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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Aber Ernestine, die von ihrem Bräutigam gelernt hatte,
daß Kinder den Eltern nicht mehr zu gehorchen brauchten,
that nur, was ihr paßte. Den Befehlen des Vaters antwortete
sie mit Achselzucken, spitzen Worten, oder auch Vorwürfen.
Der alte Mann bekam von der Tochter zu hören: er sei ja
selbst daran schuld, daß sie nichts mehr hätten, nicht einmal so
viel, um sich eine Magd zu halten. Er habe ja das Vermögen
durchgebracht mit liederlicher Wirtschaft. Nun sei Haus und
Hof in fremde Hände geraten durch seine Schuld, und sie, die
Kinder, könnten betteln gehen.

Der Büttnerbauer mußte das mit anhören, und seinen
Kummer in sich hineinschlucken. Jetzt warf ihm sein eigenes
Kind das schwere Unglück, das ihn getroffen hatte, auch noch
als Vorwurf in's Gesicht.

Ernestine wußte nicht, was sie that! -- Jene naive Grausam¬
keit der Jugend war ihr eigen, die in dem alten Menschen
etwas Unangenehmes, Unnützes, Lästiges sieht. Was wußte sie
denn von dem, was in der Seele des Vaters vorging, der
am Abende des Lebens sein ganzes Lebenswerk: Arbeit, Sorge,
Hoffnung, in nichts zerrinnen sah! --

Sie setzte den väterlichen Befehlen ihr schnippisches Besser¬
wissen entgegen. Wiederholt betonte sie, es sei nur ihr
guter Wille, nicht ihre Pflicht, wenn sie für den Vater
etwas besorge; seine Magd sei sie nicht! Sie habe es in
der Fremde besser kennen gelernt. Und wenn er sie etwa
zwingen wolle, dann werde sie auf der Stelle gehen; sie habe
keine Pflicht, ihm zu gehorchen, da er ihr das Erbteil verthan
habe.

Der Büttnerbauer hatte in den letzten Monaten gelernt,
vieles zu ertragen. Es schien fast, als wolle er auch den
Rutenstreichen, die ihm seine Jüngstgeborene erteilte, geduldig
den Rücken hinhalten.

Eines Tages aber besann er sich auf seine Mannes-
und Vaterwürde. Ernestine hatte sich geweigert, die Grube
hinter dem Hause auszuschöpfen; diese Art Beschäftigung sei
unter ihrer Würde erklärte sie. Das brachte bei dem Alten

Aber Erneſtine, die von ihrem Bräutigam gelernt hatte,
daß Kinder den Eltern nicht mehr zu gehorchen brauchten,
that nur, was ihr paßte. Den Befehlen des Vaters antwortete
ſie mit Achſelzucken, ſpitzen Worten, oder auch Vorwürfen.
Der alte Mann bekam von der Tochter zu hören: er ſei ja
ſelbſt daran ſchuld, daß ſie nichts mehr hätten, nicht einmal ſo
viel, um ſich eine Magd zu halten. Er habe ja das Vermögen
durchgebracht mit liederlicher Wirtſchaft. Nun ſei Haus und
Hof in fremde Hände geraten durch ſeine Schuld, und ſie, die
Kinder, könnten betteln gehen.

Der Büttnerbauer mußte das mit anhören, und ſeinen
Kummer in ſich hineinſchlucken. Jetzt warf ihm ſein eigenes
Kind das ſchwere Unglück, das ihn getroffen hatte, auch noch
als Vorwurf in's Geſicht.

Erneſtine wußte nicht, was ſie that! — Jene naive Grauſam¬
keit der Jugend war ihr eigen, die in dem alten Menſchen
etwas Unangenehmes, Unnützes, Läſtiges ſieht. Was wußte ſie
denn von dem, was in der Seele des Vaters vorging, der
am Abende des Lebens ſein ganzes Lebenswerk: Arbeit, Sorge,
Hoffnung, in nichts zerrinnen ſah! —

Sie ſetzte den väterlichen Befehlen ihr ſchnippiſches Beſſer¬
wiſſen entgegen. Wiederholt betonte ſie, es ſei nur ihr
guter Wille, nicht ihre Pflicht, wenn ſie für den Vater
etwas beſorge; ſeine Magd ſei ſie nicht! Sie habe es in
der Fremde beſſer kennen gelernt. Und wenn er ſie etwa
zwingen wolle, dann werde ſie auf der Stelle gehen; ſie habe
keine Pflicht, ihm zu gehorchen, da er ihr das Erbteil verthan
habe.

Der Büttnerbauer hatte in den letzten Monaten gelernt,
vieles zu ertragen. Es ſchien faſt, als wolle er auch den
Rutenſtreichen, die ihm ſeine Jüngſtgeborene erteilte, geduldig
den Rücken hinhalten.

Eines Tages aber beſann er ſich auf ſeine Mannes-
und Vaterwürde. Erneſtine hatte ſich geweigert, die Grube
hinter dem Hauſe auszuſchöpfen; dieſe Art Beſchäftigung ſei
unter ihrer Würde erklärte ſie. Das brachte bei dem Alten

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[379/0393] Aber Erneſtine, die von ihrem Bräutigam gelernt hatte, daß Kinder den Eltern nicht mehr zu gehorchen brauchten, that nur, was ihr paßte. Den Befehlen des Vaters antwortete ſie mit Achſelzucken, ſpitzen Worten, oder auch Vorwürfen. Der alte Mann bekam von der Tochter zu hören: er ſei ja ſelbſt daran ſchuld, daß ſie nichts mehr hätten, nicht einmal ſo viel, um ſich eine Magd zu halten. Er habe ja das Vermögen durchgebracht mit liederlicher Wirtſchaft. Nun ſei Haus und Hof in fremde Hände geraten durch ſeine Schuld, und ſie, die Kinder, könnten betteln gehen. Der Büttnerbauer mußte das mit anhören, und ſeinen Kummer in ſich hineinſchlucken. Jetzt warf ihm ſein eigenes Kind das ſchwere Unglück, das ihn getroffen hatte, auch noch als Vorwurf in's Geſicht. Erneſtine wußte nicht, was ſie that! — Jene naive Grauſam¬ keit der Jugend war ihr eigen, die in dem alten Menſchen etwas Unangenehmes, Unnützes, Läſtiges ſieht. Was wußte ſie denn von dem, was in der Seele des Vaters vorging, der am Abende des Lebens ſein ganzes Lebenswerk: Arbeit, Sorge, Hoffnung, in nichts zerrinnen ſah! — Sie ſetzte den väterlichen Befehlen ihr ſchnippiſches Beſſer¬ wiſſen entgegen. Wiederholt betonte ſie, es ſei nur ihr guter Wille, nicht ihre Pflicht, wenn ſie für den Vater etwas beſorge; ſeine Magd ſei ſie nicht! Sie habe es in der Fremde beſſer kennen gelernt. Und wenn er ſie etwa zwingen wolle, dann werde ſie auf der Stelle gehen; ſie habe keine Pflicht, ihm zu gehorchen, da er ihr das Erbteil verthan habe. Der Büttnerbauer hatte in den letzten Monaten gelernt, vieles zu ertragen. Es ſchien faſt, als wolle er auch den Rutenſtreichen, die ihm ſeine Jüngſtgeborene erteilte, geduldig den Rücken hinhalten. Eines Tages aber beſann er ſich auf ſeine Mannes- und Vaterwürde. Erneſtine hatte ſich geweigert, die Grube hinter dem Hauſe auszuſchöpfen; dieſe Art Beſchäftigung ſei unter ihrer Würde erklärte ſie. Das brachte bei dem Alten

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/393>, abgerufen am 24.11.2024.