dutzendweise.

Ernestine rückte unruhig auf ihrem Platze hin und her;
daß Toni, der sie sich stets überlegen gefühlt hatte, jetzt als
große Dame auftrat, verdroß sie. Wovon Toni denn all' den
Aufwand bestreite, verlangte sie zu wissen.

Ihr Freund bezahlte ihr alles, erklärte Toni, mit Selbst¬
gefühl.

"Mag 'n schener Freind sen das!" höhnte Ernestine.

Voll Eifer setzte Toni auseinander: "Er is sehre gutt mit
mer. 's Reisegeld hat er mer och geschenkt. Weil 'ch, und de
Fisse thaten mer duch su schwellen; da is 'r selber zum Chef,
und hat 'n um Urlaub gebaten für mich. Su gutt is dar mit
mer."

Sie blieb bis über das Neujahr in Halbenau. Wohnung
hatte sie schließlich doch beim Vater genommen.

Mit jedem Tage, den sie in der Heimat zubrachte, fiel
von dem großstädischen Wesen, das sie anfangs aufrecht zu
erhalten versuchte, etwas mehr ab. Der Putz war nur
oberflächlich aufgeworfen, wollte nicht recht haften bei diesem
echten Bauernkinde. Ein paar Tage lang lief sie völlig
scheckig umher: halb Bauernmagd, halb Stadtfräulein. Ihr
modisches Kleid hochaufgebunden, daß man die schwarzen
Strümpfe sah, war sie im Stalle anzutreffen, saß sie auf
dem Melkschemel, die Milchgelte zwischen den Knieen.

Dann fand sie in einer Lade auf dem Boden einige ihrer
alten Kleider, die dort geblieben waren aus früherer Zeit; die
legte sie an. Nun war sie wieder ganz die alte Toni.
Höchstens, daß ihre Wangen und Arme noch nicht die ehe¬
malige braunrote Färbung angenommen hatten.

Jetzt fühlte sich Toni wieder ganz in ihrem Elemente

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 25

eine Beſchreibung von ihren Eindrücken und Erlebniſſen zu
geben, wußte ſie nicht, wo anfangen, fand keine Ausdrücke für
Dinge, die ſie niemals begriffen, nur, wie der Wilde die
Wunder der Civiliſation, erſtaunt angeſtarrt hatte.

Dann fing ſie an von ihren Kleidern zu erzählen. Drei
hatte ſie zum Ausgehen, dazu zwei Hüte, und Strümpfe und
Hemden, dutzendweiſe.

Erneſtine rückte unruhig auf ihrem Platze hin und her;
daß Toni, der ſie ſich ſtets überlegen gefühlt hatte, jetzt als
große Dame auftrat, verdroß ſie. Wovon Toni denn all' den
Aufwand beſtreite, verlangte ſie zu wiſſen.

Ihr Freund bezahlte ihr alles, erklärte Toni, mit Selbſt¬
gefühl.

„Mag 'n ſchener Freind ſen das!“ höhnte Erneſtine.

Voll Eifer ſetzte Toni auseinander: „Er is ſehre gutt mit
mer. 's Reiſegeld hat er mer och geſchenkt. Weil 'ch, und de
Fiſſe thaten mer duch ſu ſchwellen; da is 'r ſelber zum Chef,
und hat 'n um Urlaub gebaten für mich. Su gutt is dar mit
mer.“

Sie blieb bis über das Neujahr in Halbenau. Wohnung
hatte ſie ſchließlich doch beim Vater genommen.

Mit jedem Tage, den ſie in der Heimat zubrachte, fiel
von dem großſtädiſchen Weſen, das ſie anfangs aufrecht zu
erhalten verſuchte, etwas mehr ab. Der Putz war nur
oberflächlich aufgeworfen, wollte nicht recht haften bei dieſem
echten Bauernkinde. Ein paar Tage lang lief ſie völlig
ſcheckig umher: halb Bauernmagd, halb Stadtfräulein. Ihr
modiſches Kleid hochaufgebunden, daß man die ſchwarzen
Strümpfe ſah, war ſie im Stalle anzutreffen, ſaß ſie auf
dem Melkſchemel, die Milchgelte zwiſchen den Knieen.

Dann fand ſie in einer Lade auf dem Boden einige ihrer
alten Kleider, die dort geblieben waren aus früherer Zeit; die
legte ſie an. Nun war ſie wieder ganz die alte Toni.
Höchſtens, daß ihre Wangen und Arme noch nicht die ehe¬
malige braunrote Färbung angenommen hatten.

Jetzt fühlte ſich Toni wieder ganz in ihrem Elemente

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[385/0399] eine Beſchreibung von ihren Eindrücken und Erlebniſſen zu geben, wußte ſie nicht, wo anfangen, fand keine Ausdrücke für Dinge, die ſie niemals begriffen, nur, wie der Wilde die Wunder der Civiliſation, erſtaunt angeſtarrt hatte. Dann fing ſie an von ihren Kleidern zu erzählen. Drei hatte ſie zum Ausgehen, dazu zwei Hüte, und Strümpfe und Hemden, dutzendweiſe. Erneſtine rückte unruhig auf ihrem Platze hin und her; daß Toni, der ſie ſich ſtets überlegen gefühlt hatte, jetzt als große Dame auftrat, verdroß ſie. Wovon Toni denn all' den Aufwand beſtreite, verlangte ſie zu wiſſen. Ihr Freund bezahlte ihr alles, erklärte Toni, mit Selbſt¬ gefühl. „Mag 'n ſchener Freind ſen das!“ höhnte Erneſtine. Voll Eifer ſetzte Toni auseinander: „Er is ſehre gutt mit mer. 's Reiſegeld hat er mer och geſchenkt. Weil 'ch, und de Fiſſe thaten mer duch ſu ſchwellen; da is 'r ſelber zum Chef, und hat 'n um Urlaub gebaten für mich. Su gutt is dar mit mer.“ Sie blieb bis über das Neujahr in Halbenau. Wohnung hatte ſie ſchließlich doch beim Vater genommen. Mit jedem Tage, den ſie in der Heimat zubrachte, fiel von dem großſtädiſchen Weſen, das ſie anfangs aufrecht zu erhalten verſuchte, etwas mehr ab. Der Putz war nur oberflächlich aufgeworfen, wollte nicht recht haften bei dieſem echten Bauernkinde. Ein paar Tage lang lief ſie völlig ſcheckig umher: halb Bauernmagd, halb Stadtfräulein. Ihr modiſches Kleid hochaufgebunden, daß man die ſchwarzen Strümpfe ſah, war ſie im Stalle anzutreffen, ſaß ſie auf dem Melkſchemel, die Milchgelte zwiſchen den Knieen. Dann fand ſie in einer Lade auf dem Boden einige ihrer alten Kleider, die dort geblieben waren aus früherer Zeit; die legte ſie an. Nun war ſie wieder ganz die alte Toni. Höchſtens, daß ihre Wangen und Arme noch nicht die ehe¬ malige braunrote Färbung angenommen hatten. Jetzt fühlte ſich Toni wieder ganz in ihrem Elemente W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 25

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/399>, abgerufen am 24.11.2024.