Gustavs Rückkehr. Ernestine wohnte wieder auf dem Bauern¬ hofe beim alten Vater.
Ernestine war sehr verändert zurückgekehrt aus der Fremde. Sie hatte sich im Laufe des Sommers ein gewisses hochnäsiges Herabblicken auf ihre Umgebung angewöhnt. Den heimischen Verhältnissen brachte sie ganz unverhohlene Verachtung ent¬ gegen. Sie sagte es auch jedermann, der es hören wollte, daß sie es in Halbenau nicht lange aushalten werde.
Sie war im Besitz größerer Geldmittel als irgend ein anderes Mitglied ihrer Familie. Und sie hielt gut Haus damit. Die anderen Rübenmädchen brachten ihr Erspartes schnell unter die Leute; Kleider, Schmuck und allerhand unnützer Tand wurde gekauft. Manch eine ließ sich auch ihre mühsam erworbenen Groschen von einem Burschen abschwatzen, oder man ver¬ jubelte die Ersparnisse gemeinsam. Die Tanzereien und Ge¬ lage gingen in diesem Winter besonders flott im Kretscham von Halbenau; die ,Runkelweiber' hatten Geld in's Dorf gebracht.
Ernestine Büttner war viel zu vernünftig und zu berech¬ nend, um sich an solchem Treiben zu beteiligen. Sie machte sich daran, mit ihrem und Häschkekarls Gelde, eine Aus¬ stattung zu besorgen. Das Mädchen kaufte Stoffe ein und Leinwand. Mit Pauline saß sie oft bis spät in die Nächte hinein in Frau Katschners Behausung über die Nadel ge¬ bückt. Schwerlich ahnte ihr Bräutigam Häschke, wie energisch, praktisch und sparsam das Regiment sein würde, unter das er kommen sollte.
Auch dem Vater gegenüber wollte Ernestine ihre Selbst¬ ständigkeit zur Geltung bringen. Der alte Bauer hatte sich noch nicht darein gefunden, in ihr etwas anderes zu sehen, als das jüngste Kind. Sie sollte sich seinem Willen in allen Stücken fügen, wie er es von jeher von seinen Kindern, ganz besonders aber von den Töchtern, verlangt hatte.
Er nahm als selbstverständlich an, daß Ernestine die häuslichen Arbeiten übernehmen würde, welche seit dem Tode der Mutter arg vernachlässigt waren.
Guſtavs Rückkehr. Erneſtine wohnte wieder auf dem Bauern¬ hofe beim alten Vater.
Erneſtine war ſehr verändert zurückgekehrt aus der Fremde. Sie hatte ſich im Laufe des Sommers ein gewiſſes hochnäſiges Herabblicken auf ihre Umgebung angewöhnt. Den heimiſchen Verhältniſſen brachte ſie ganz unverhohlene Verachtung ent¬ gegen. Sie ſagte es auch jedermann, der es hören wollte, daß ſie es in Halbenau nicht lange aushalten werde.
Sie war im Beſitz größerer Geldmittel als irgend ein anderes Mitglied ihrer Familie. Und ſie hielt gut Haus damit. Die anderen Rübenmädchen brachten ihr Erſpartes ſchnell unter die Leute; Kleider, Schmuck und allerhand unnützer Tand wurde gekauft. Manch eine ließ ſich auch ihre mühſam erworbenen Groſchen von einem Burſchen abſchwatzen, oder man ver¬ jubelte die Erſparniſſe gemeinſam. Die Tanzereien und Ge¬ lage gingen in dieſem Winter beſonders flott im Kretſcham von Halbenau; die ,Runkelweiber‘ hatten Geld in's Dorf gebracht.
Erneſtine Büttner war viel zu vernünftig und zu berech¬ nend, um ſich an ſolchem Treiben zu beteiligen. Sie machte ſich daran, mit ihrem und Häſchkekarls Gelde, eine Aus¬ ſtattung zu beſorgen. Das Mädchen kaufte Stoffe ein und Leinwand. Mit Pauline ſaß ſie oft bis ſpät in die Nächte hinein in Frau Katſchners Behauſung über die Nadel ge¬ bückt. Schwerlich ahnte ihr Bräutigam Häſchke, wie energiſch, praktiſch und ſparſam das Regiment ſein würde, unter das er kommen ſollte.
Auch dem Vater gegenüber wollte Erneſtine ihre Selbſt¬ ſtändigkeit zur Geltung bringen. Der alte Bauer hatte ſich noch nicht darein gefunden, in ihr etwas anderes zu ſehen, als das jüngſte Kind. Sie ſollte ſich ſeinem Willen in allen Stücken fügen, wie er es von jeher von ſeinen Kindern, ganz beſonders aber von den Töchtern, verlangt hatte.
Er nahm als ſelbſtverſtändlich an, daß Erneſtine die häuslichen Arbeiten übernehmen würde, welche ſeit dem Tode der Mutter arg vernachläſſigt waren.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0392"n="378"/>
Guſtavs Rückkehr. Erneſtine wohnte wieder auf dem Bauern¬<lb/>
hofe beim alten Vater.</p><lb/><p>Erneſtine war ſehr verändert zurückgekehrt aus der Fremde.<lb/>
Sie hatte ſich im Laufe des Sommers ein gewiſſes hochnäſiges<lb/>
Herabblicken auf ihre Umgebung angewöhnt. Den heimiſchen<lb/>
Verhältniſſen brachte ſie ganz unverhohlene Verachtung ent¬<lb/>
gegen. Sie ſagte es auch jedermann, der es hören wollte,<lb/>
daß ſie es in Halbenau nicht lange aushalten werde.</p><lb/><p>Sie war im Beſitz größerer Geldmittel als irgend ein<lb/>
anderes Mitglied ihrer Familie. Und ſie hielt gut Haus damit.<lb/>
Die anderen Rübenmädchen brachten ihr Erſpartes ſchnell unter<lb/>
die Leute; Kleider, Schmuck und allerhand unnützer Tand wurde<lb/>
gekauft. Manch eine ließ ſich auch ihre mühſam erworbenen<lb/>
Groſchen von einem Burſchen abſchwatzen, oder man ver¬<lb/>
jubelte die Erſparniſſe gemeinſam. Die Tanzereien und Ge¬<lb/>
lage gingen in dieſem Winter beſonders flott im Kretſcham<lb/>
von Halbenau; die ,Runkelweiber‘ hatten Geld in's Dorf<lb/>
gebracht.</p><lb/><p>Erneſtine Büttner war viel zu vernünftig und zu berech¬<lb/>
nend, um ſich an ſolchem Treiben zu beteiligen. Sie machte<lb/>ſich daran, mit ihrem und Häſchkekarls Gelde, eine Aus¬<lb/>ſtattung zu beſorgen. Das Mädchen kaufte Stoffe ein und<lb/>
Leinwand. Mit Pauline ſaß ſie oft bis ſpät in die Nächte<lb/>
hinein in Frau Katſchners Behauſung über die Nadel ge¬<lb/>
bückt. Schwerlich ahnte ihr Bräutigam Häſchke, wie energiſch,<lb/>
praktiſch und ſparſam das Regiment ſein würde, unter das er<lb/>
kommen ſollte.</p><lb/><p>Auch dem Vater gegenüber wollte Erneſtine ihre Selbſt¬<lb/>ſtändigkeit zur Geltung bringen. Der alte Bauer hatte<lb/>ſich noch nicht darein gefunden, in ihr etwas anderes zu<lb/>ſehen, als das jüngſte Kind. Sie ſollte ſich ſeinem Willen in<lb/>
allen Stücken fügen, wie er es von jeher von ſeinen Kindern,<lb/>
ganz beſonders aber von den Töchtern, verlangt hatte.</p><lb/><p>Er nahm als ſelbſtverſtändlich an, daß Erneſtine die<lb/>
häuslichen Arbeiten übernehmen würde, welche ſeit dem Tode<lb/>
der Mutter arg vernachläſſigt waren.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[378/0392]
Guſtavs Rückkehr. Erneſtine wohnte wieder auf dem Bauern¬
hofe beim alten Vater.
Erneſtine war ſehr verändert zurückgekehrt aus der Fremde.
Sie hatte ſich im Laufe des Sommers ein gewiſſes hochnäſiges
Herabblicken auf ihre Umgebung angewöhnt. Den heimiſchen
Verhältniſſen brachte ſie ganz unverhohlene Verachtung ent¬
gegen. Sie ſagte es auch jedermann, der es hören wollte,
daß ſie es in Halbenau nicht lange aushalten werde.
Sie war im Beſitz größerer Geldmittel als irgend ein
anderes Mitglied ihrer Familie. Und ſie hielt gut Haus damit.
Die anderen Rübenmädchen brachten ihr Erſpartes ſchnell unter
die Leute; Kleider, Schmuck und allerhand unnützer Tand wurde
gekauft. Manch eine ließ ſich auch ihre mühſam erworbenen
Groſchen von einem Burſchen abſchwatzen, oder man ver¬
jubelte die Erſparniſſe gemeinſam. Die Tanzereien und Ge¬
lage gingen in dieſem Winter beſonders flott im Kretſcham
von Halbenau; die ,Runkelweiber‘ hatten Geld in's Dorf
gebracht.
Erneſtine Büttner war viel zu vernünftig und zu berech¬
nend, um ſich an ſolchem Treiben zu beteiligen. Sie machte
ſich daran, mit ihrem und Häſchkekarls Gelde, eine Aus¬
ſtattung zu beſorgen. Das Mädchen kaufte Stoffe ein und
Leinwand. Mit Pauline ſaß ſie oft bis ſpät in die Nächte
hinein in Frau Katſchners Behauſung über die Nadel ge¬
bückt. Schwerlich ahnte ihr Bräutigam Häſchke, wie energiſch,
praktiſch und ſparſam das Regiment ſein würde, unter das er
kommen ſollte.
Auch dem Vater gegenüber wollte Erneſtine ihre Selbſt¬
ſtändigkeit zur Geltung bringen. Der alte Bauer hatte
ſich noch nicht darein gefunden, in ihr etwas anderes zu
ſehen, als das jüngſte Kind. Sie ſollte ſich ſeinem Willen in
allen Stücken fügen, wie er es von jeher von ſeinen Kindern,
ganz beſonders aber von den Töchtern, verlangt hatte.
Er nahm als ſelbſtverſtändlich an, daß Erneſtine die
häuslichen Arbeiten übernehmen würde, welche ſeit dem Tode
der Mutter arg vernachläſſigt waren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/392>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.