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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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verstanden. Jetzt wendete sich das Blättchen. Jetzt wollte er ihr
zeigen, daß es auch umgekehrt gehe; er hatte Wohlgefallen
am Schlechtsein gefunden.

In Karl hatte all die Zeit über etwas geschlummert,
etwas wie die versteckte Wildheit des Stieres, die nur aus¬
bricht, wenn die Gelegenheit sie hervorlockt. In diesem Bauern¬
sohne lag eine Summe von tierischer Kraft angesammelt, wie
sie seine Vorfahren im harten Ringen mit der Natur wohl
gebraucht; aber ihm waren alle jene edleren und feineren
Gaben versagt geblieben, die den Landmann zu einem guten
Wirt und Hausvater, zu einem Pfleger und damit in höhe¬
rem Sinne zu einem Überwinder der Natur machen. Solange
er in guter Obhut gewesen, unter der strengen Fuchtel des
alten Bauern, auf dem väterlichen Gute wie ein Knecht ge¬
halten, waren die wilden Seiten seines Wesens nicht hervor¬
gebrochen, aber jetzt, wo er losgerissen von der Heimat, den
Boden unter den Füßen verloren hatte, in Verhältnisse geworfen
war, denen er mit seiner gering entwickelten Intelligenz nicht
gewachsen, fiel er, mit Notwendigkeit, in jene angeborene Roh¬
heit zurück.

Geschlagen hatte er seine Frau noch nicht wieder seit dem
Zweikampfe, an jenem Morgen. Er hatte sich, als er die
Folgen seiner That gewahr geworden, doch vor sich selbst ent¬
setzt. Dann kamen wieder Augenblicke, wo sie ihn durch
ihre spitzen Redensarten, denen seine plumpe Zunge nicht ge¬
wachsen war, zum Grimm reizte. Da juckte es ihm in den
Fingern, loszuschlagen. Aber das Bewußtsein, daß er neulich
haarscharf daran vorbeigegangen war, zum Gattenmörder zu
werden, hielt ihn immer wieder zurück.

Es ging wenig erquicklich zu in dem Haushalte der beiden;
zum häuslichen Unfrieden kam auch noch Krankheit. Die
Kinder legten sich der Reihe nach. Das Achtmonatskind,
welches Therese von Toni zu Pflege überkommen hatte, siechte
von dem Augenblicke an, wo die Mutter es verlassen hatte.
Therese sagte wie oft: "Wenn ack der Racker blußig starben
wullte, daß Ruhe wirde!" -- Aber, ihre Thaten waren besser,

verſtanden. Jetzt wendete ſich das Blättchen. Jetzt wollte er ihr
zeigen, daß es auch umgekehrt gehe; er hatte Wohlgefallen
am Schlechtſein gefunden.

In Karl hatte all die Zeit über etwas geſchlummert,
etwas wie die verſteckte Wildheit des Stieres, die nur aus¬
bricht, wenn die Gelegenheit ſie hervorlockt. In dieſem Bauern¬
ſohne lag eine Summe von tieriſcher Kraft angeſammelt, wie
ſie ſeine Vorfahren im harten Ringen mit der Natur wohl
gebraucht; aber ihm waren alle jene edleren und feineren
Gaben verſagt geblieben, die den Landmann zu einem guten
Wirt und Hausvater, zu einem Pfleger und damit in höhe¬
rem Sinne zu einem Überwinder der Natur machen. Solange
er in guter Obhut geweſen, unter der ſtrengen Fuchtel des
alten Bauern, auf dem väterlichen Gute wie ein Knecht ge¬
halten, waren die wilden Seiten ſeines Weſens nicht hervor¬
gebrochen, aber jetzt, wo er losgeriſſen von der Heimat, den
Boden unter den Füßen verloren hatte, in Verhältniſſe geworfen
war, denen er mit ſeiner gering entwickelten Intelligenz nicht
gewachſen, fiel er, mit Notwendigkeit, in jene angeborene Roh¬
heit zurück.

Geſchlagen hatte er ſeine Frau noch nicht wieder ſeit dem
Zweikampfe, an jenem Morgen. Er hatte ſich, als er die
Folgen ſeiner That gewahr geworden, doch vor ſich ſelbſt ent¬
ſetzt. Dann kamen wieder Augenblicke, wo ſie ihn durch
ihre ſpitzen Redensarten, denen ſeine plumpe Zunge nicht ge¬
wachſen war, zum Grimm reizte. Da juckte es ihm in den
Fingern, loszuſchlagen. Aber das Bewußtſein, daß er neulich
haarſcharf daran vorbeigegangen war, zum Gattenmörder zu
werden, hielt ihn immer wieder zurück.

Es ging wenig erquicklich zu in dem Haushalte der beiden;
zum häuslichen Unfrieden kam auch noch Krankheit. Die
Kinder legten ſich der Reihe nach. Das Achtmonatskind,
welches Thereſe von Toni zu Pflege überkommen hatte, ſiechte
von dem Augenblicke an, wo die Mutter es verlaſſen hatte.
Thereſe ſagte wie oft: „Wenn ack der Racker blußig ſtarben
wullte, daß Ruhe wirde!“ — Aber, ihre Thaten waren beſſer,

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[374/0388] verſtanden. Jetzt wendete ſich das Blättchen. Jetzt wollte er ihr zeigen, daß es auch umgekehrt gehe; er hatte Wohlgefallen am Schlechtſein gefunden. In Karl hatte all die Zeit über etwas geſchlummert, etwas wie die verſteckte Wildheit des Stieres, die nur aus¬ bricht, wenn die Gelegenheit ſie hervorlockt. In dieſem Bauern¬ ſohne lag eine Summe von tieriſcher Kraft angeſammelt, wie ſie ſeine Vorfahren im harten Ringen mit der Natur wohl gebraucht; aber ihm waren alle jene edleren und feineren Gaben verſagt geblieben, die den Landmann zu einem guten Wirt und Hausvater, zu einem Pfleger und damit in höhe¬ rem Sinne zu einem Überwinder der Natur machen. Solange er in guter Obhut geweſen, unter der ſtrengen Fuchtel des alten Bauern, auf dem väterlichen Gute wie ein Knecht ge¬ halten, waren die wilden Seiten ſeines Weſens nicht hervor¬ gebrochen, aber jetzt, wo er losgeriſſen von der Heimat, den Boden unter den Füßen verloren hatte, in Verhältniſſe geworfen war, denen er mit ſeiner gering entwickelten Intelligenz nicht gewachſen, fiel er, mit Notwendigkeit, in jene angeborene Roh¬ heit zurück. Geſchlagen hatte er ſeine Frau noch nicht wieder ſeit dem Zweikampfe, an jenem Morgen. Er hatte ſich, als er die Folgen ſeiner That gewahr geworden, doch vor ſich ſelbſt ent¬ ſetzt. Dann kamen wieder Augenblicke, wo ſie ihn durch ihre ſpitzen Redensarten, denen ſeine plumpe Zunge nicht ge¬ wachſen war, zum Grimm reizte. Da juckte es ihm in den Fingern, loszuſchlagen. Aber das Bewußtſein, daß er neulich haarſcharf daran vorbeigegangen war, zum Gattenmörder zu werden, hielt ihn immer wieder zurück. Es ging wenig erquicklich zu in dem Haushalte der beiden; zum häuslichen Unfrieden kam auch noch Krankheit. Die Kinder legten ſich der Reihe nach. Das Achtmonatskind, welches Thereſe von Toni zu Pflege überkommen hatte, ſiechte von dem Augenblicke an, wo die Mutter es verlaſſen hatte. Thereſe ſagte wie oft: „Wenn ack der Racker blußig ſtarben wullte, daß Ruhe wirde!“ — Aber, ihre Thaten waren beſſer,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/388>, abgerufen am 24.11.2024.