listen. Er beschloß, zunächst den Mund zu halten und zu warten.
Am nächsten Morgen zog Therese die Sonntagskleider an, band eine frische Schürze darüber und legte ein buntes Kopf¬ tuch an. Sie wolle mal zum "Duchter" gehn, wegen der Kinder, erklärte sie. Er möchte die Töpfe auf dem Herde beobachten und gelegentlich rücken, damit's nicht überkoche. Der freundliche Ton, in dem sie das sagte, war verdächtig.
Er paßte genau auf jede ihrer Bewegungen auf. Ob sie das Geld schon bei sich hatte? -- Sie ging in die Kammer nebenan. Er lauschte. Fast klang es, als steige sie auf einen Stuhl. Sie rückte etwas. Dann konnte er ein schwaches Klimpern vernehmen. Das war das Geld!
Nach einiger Zeit kam sie wieder in's Zimmer. Nun wolle sie aber gehen, sagte sie, sie habe sich nur noch ihr Sacktuch geholt.
Er ließ sie durch die Thüre schreiten; aber dann war er auch sofort hinter ihr drein. Noch ehe sie in's Freie gelangt, hielt er sie am Arme. Auf der anderen Seite des Hausflurs war ein leerer Stall; eben der Ort, den sich Therese für ihre Ziegen ausersehen hatte. Dahinein riß er sie, schob den hölzernen Riegel vor, sobald er sie drin hatte.
"Giebst De's Geld raus!" knurrte er. "De hast's ei der Tasche stacken. Ich weeß 's!"
Sie leugnete ihm in's Gesicht.
"Mach kee Gefitze nich! Ich ha's gehiert, wie De's eigesteckt hast."
Sie wollte an ihm vorbei, dem Ausgange zu. Aber er umfaßte sie rechtzeitig, schleppte sie nach dem Hintergrund des Stalles.
"Giebst De's har!"
"Ne, Dir ne!"
Er suchte ihr mit einer Hand die Arme festzuhalten und mit der anderen in ihre Kleidtasche zu gelangen. Sie setzte sich zur Wehr, biß und kratzte. In der Dunkelheit des Stalles funkelten ihre Augen, wie die einer Katze. Karl brüllte auf, ihre Nägel in seinem Halse brannten wie Feuer. Er
liſten. Er beſchloß, zunächſt den Mund zu halten und zu warten.
Am nächſten Morgen zog Thereſe die Sonntagskleider an, band eine friſche Schürze darüber und legte ein buntes Kopf¬ tuch an. Sie wolle mal zum „Duchter“ gehn, wegen der Kinder, erklärte ſie. Er möchte die Töpfe auf dem Herde beobachten und gelegentlich rücken, damit's nicht überkoche. Der freundliche Ton, in dem ſie das ſagte, war verdächtig.
Er paßte genau auf jede ihrer Bewegungen auf. Ob ſie das Geld ſchon bei ſich hatte? — Sie ging in die Kammer nebenan. Er lauſchte. Faſt klang es, als ſteige ſie auf einen Stuhl. Sie rückte etwas. Dann konnte er ein ſchwaches Klimpern vernehmen. Das war das Geld!
Nach einiger Zeit kam ſie wieder in's Zimmer. Nun wolle ſie aber gehen, ſagte ſie, ſie habe ſich nur noch ihr Sacktuch geholt.
Er ließ ſie durch die Thüre ſchreiten; aber dann war er auch ſofort hinter ihr drein. Noch ehe ſie in's Freie gelangt, hielt er ſie am Arme. Auf der anderen Seite des Hausflurs war ein leerer Stall; eben der Ort, den ſich Thereſe für ihre Ziegen auserſehen hatte. Dahinein riß er ſie, ſchob den hölzernen Riegel vor, ſobald er ſie drin hatte.
„Giebſt De's Geld raus!“ knurrte er. „De haſt's ei der Taſche ſtacken. Ich weeß 's!“
Sie leugnete ihm in's Geſicht.
„Mach kee Gefitze nich! Ich ha's gehiert, wie De's eigeſteckt haſt.“
Sie wollte an ihm vorbei, dem Ausgange zu. Aber er umfaßte ſie rechtzeitig, ſchleppte ſie nach dem Hintergrund des Stalles.
„Giebſt De's har!“
„Ne, Dir ne!“
Er ſuchte ihr mit einer Hand die Arme feſtzuhalten und mit der anderen in ihre Kleidtaſche zu gelangen. Sie ſetzte ſich zur Wehr, biß und kratzte. In der Dunkelheit des Stalles funkelten ihre Augen, wie die einer Katze. Karl brüllte auf, ihre Nägel in ſeinem Halſe brannten wie Feuer. Er
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liſten. Er beſchloß, zunächſt den Mund zu halten und zu
warten.
Am nächſten Morgen zog Thereſe die Sonntagskleider an,
band eine friſche Schürze darüber und legte ein buntes Kopf¬
tuch an. Sie wolle mal zum „Duchter“ gehn, wegen der Kinder,
erklärte ſie. Er möchte die Töpfe auf dem Herde beobachten
und gelegentlich rücken, damit's nicht überkoche. Der freundliche
Ton, in dem ſie das ſagte, war verdächtig.
Er paßte genau auf jede ihrer Bewegungen auf. Ob ſie
das Geld ſchon bei ſich hatte? — Sie ging in die Kammer
nebenan. Er lauſchte. Faſt klang es, als ſteige ſie auf einen
Stuhl. Sie rückte etwas. Dann konnte er ein ſchwaches
Klimpern vernehmen. Das war das Geld!
Nach einiger Zeit kam ſie wieder in's Zimmer. Nun wolle ſie
aber gehen, ſagte ſie, ſie habe ſich nur noch ihr Sacktuch geholt.
Er ließ ſie durch die Thüre ſchreiten; aber dann war er
auch ſofort hinter ihr drein. Noch ehe ſie in's Freie gelangt,
hielt er ſie am Arme. Auf der anderen Seite des Hausflurs
war ein leerer Stall; eben der Ort, den ſich Thereſe für ihre
Ziegen auserſehen hatte. Dahinein riß er ſie, ſchob den
hölzernen Riegel vor, ſobald er ſie drin hatte.
„Giebſt De's Geld raus!“ knurrte er. „De haſt's ei der
Taſche ſtacken. Ich weeß 's!“
Sie leugnete ihm in's Geſicht.
„Mach kee Gefitze nich! Ich ha's gehiert, wie De's eigeſteckt
haſt.“
Sie wollte an ihm vorbei, dem Ausgange zu. Aber er
umfaßte ſie rechtzeitig, ſchleppte ſie nach dem Hintergrund des
Stalles.
„Giebſt De's har!“
„Ne, Dir ne!“
Er ſuchte ihr mit einer Hand die Arme feſtzuhalten und
mit der anderen in ihre Kleidtaſche zu gelangen. Sie ſetzte
ſich zur Wehr, biß und kratzte. In der Dunkelheit des Stalles
funkelten ihre Augen, wie die einer Katze. Karl brüllte
auf, ihre Nägel in ſeinem Halſe brannten wie Feuer. Er
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/390>, abgerufen am 23.07.2024.
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